Seewölfe - Piraten der Weltmeere 411. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954398195
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      Impressum

      © 1976/2018 Pabel-Moewig Verlag KG,

      Pabel ebook, Rastatt.

      eISBN: 978-3-95439-819-5

      Internet: www.vpm.de und E-Mail: [email protected]

       Roy Palmer

       Der Coup des Caligula

       Wie ein reißender Teufel fiel er über den Küstenfahrer her

       Seit zwei Wochen saßen sie auf dem Eiland der Cay-Sal-Bank fest – die Black Queen, Caligula und fünf Kerle, die den Untergang ihrer Zweimastschaluppe überlebt hatten. Zwar lag die kubanische Nordküste nur an die fünfzig Meilen südlich der Cay-Sal-Bank, aber wenn man kein Schiff, keine Jolle, kein Floß hatte, dann war die rettende Küste noch weiter entfernt ab der Mond. Wer versucht hätte, sie schwimmend zu erreichen, wäre ein Selbstmörder gewesen – wegen der Haie, der Strömungen, des Seegangs oder was auch immer einem Schwimmer gefährlich werden konnte, ganz abgesehen von seinem Durchhaltevermögen. Die Lage der sechs Schnapphähne und ihrer Anführerin war trostlos …

      Inhalt

       Kapitel 1

       Kapitel 2

       Kapitel 3

       Kapitel 4

       Kapitel 5

       Kapitel 6

       Kapitel 7

       Kapitel 8

       Kapitel 9

       Kapitel 10

       1.

      Dunkle Gestalten glitten mit fließenden Bewegungen durch die stumme, glitzernde Welt, in der nichts der Zeit und der Veränderlichkeit ausgesetzt zu sein schien. Hier, im blaugrünen Licht der Freundlichkeit und Ruhe, schien ewiger Frieden zu herrschen, und nichts konnte den geordneten Ablauf des Lebens stören. Es gab keinen Streit und keinen Kampf, keine Rivalitäten, keinen Haß, keinen Neid, keine Habsucht und keine Raffgier.

      Und doch war alles nur eine Illusion und Täuschung. Urplötzlich konnten graue Mörder in das Reich des Schweigens eindringen und blutige Mahlzeit halten – oder drohende Dunkelheit löste das Sonnenlicht ab, und furiose Stürme peitschten die Fluten. Auch die glatten, geschmeidig wirkenden Gestalten, die das Wasser mit ihren Armen und Beinen teilten, waren Störenfriede. Die bunten Fischschwärme ergriffen eilends die Flucht vor ihnen. Das Wrack schließlich, das auf dem sandigen Grund ruhte, war ein Fremdkörper in der sonst harmonischen Umgebung.

      Sechs Männer – ohne Ausnahme Farbige – schwammen auf das Wrack zu. Einer von ihnen hatte die Aufgabe, nach Haien Ausschau zu halten und seine Kumpane sofort durch Zeichen zu verständigen, wenn sich Gefahr ankündigte. Die fünf anderen tauchten bis zu dem Wrack hinunter und holten, was es zu holen gab. Immer wieder schossen sie hoch, um an der Oberfläche frische Atemluft zu schöpfen, dann wieder stießen sie in die Tiefe und schienen auf den Zweimaster zuzuschweben.

      Sie waren rohe, brutale Kerle, bei denen der Zauber der Welt unter Wasser keinerlei Empfindungen auslöste. Sie dachten in primitiven Kategorien, und Feinfühligkeit war ihnen etwas Fremdes, Unbekanntes. Nur wer sich durchzuschlagen verstand, blieb am Leben.

      Die fremde Schebecke hatte ihren Zweimaster versenkt, aber sie hatten doch Glück gehabt und waren nicht ertrunken, von Kugeln zerfetzt oder von Haien zerrissen worden. Sie hatten sich auf das Eiland der Cay-Sal-Bank retten können und ernährten sich von Kokosnüssen und Fischen. Sie waren sechs Männer und eine Frau.

