Seewölfe - Piraten der Weltmeere 124. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954394487
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      Impressum

      © 1976/2015 Pabel-Moewig Verlag KG,

      Pabel ebook, Rastatt.

      ISBN: 978-3-95439-448-7

      Internet: www.vpm.de und E-Mail: [email protected]

      Inhalt

       Kapitel 1

       Kapitel 2

       Kapitel 3

       Kapitel 4

       Kapitel 5

       Kapitel 6

       Kapitel 7

       Kapitel 8

       Kapitel 9

      1.

      Rasch und unregelmäßig, fast fliegend ging der Atem des jungen Kriegers. Immer wieder verhielt er und lauschte in den nächtlichen Dschungel. Mangrovenblätter umschlossen schwer und ledrig seine Gestalt, als wollten sie ihn niederringen und erwürgen.

      Geräuschvolle Aktivitäten belebten den Regenwald von Rempang, aber es war nicht das Zirpen und Quaken, das Schlagen der Nachtvögel, das Rascheln und Knacken, das den Inselmalaien beunruhigte.

      Der Tod nahte schleichend, lautlos.

      Mannigfache Gefahren lauerten in dem erstickenden Wildwuchs der feuchten, schwartigen Pflanzen, aber nur die eine fürchteten die Orang Laut, die Seemenschen, wirklich. Sie ließ jegliche andere Bedrohung neben sich verblassen, jede Giftschlange, jeden angriffslustigen Affen, jeden Stich, jede Krankheit, von Insekten oder von bösen Geistern übertragen.

      Bulbas, der Einzelgänger. Bulbas, der größte und am schönsten gezeichnete Tiger, den es auf Inselindien je gegeben hatte, war der unumschränkte Herrscher des Urwalds.

      Legenden wurden über ihn erzählt, schaurige Geschichten, doch die Orang Laut hatten, als sie vor den Spaniern geflüchtet waren, nicht geahnt, daß der Amokläufer ausgerechnet auf dieser Insel anzutreffen war. Als sie ihm dann begegnet waren, tief im Dschungel, hatte der Tiger vier von ihnen gerissen. Einem fünften Mann war trotz seiner Verletzungen die Flucht zum Wasser gelungen, den anderen jedoch hatte Bulbas den Weg zurück zu den Prahos abgeschnitten – Männer, Frauen, Kindern.

      Halb wahnsinnig vor Angst hatten sie Zuflucht in Höhlen und Erdlöchern der höhergelegenen Inselregion gesucht.

      Der junge Krieger packte seine Waffen fester. In der linken Hand hielt er den Kris, den schlangenförmig gewundenen Krummdolch der Malaien. Die Finger der Rechten umspannten das Heft eines mit Akribie scharfgeschliffenen Parangs, eines Kurzschwerts, dessen Klinge sich nach vorn leicht verbreiterte.

      Mit beiden Waffen konnte der Eingeborene ausgezeichnet umgehen, aber er wußte wie seine Stammesbrüder, daß Kris und Parang im Kampf gegen den Tiger ebenso lächerlicheVerteidigungsmittel waren wie Speer, Pfeil und Bogen oder Blasrohr. Bulbas war so schnell, so gewandt, daß es bisher niemandem gelungen war, ihm etwa einen giftigen Pfeil unter das Fell zu jagen.

      Der junge Mann pirschte weiter.

      Überall konnte Bulbas lauern. Vielleicht befand er sich bereits ganz dicht hinter seinem Widersacher. Oder duckte er sich hier, linker Hand, sprungbereit im Gebüsch? Und rechts? Konnte er nicht auch rechts sein und das dolchscharfe, nadelspitze Gebiß mordgierig entblößen, die krallenbewehrten Pranken heben?

      Kurz zuvor glaubte der Krieger jenes unheimliche Grollen vernommen zu haben, das Bulbas’ Kommen ankündigte.

      Schweiß bedeckte das Gesicht und den Körper des jungen Orang Laut, und er ertappte sich dabei, wie er zitterte.

      Ja, er hatte Angst.

