Impressum
ISBN 978-3-86408-083-8 (epub) // 978-3-86408-084-5 (pdf)
Digitalisat basiert auf der Ausgabe von 1938 aus der Bibliothek des Vergangenheitsverlags; bibliografische Angaben:
Raabe, Wilhelm, Die Chronik der Sperlingsgasse, Berlin 1938.
Digitalisierung: Vergangenheitsverlag. Herausgeberinnen und Bearbeitung: Imke Högden, Ann-Katrin Leefers, Marie Schubert, Finia Maria Schultz
Die Marke „100% - vollständig, kommentiert, relevant” steht für den hohen Anspruch, mehrfach kontrollierte Digitalisate klassischer Literatur anzubieten, die – anders als auf den Gegenleseportalen unterschiedlicher Digitalisierungsprojekte – exakt der Vorlage entsprechen. Antrieb für unser Digitalisierungsprojekt war die Erfahrung, dass die im Internet verfügbaren Klassiker meist unvollständig und sehr fehlerhaft sind.
Coverabbildung: zweifarbiger Lichtdruck des Bildhauers Prof. Ernst Müller aus dem Jahr 1909; Stadtarchiv Braunschweig, Signatur H XVI: G II 2 Raabe F.2
© Vergangenheitsverlag, 2012 – www.vergangenheitsverlag.de
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Inhaltsverzeichnis
Wilhelm Raabe, Die Chronik der Sperlingsgasse
Wer ist Wilhelm Raabe?1
Am 15. November 1854 nimmt das Leben des gerade einmal dreiundzwanzigjährigen Wilhelm Raabe eine bedeutungsvolle Wendung: Er beginnt in Berlin die Arbeit an seinem Erstlingswerk, der „Chronik der Sperlingsgasse”, das noch unter dem Pseudonym Jakob Corvinus veröffentlicht wird und ist von nun an freier Schriftsteller. Später wird er diesen Tag jedes Jahr als den „Federansetzungstag” zelebrieren. Wie es die Ironie des Schicksals will, stirbt Raabe genau am 56. Jahrestag dieses Ereignisses, nämlich am 15.11.1910, nach längerer Krankheit in Braunschweig. Vor allem die letzten Jahre seines Lebens sind geprägt von zahlreichen Ehrungen und Auszeichnungen um seine Verdienste als Schriftsteller, kurz vor seinem Tode verleiht man ihm sogar die Ehrendoktorwürde der Universität Berlin. Dabei hat Raabe selbst nie studiert: An der Berliner Universität ist er nur als Gasthörer zugelassen, als er im Jahre 1854 von Wolfenbüttel nach Berlin zieht. Er kommt in die Stadt als ein Gescheiterter, der weder die Schule in Wolfenbüttel, noch die Buchhändlerlehre in Magdeburg abgeschlossen hat. Geboren wird er am 8. September 1831 in Eschershausen, seine Kindheit verbringt er in den umliegenden Orten Holzminden und Stadtoldendorf, bevor die Familie nach dem Tod des Vaters nach Wolfenbüttel zieht. Später wird er mit seiner Frau und seinen vier Töchtern unter anderem in Stuttgart und Braunschweig leben – in Berlin aber hält er sich nur für jene zwei Jahre auf, in denen „Die Chronik der Sperlingsgasse” entsteht, das Werk, das ihn von einem Gescheiterten zu einem Gefeierten macht. Jedoch ist Raabes Leben als Schriftsteller nicht immer leicht: Oft ist es von Existenzängsten und finanziellen Nöten geprägt, denn schließlich muss er vom Schreiben seine sechsköpfige Familie ernähren. Hinzu kommen depressive Phasen und später der zunehmende Verlust schriftstellerischer Kreativität. Ab 1902 bricht er das Schreiben endgültig ab und bezeichnet sich als „Schriftsteller a.D.”, doch gleichzeitig steigt der Absatz vor allem seiner frühen Werke und er wird in zahlreichen Zeitungsartikeln gewürdigt; 1907 findet gar die erste akademische Lehrveranstaltung über Wilhelm Raabe statt. Die Wirkung seiner rund 70 Romane und Erzählungen hält bis heute an und besonders „Die Chronik der Sperlingsgasse” findet immer noch große Beachtung. Wilhelm Raabe wird neben Theodor Storm und Theodor Fontane zu den bedeutendsten Schriftstellern des Realismus in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gezählt.
Raabe und seine Zeit
Mitte des 19. Jahrhunderts, ausgelöst durch den Aufstand der schlesischen Weber, der Hungerkrise und der wirtschaftlichen Krise2, kommt es in Deutschland zu einer Revolution. Zu dieser Zeit ist das Land geprägt durch eine Vielzahl von Einzelstaaten und Fürstentümer, in denen am Beispiel Frankreichs liberale Forderungen erhoben werden, wie der Anspruch auf gleiche Rechte, individuelle