Seewölfe - Piraten der Weltmeere 269. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954396665
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      Impressum

      © 1976/2016 Pabel-Moewig Verlag KG,

      Pabel ebook, Rastatt.

      ISBN: 978-3-95439-666-5

      Internet: www.vpm.de und E-Mail: [email protected]

      Inhalt

       Kapitel 1

       Kapitel 2

       Kapitel 3

       Kapitel 4

       Kapitel 5

       Kapitel 6

       Kapitel 7

       Kapitel 8

       Kapitel 9

       Kapitel 10

      1.

      Tief im Süden von Andalusien, etwa auf halber Strecke zwischen Malaga und Gibraltar in der Nähe eines an der Costa del Sol gelegenen Städtchens namens Estepona, bewegten sich an diesem warmen Juniabend des Jahres 1592 zwei bemerkenswerte Gestalten durch die Olivenhaine, die die sanften, flachen Hügel dieser Region bedeckten.

      Die eine fiel durch ihre Körperfülle auf, die andere durch ihr mageres, ja, fast skeletthaftes Äußeres. Größer hätte der Unterschied zwischen den Männern kaum sein können. Hinzu kam noch, daß der Beleibte helle Leinenkleidung trug, der Ausgemergelte hingegen dunkles Zeug. Der Dicke schnaufte heftig beim Gehen, sein Begleiter schritt munter aus und zeigte keine Ermüdungserscheinungen. Kurz – sie waren ein einziger lebendiger Kontrast, ein erstaunliches Paar, komisch und tragisch zugleich.

      Baltasar Tabaro und Juan Vidal hießen diese beiden, und ausgerechnet der dicke Tabaro war es, der jetzt mit einemmal stehenblieb, den Kopf ein wenig schief legte, als lausche er angestrengt dem Zirpen der Zikaden, dreimal tief durchatmete und dann sagte: „Juan, ich kann nicht mehr. Der Hunger bringt mich um.“

      Vidal verharrte ebenfalls und drehte sich zu ihm um. Eine Weile betrachtete er im schalen Mondlicht das fleischige, aufgedunsene Gesicht seines Gefährten, ehe er sich zu einer Erwiderung bequemte.

      „Du Narr. Bilde dir bloß nicht ein, daß ich dich jetzt bemitleide.“

      „Ich habe seit gestern nichts mehr gegessen.“

      „Ich auch nicht. Na und? Der Mensch kann zwei Wochen lang leben, ohne Nahrung aufzunehmen, nur am Wasser darf’s ihm nicht fehlen.“

      „Ich halte das nicht durch“, stöhnte Baltasar Tabaro. „Ich breche zusammen, hier, auf der Stelle.“

      „Willst du darauf warten, daß die Oliven reifen und dir ins Maul fallen, du Faulpelz?“ fragte Juan Vidal höhnisch. Sein verkniffenes, hohlwangiges Gesicht hatte sich zu einer Grimasse verzogen. „Das dauert aber noch einige Zeit. Bis zum Oktober, erst dann sind sie soweit. Vorher hat es nicht mal Zweck, auf die Bäume hier zu klettern. Die niedlichen kleinen Dinger sind völlig ungenießbar, damit du’s nur weißt.“

      Baltasar wischte sich mit der einen Hand den Schweiß vom Gesicht, dann ließ er diese wie auch die andere Hand wieder baumeln, als bereite es ihm ungeheure Schwierigkeiten, überhaupt nur die Arme anzuheben.

      „Das ist mir ja bekannt“, sagte er im Tonfall echter Verzweiflung. „Aber wenn ich schlafe, habe ich keinen Hunger.“

      „Aber die Hunde der Bauern, die hier in der Gegend ’rumlaufen, werden dich finden und beißen.“

      „Ich könnte doch auf einen der Bäume klettern.“

      „Dazu bist du viel zu dick.“

      „Jetzt fängst du schon wieder an, mich aufzuziehen“, sagte Baltasar weinerlich. „Das ist nicht nett von dir. Ich kann doch nichts dafür, daß ich ein paar Pfund mehr als du auf dem Leibe habe.“

      „Na schön, lassen wir das. Komm schon, Compadre, wir müssen weiter“, sagte der andere einlenkend. „Suchen wir uns einen Unterschlupf für die Nacht. Morgen früh sehen wir weiter, vielleicht entdecken wir dann wenigstens irgendwo einen kleinen Gemüsegarten, den wir plündern können.“

      Seufzend schleppte sich der Dicke weiter und trottete hinter Vidal her. Der Gedanke an streunende Hunde beunruhigte ihn denn doch.

