Sie seufzte. „Da war ein Typ, der sich nach den Beiden erkundigt hat.“
„Wirklich nach beiden?“, vergewisserte ich mich, denn das war ein Punkt, der entscheidend sein konnte.
„Nein, genau genommen nur nach dem Älteren!“
„Also Fabiano“, schloss Milo.
„Was hat er genau gefragt?“
„Er kam ein paar Minuten, nachdem die Beiden schon aus dem Lokal waren und schien hier jemanden zu suchen. Ich habe ihn gefragt, ob ich ihm helfen könnte und da hat er mir gesagt, dass er mit einem Kerl sprechen wolle, auf den genau die Beschreibung dieses Mannes passte, der trotz der vorgerückten Stunde noch einen Cappuccino bestellt hatte.“
„Was haben Sie dem Kerl gesagt?“
„Dass der Typ, den er sucht, gerade zur Tür hinaus gegangen ist. Er ist dann einfach gegangen und hat zugesehen, dass er die Gesuchten einholte.“ Sie stockte. „Wenn ich gewusst hätte, was für eine Tragödie sich da abgespielt hat!“ Stumm und tief betroffen schüttelte sie den Kopf.
Ich hakte nach. „Können Sie den Mann beschreiben?“
„Groß, gelocktes dunkles Haar, schätzungsweise Anfang dreißig.“
„Das ist doch schon mal was.“
„Außerdem trug er eine Jacke mit der Aufschrift MAUI SPORTS – in großen Buchstaben.“
„Ich schicke Ihnen so schnell wie möglich einen Zeichner vorbei!“, versprach ich. Vielleicht hatten wir zumindest einen der Täter schon gefunden.
10
Am nächsten Morgen saßen wir zusammen mit einigen Kollegen im Büro unseres Chefs. Mister Jonathan D. McKee leitete das FBI Field Officer New York im Rang eines Assistant Director in Charge.
Seine Sekretärin Mandy hatte ihren berühmten Kaffee serviert und ein angenehmes Aroma verbreitete sich im Büro unseres Chefs.
Ich nippte an meinem dampfenden Becher.
Mister McKee machte ein sehr ernstes Gesicht.
„Wir tappen bis jetzt ziemlich im Dunkeln, was diesen Fabiano/Carter-Fall angeht“, stellte er fest. „Wir wissen noch nicht einmal, unter welchem Namen Jack Fabiano in den letzten Jahren gelebt hat. Oder hat sich das inzwischen etwas Neues ergeben?“ Mister McKee ließ den Blick in der Runde schweifen, zu der außer Milo und mir auch die Agenten Clive Caravaggio und Orry Medina sowie unsere Kollegen Jay Kronburg und Leslie Morell gehörten. Darüber hinaus war auch Nat Norton, unser Experte für Betriebswirtschaft anwesend. Er hatte zwischen Agent Max Carter, einem Innendienstler aus der Fahndungsabteilung und Sam Folder Platz genommen. Dave Ontario von der Scientific Research Division, auf dessen Erkenntnisse über Brandons Computer wir sehnsüchtig warteten, hatte sich bereits telefonisch bei Mister McKee gemeldet und erklärt, dass es im Moment noch nichts Neues gäbe.
„Unter dem Namen J. Edgar Fabian gibt es ein Konto bei der Grand National Bank“, erklärte uns Nat Norton. „Es wurde kurz bevor Fabiano unter diesem Namen die Wohnung erwarb, eingerichtet und seitdem gehen von dort aus sämtliche laufenden Zahlungen ab, die damit in Zusammenhang stehen. Unter anderem die Heizkosten. Es gibt keinen Telefonanschluss, was nicht verwundert, denn nach Auskunft der Agenten, die dort waren, machte die Wohnung ja auch nicht den Eindruck, als hätte Fabiano jemals für längere Zeit gelebt.“
„Konnten Sie herausfinden, woher die Einzahlungen auf dieses Konto stammten?“, hakte Mister McKee nach. „Schließlich ist er ja die ganzen Jahre über wohl zumindest soweit gedeckt gewesen, dass die Kosten für die Wohnung bezahlt werden konnten.“
Nat nickte. „Richtig. Es gingen ziemlich unregelmäßig Beträge ein, die in etwa den Ausgaben entsprachen und im Laufe der Zeit einen leichten Überschuss ergaben. Das gegenwärtige Guthaben beträgt 1256 Doller und 43 Cent. Die Einzahlungen kamen bis vor zwei Jahren von einem Konto in Zürich, danach von einer Firma auf den Cayman Islands.“
„Das bedeutet: Da verliert sich die Spur erst einmal“, stellte Mister McKee fest.