      Sie wurde von der Gewißheit genährt, diesem mächtigen Gegner von vornherein unterlegen zu sein. Freiwillig hatte der Krieger sich gemeldet, aber in diesem Augenblick erschrak er vor dem eigenen Mut. Doch er bezwang seine aufsteigende Panik. Die Wassernomaden, sein Stamm, hatten ihn als Retter in der Not vorgeschickt, sie warteten darauf, daß er sich auf ein mörderisches Duell mit Bulbas einließ.

      Als menschlicher Köder sollte der junge Mann die Aufmerksamkeit des Tigers auf sich lenken, während die Brüder und Schwestern des Stammes den Durchbruch zur See wagten. Dort unten, im Süden von Rempang, hatten sie am späten Nachmittag Schiffe gesichtet, große und kleine Prahos sowie einen stolzen Dreimaster in der Konstruktionsart der weißen Männer, die die Malaien wie den Tod haßten. Die Prahos schienen jedoch das Geschehen zu bestimmen, und so hatte der Häuptling der Orang Laut befunden, daß man von diesen Ankömmlingen Hilfe erhoffen könne.

      So schnell wie möglich wollten sie ans Ufer stürzen und zu den Schiffen schwimmen.

      Im Interesse der Gemeinschaft konnten sie sich dabei um den jungen Krieger nicht mehr kümmern. Er mußte fallen, wenn die anderen leben sollten.

      Ein Opfer war nötig.

      Der junge Mann hatte die Niederungen der Insel erreicht und strebte durch Sumpfgesträuch voran, als ihn ein Laut zusammenfahren und erneut verharren ließ. Dieser Ton gehörte nicht zu den Geräuschen der Fauna des Regenwaldes, er schälte sich kraß aus dem nächtlichen Konzert und schwebte durchdringend und beherrschend über der Szene. Nein, das war kein Orang-Utan, kein behaarter Waldmensch, der dort rief – das konnte nur ein richtiger Mensch sein.

      Sein Ruf erklang in einer Sprache, die der junge Krieger niemals zuvor vernommen hatte, auch aus dem Mund der Spanier nicht.

      „Arwenack!“

      Dennoch glaubte der Eingeborene etwas zu begreifen, denn keine Verzweiflung, sondern eindeutiger Triumph schwang in dieser fremden Stimme.

      Der Krieger besiegte sein Mißtrauen, die Zuversicht, in der feindlichen Umgebung einen Bundesgenossen und Mitstreiter zu finden, war größer als jeder Argwohn. Selbst wenn dieser Mann dort ein verhaßter Weißer war, würde die allgegenwärtige Gefahr des Tigers sie eine Art Burgfrieden schließen lassen.

      „Ar-we-nack!“

      Wieder gellte der Schrei, und der Malaie beschleunigte seinen Schritt. Mit der scharfen Schneide des Parangs drosch er widerspenstiges Blatt- und Zweigwerk nieder und schuf sich immer wieder einen Durchlaß, eine Bresche, die ihn näher an den nächtlichen Rufer heranführte. Dann endlich teilte er den letzten Vorhang, der sie beide trennte, und blickte auf einen schmalen Wasserlauf.

      Mit verhaltenem Gurgeln bewegte sich das Wasser des Flüßchens dahin. Ein bleicher Mond schickte sein Licht in Streifen in die Selvas, gerade so viel, daß der Malaie Einzelheiten erkennen konnte.

      Ein großer Mann stand hochaufgerichtet am diesseitigen Ufer des Flüßchens. Sein schwarzer Haarschopf war wild zerzaust, seine Kleidung zerrissen und blutig, sein Körper schmutzig und von einer erschreckenden Wunde an der rechten Schulter gezeichnet. Sein Zustand hinderte ihn aber nicht daran, immer wieder zu lachen und dieses Wort auszustoßen, das ein Schlacht- und Siegesruf zu sein schien:

      „Arwenack, ho, Arwenack! Kommt, Freunde, auf was wartet ihr noch? Ich habe den Bruder in der Falle, er kann uns nicht mehr gefährlich werden!“

      Der Malaie gewahrte, was zu den Füßen dieses schwarzhaarigen Teufels in Menschengestalt lag – und erstarrte.

      Er