      Sie gingen noch gut zweihundert Schritte weit und entdeckten dann von der Kuppe eines Hügels aus ein kleines, geducktes Gemäuer, das in einer Senke stand und ihrer Aufmerksamkeit sicherlich entgangen wäre, wenn nicht das Licht des Mondes die Umgebung in silberige Helligkeit getaucht hätte.

      Sie steuerten auf das Häuschen zu und erkannten, daß es sich um einen sogenannten Metato handelte, um einen Bau also, in dem die Hügelbauern Eßkastanien zu rösten pflegten. Tabaro glaubte den Duft der Kastanien bereits zu wittern, und so beschleunigte er jetzt seine Schritte, überholte Vidal und langte vor diesem an der grob zusammengezimmerten Tür an.

      Landstreicher waren sie, heruntergekommene, erbärmliche Vertreter der Spezies Mensch, die von Ort zu Ort vagabundierten, mal hier, mal dort etwas stahlen und einen ehrlichen Broterwerb mehr haßten als die Pest und die Cholera.

      Wäre dieser Abscheu vor der Arbeit nicht gewesen, hätten sie sich ihren Lebensunterhalt leicht durch Tätigkeiten wie Tomatenpflücken, das Ausmisten von Ställen oder das Beaufsichtigen weidender Schafe verdienen können. Oder aber sie hätten auf einem der Schiffe anheuern können, die wöchentlich Malaga verließen und in die Neue Welt hinübersegelten, zu den Gestaden jenes geheimnisumwitterten Landes Amerika, über das man sich so viel erzählte.

      Doch all das konnte sie nicht reizen, denn ihrer Ansicht nach schädigte die Arbeit Körper und Geist, und außerdem kam man auch so mehr oder weniger problemlos zum Essen, Trinken und Schlafen. Ihre derzeitige Notlage würde sich, so dachte Vidal, innerhalb kurzer Zeit sicherlich überwinden lassen.

      Baltasar Tabaro hatte die Tür des Metatos geöffnet und zwängte sich ins Innere. Alles auf der Welt schien nur für schlanke Menschen geschaffen zu sein, selbst die Türen waren dem Dicken manchmal zu eng. Baltasar schimpfte im stillen darüber. Gleich darauf begann er leise zu fluchen, denn er hatte wenigstens ein paar geröstete Kastanien zu finden gehofft, wurde aber enttäuscht. Das Häuschen war leer und schien seit Jahren nicht mehr benutzt worden zu sein.

      „Al diablo!“ stieß er hervor. „So ein verdammter Mist!“

      „Was ist denn jetzt schon wieder?“ wollte Juan Vidal von der Tür her wissen. Das dauernde Genörgel seines Kumpans ging ihm allmählich auf die Nerven.

      Dicht vor Baltasar regte sich plötzlich etwas. Er hielt im Umhertasten inne und setzte eine verblüffte Miene auf. Eine Maus konnte es nicht sein, nicht einmal eine Ratte, nein, es schien sich um ein sehr viel größeres Lebewesen zu handeln. Um einen Hund etwa? Unwillkürlich zuckte der dicke Mann heftig zusammen. Er begann mit den Armen zu rudern und schwankte wie ein Schiff im Sturm.

      In diesem Moment huschte etwas an ihm vorbei und wollte ins Freie flüchten. Aber Juan Vidal war auf der Hut. Er tat nur einen Schritt zur Seite, um nicht mit dem Etwas oder dem Jemand zusammenzuprallen, ließ den Schemen halb an sich vorbei und stürzte sich dann auf ihn.

      Er hatte mehr Kraft, als man ihm zutrauen mochte. Ein Satz nur, ein harter Griff,