Impressum
© 1976/2019 Pabel-Moewig Verlag KG,
Pabel ebook, Rastatt.
eISBN: 978-3-95439-983-3
Internet: www.vpm.de und E-Mail: [email protected]
Sean Beaufort
Das Testament
Sie haben keine Skrupel – und erfüllen den Letzten Willen des Kondottiere auf ihre Art …
Geformt wie ein Amboß und ebenso schwarz, von schwefligem Licht umgeben, erhob sich die Gewitterwolke in den Himmel. Noch hörte man an Bord der Schebecke keinen Donner. Aber an den Rändern und im Inneren der Wolke zuckten Blitze.
Eine erste, kalte Bö kräuselte das Wasser, eine zweite folgte, und die dreieckigen Segel füllten sich knallend. Kurz nach Mittag verwöhnte das Mare adriatico die Arwenacks mit einem Wind ans dem nordöstlichen Quadranten.
Philip Hasard Killigrew stand achtern neben dem Rudergänger Pete Ballie. „Ausgezeichnet!“ sagte er. „Wir laufen vor dem Gewitterwind, der aus Trieste bläst.“
„Bis Venezia hätten wir es notfalls auch mit den Riemen geschafft“, erklärte Pete Ballie.
Zugleich mit einem leisen, fernen Donnergrollen frischten die Böen auf und sprangen zu einem gleichmäßigen Wind auf. Die Schebecke legte sich weit nach Backbord, richtete sich wieder auf und lief schnelle Fahrt.
Unter dem Bugspriet rauschten und gurgelten die ersten harten Wellen.
„Die kriegen’s gründlich, dort an Land“, sagte Carberry brummig.
„Abwarten. Von diesem Segen erreicht uns auch noch das eine oder andere“, gab der Seewolf zurück.
Die Hauptpersonen des Romans:
Edwin Carberry – der Profos erklettert reichlich angeduselt ein Reiterstandbild. Zwar fällt er nicht runter, landet aber im Kerker von Venedig – wegen Mordverdachtes.
Miorelli – der Kapitän der Stadtgarde findet, daß es viel Ärger gibt, seit die Engländer mit ihrer Schebecke in Venedig vertäut haben.
Dan O’Flynn – er entdeckt etwas, das eine Kette unerwünschter Folgen auslöst.
Ben Brighton – der Erste der Arwenacks hat Glück, weil ein Heckenschütze, der ihn aufs Korn genommen hat vorbeischießt.
Philip Hasard Killigrew – bei diesem Abenteuer braucht der Seewolf viel Geduld, bis er endlich zuschlagen kann.
Inhalt
1.
Im ersten Monat des neuen Jahres war ein Gewitter in diesem Teil des Mittelmeeres, ob über Wasser oder über Land, eine Seltenheit. Bisher war der Tag windlos gewesen, die Sonne stach viel zu heiß herunter. Ab und zu stellte sich eine ablandige Brise ein und schleppte Kälte und den Geruch nach Schnee und Frost mit sich. Die Crew war warm angezogen, die meisten Männer hielten sich unter Deck auf.
„In reichlich eineinhalb Stunden liegen wir irgendwo mitten in der Stadt“, sagte Hasard.
„Dort hocken die Fischer jetzt bei Nudeln und Wein. Oder siehst du ein einziges Fischerboot?“ fragte Ferris Tucker und zerrte mit der Linken die Mütze über seine Ohren.
Aus dem Wind, der die Lateinersegel füllte, war fast ein Sturm geworden. Er pfiff, winselte und heulte schneidend kalt in den Wanten. Das Schiff setzte hart in die Wellen ein, von deren Kämmen die ersten Schaumkronen weggerissen und davongewirbelt wurden. Bis auf die Wolken, die sich achterlich ausbreiteten und ein Drittel des Horizonts ausfüllten, war der Himmel völlig klar und fahlblau.
Der Seewolf beobachtete sorgfältig seine Umgebung. Einzelne Inselchen tauchten auf, hinter deren Bäumen sich gelbe Hausfronten zu verstecken versuchten. Die Wellenhöhe änderte sich auch im flachen Wasser nicht. Voraus zeichneten sich gegen den Horizont die ersten Türme und Fassaden ab.
„Was sagen wir den Venezianern?“ wollte Pete Ballie wissen. Er ließ den Blick nicht von den Segeln. Sie brauchten nicht zu kreuzen. Mit dem achterlichen Wind und weit ausgestellten Gaffelruten konnten sie die Lagunenstadt bestens anliegen.
„Die Wahrheit, denke ich. Wir sind auf dem Weg nach England.“
„Ist das ein Grund, bei ihnen anzuklopfen?“
„Das nicht. Aber wenn wir mit den Kaufleuten über mögliche Handelsverbindungen sprechen, sind wir Gäste, die sie gern sehen.“
Ferris Tucker spuckte nach Lee und grinste breit.
„Nach sieben Tagen sehen sie uns noch viel lieber – von achtern“, prophezeite er.
„Das liegt an euch, mein Freund.“
„Und an dem guten Wein.“
Mittlerweile war der halbe Himmel hinter ihnen verdunkelt. Unaufhörlich zuckten die Blitze. Der Donner war schärfer zu hören. An seiner Lautstärke konnten sie erkennen, daß sich der Gewittersturm näherte. Breite Bänder aus grauem Regen rauschten dort hinten herunter. Das Sonnenlicht hatte an Kraft und Grelle zugenommen und funkelte auf den unzähligen Fenstern, die wie Augen das heraussegelnde Schiff anstarrten.
An den Ufern lagen leere und zerfallen aussehende Magazine. Boote waren an Land gezogen worden und ruhten kieloben auf Böcken. Netze waren gespannt. Die Lagune verengte sich und teilte sich in eine Reihe Kanäle auf, die von kleineren Häusern gesäumt waren.
„Klar zum Backbrassen!“ schrie der Seewolf.
Ein Teil der Crew polterte über die Niedergänge an Deck. Kommandos ertönten. Das laufende Gut kreischte in den Blöcken. Die schnelle Fahrt des Schiffes nahm ab. Von Steuerbord ertönte, als sich die trichterförmige Mündung eines Kanals verjüngte, ein lauter Ruf.
„Geh in den Wind!“ ordnete der Seewolf an.
„Aye, aye, Sir!“ Pete Ballie grinste breit und bewegte die geschwungene Pinne.
Die Leinen knatterten und schlugen wild. Mindestens die Hälfte der Mannschaft war an Deck.
„Ruderboot an Steuerbord!“ rief Pete Ballie laut.
Zwischen zwei Gebäudefronten aus Sandsteinquadern und Ziegeln, über denen Flagge und Wappen der Republik Venedig zu sehen waren, schoß ein schlankes Boot hervor. Fünf Riemen an beiden Seiten peitschten das Wasser. Im Heck stand ein Uniformierter in schwerer Bewaffnung.
Der Seewolf blickte dem Boot gelassen entgegen. Er stemmte die Fäuste in die Seiten und ging einige Schritte bis zum Steuerbordschanzkleid.
„Il nome della nave?“ schrie der Mann im Boot. „Wie heißt das Schiff? Woher