„Leider ja. Aber ich versuche natürlich diesen spärlichen Geldstrom weiter zurückzuverfolgen, was nicht so ganz einfach ist. Je kleiner die Summe, desto schwieriger ist das, wie Sie sich denken können.“ Nat zuckte die Achseln. „Im Moment sehe ich ehrlich gesagt die Chancen nicht so rosig. Übrigens gibt es da noch interessantes Details am Rande...“
„Ich höre“, sagte Mister McKee.
Nat blickte auf seine Unterlagen, die aus einem Wust von Computerausdrucken bestanden.
„Bei der gleichen Bank, bei der das Konto eingerichtet war, hat Fabiano auch Aktiendepot eingerichtet. Mit 20 000 Dollar hat er sich an einem Aktienfond namens TronicFond beteiligt, der wohl speziell auf Werte in der Elektronik-Branche ausgerichtet ist. Das stand des Fondkontos schwankte stark. Zuletzt betrug die Einlage 20 000 Dollar, die vor drei Monaten ausgezahlt wurden. In bar.“
„Dann brauchte er dringend Geld!“, schloss Clive Caravaggio. Der flachsblonde Italoamerikaner war Mister McKee Stellvertreter und damit der zweite Mann im Field Office New York.
Nat wandte den Kopf in Clives Richtung. „Er brauchte Bargeld“, korrigierte er. „Und dafür muss es tatsächlich einen Grund geben.“
Anschließend fasste Sam Folder die Erkenntnisse zusammen, den vorläufigen Bericht der SRD sowie die bisher vorliegenden ballistischen Erkenntnisse vor. Danach war tatsächlich aus zwei Waffen des gleichen Kalibers geschossen worden. „Beide Waffen müssen nagelneu sein, jedenfalls wurden sie zuvor nicht bei einem Verbrechen benutzt. Dass die Täter Schalldämpfer verwendeten war von Anfang an nahe liegend. Aber die Tatsache, dass sie auch die Patronenhülsen aufgesammelt haben, spricht dafür, dass es sich um Profis handelte.“
„Wir müssen also jemanden finden, dem Fabiano und Carter gleichermaßen im Weg waren“, meinte Mister McKee. „Die Variante, dass einer der beiden nur ein Zufallsopfer war, halte ich zwar nicht für ausgeschlossen, aber doch für wesentlich unwahrscheinlicher. Schon deshalb, weil sich beide unter sehr konspirativen Bedingungen getroffen haben.“ Mister McKee wandte sich an Milo und mich. „Was haben die Befragungen rund um den Tatort ergeben?“
„Fabiano hat sich mit Carter in der Bar DOLCE VITA getroffen. Kurze Zeit später hat sich jemand nach einem Mann erkundigt, auf den Fabianos Beschreibung passt. Prewitt hat ein Phantombild angefertigt.“
„Das liegt vor“, meldete unser Innendienstler Max Carter. „Einen Augenblick...“ Max betätigte den Beamer, den er an seinem Laptop angeschlossen hatte. Im nächsten Moment erschien das Phantombild an der Wand. „So sieht der Mann aus!“, erklärte er. „Wir haben das Bild durch den Computer gejagt. In den über NYSIS zugänglichen Datenbanken konnten wir niemanden mit wirklich zwingender Übereinstimmung finden. Vor allem niemand, der gleichzeitig Verbindungen zu Fabiano, zur Mafia oder zum organisierten Verbrechen im Allgemeinen gehabt hätte.“
„Also ein unbeschriebenes Blatt“, schloss Mister McKee. „Wir geben den Mann in die Fahndung, aber das Bild wird nicht über die Medien verbreitet, sonst verschrecken wir den Kerl nur und er taucht unter.“ Mister McKee wandte