      Sie wollten wieder weg von der Insel, doch sie verfügten nicht über die primitivste Art eines Wasserfahrzeuges, nicht einmal über ein Floß. Da hieß es, die Zähne zusammenzubeißen und das Beste aus der Lage zu machen. Die Zeit des Ausharrens und Wartens schien sich unendlich in die Länge zu dehnen. Das langsame Verstreichen der Stunden, die man tatenlos zubringen mußte, zehrte an den Nerven.

      Nicht verzagen und zupacken – das war das einzige Mittel, das es gegen den Unmut gab. Die See war tückisch und gnadenlos und forderte ihre Opfer, aber zuweilen gab sie auch wieder etwas her von dem, was sie verschlungen hatte.

      Für Caligula, den Riesen, war sie einfach nur die Wasserwelt, deren Launen man hinnehmen mußte. Für Pablo, den stämmigen, stiernackigen Kreolen, war sie die Welt der Wasserhexen und Dämonen, die im Dunkeln ihre Zähne und Krallen zeigten. So dachten mehr oder weniger auch die vier anderen, deren dumpfe Gefühle zwischen dem reinen Selbsterhaltungstrieb und einer naiven Form von Aberglauben schwankten.

      Man mußte dem Schicksal ein Schnippchen schlagen. Schön, sie saßen auf dem Eiland fest, aber sie hatten es besser getroffen als die Toten, die von den Unterströmungen entführt worden waren. Einer hatte sich unter Deck der Zweimastschaluppe verklemmt, und sie hatten ihn befreit. Dann war er davongetrieben wie ein großer, hohläugiger Geist. Pablo war sicher, daß ihn der Teufel persönlich geholt hatte. Jeder war irgendwann mal dran, aber jeder hoffte, daß nicht ausgerechnet er der nächste sein würde.

      Caligula trieb die Bergungsarbeiten voran. Er versuchte ständig, die Kerle irgendwie zu beschäftigen, damit sie nicht auf dumme Gedanken verfielen. Müßiggang führte zu Verdrossenheit, Streit und Meuterei. Ansätze hatte es bereits gegeben, aber er hatte die kleine Meute wieder fest im Griff. Er hatte jetzt das Regiment – nicht die Black Queen.

      Die Queen war verbittert und verzweifelt. Ihr Haß hatte sie in die Enge getrieben. Sie hatte alles auf eine Karte gesetzt und verloren. Dabei hatte sie zu Anfang alles so geschickt eingefädelt, als sie Don Antonio de Quintanilla, dem Gouverneur von Kuba, in Havanna die Botschaft zugespielt hatte: Endlich wußten die Spanier, wo sich das geheime Versteck des Seewolfes und des Bundes der Korsaren befand.

      Don Antonio hatte nicht gezögert, einen Verband von sechs Kriegsgaleonen und vier Kriegskaravellen zusammenzustellen, der ausgelaufen war, um die Engländer zu vernichten. Alles hatte vielversprechend begonnen, und die Queen hatte als Fühlungshalterin die heimliche Beobachterin und lachende Dritte sein wollen. Aber wieder einmal war alles so ganz anders gekommen, als sie sich das ausgemalt und zurechtgelegt hatte.

      Sie wußte nicht, wer der Kapitän der dreimastigen Schebecke war, die völlig unversehens aufgetaucht und über sie hergefallen war. Sie ahnte nicht, daß es Don Juan de Alcazar gewesen war, und sie wußte auch nicht, was in der Zwischenzeit geschehen war: daß nämlich der Kriegsschiffsverband vollständig aufgerieben worden war und die erwartete Verstärkung von sechs Kriegsgaleonen aus Cádiz unter der Führung von Don Gonzalo de Vallejo ebenfalls auf dem Grund der Karibik lag.

      Der Erzfeind der Queen, Philip Hasard Killigrew, war als glänzender Sieger aus der Schlacht hervorgegangen, obwohl es zwischendurch den Anschein gehabt hatte, als sei er selbst dem Angriff auf seine „Isabella IX.“ zum Opfer gefallen. Er war verschwunden und wieder aufgetaucht. Die Queen wäre vor Haß und Wut vergangen, wenn sie es in diesem Moment erfahren hätte.

      Seit dem Abend des 20. Juli 1594 hockte sie nun mit ihren sechs letzten Kerlen auf der kleinen Insel der Cay-Sal-Bank und wußte nicht, was sie unternehmen