Andere Menschen sind angesichts großer Ziele jedoch komplett blockiert. Eine Ausbildung zur Heilpraktikerin zu machen, die in Summe 17.000 Euro kostet? Unschaffbar! Auswandern? Puh – wie denn? Einen Bestseller-Roman schreiben? Ach – das schaffe ich doch eh nicht!
Was bewirken große Ziele, großartige Visionen bei Dir? Beflügeln sie Dich und bringen sie Dich ins Tun? Wunderbar. Dann erhöh die sportliche Challenge und mach Deine Ideen noch größer. Bring Dich an den Rand Deiner Komfortzone und leg los!
Bei Dir ist das anders? Große Ziele blockieren Dich? Jagen Dir Angst ein? Rauben Dir die komplette Euphorie? Dann mach Deine Ziele, Visionen, Ideen kleiner. »Wie bitte«, höre ich Dich jetzt empört aufschreien. »Ich soll meine großartigen Träume begraben und mich mit dem Mittelmaß zufriedengeben?« Ja, das könntest Du. Aber das meine ich nicht. Ich möchte Dich unterstützen, heute ins Tun zu kommen, damit Du morgen Deine großartigen Wünsche leben kannst. Es bringt nämlich nichts, ängstlich zu verharren und frustriert auf den großen Berg zu blicken. Davon wird er auch nicht schaffbarer. Manche Menschen tun dies. Jahrelang. Erfolgreich. Sie sitzen Tag ein, Tag aus am Fenster des Lebens, blicken auf den hohen Berg und wenden sich traurig wieder ab. Sie bleiben im Wartesaal des Lebens, anstatt in den nächsten Zug zu springen.
Ein Mann saß im Bahnhofswartesaal seines Dorfes. Tag für Tag kam er gegen 9 Uhr, blickte auf die Abfahrtstafel und setzte sich so hin, dass er die einfahrenden Züge im Blick hatte. Um 17.03 Uhr, als der letzte Zug des Tages das kleine Dorf verlassen hatte, richtete er sich mühsam auf, blickte mit erloschenem Blick den Waggons hinterher und ging still und traurig nach Hause.
Eines Tages trat ein neuer Stationsvorsteher seinen Dienst an. Ein paar Tage lang beobachtete er den alten Mann und sprach ihn schließlich an. »Hey, guter Mann, Tag für Tag sehe ich Sie hier sitzen und unglücklich nach Hause gehen. Wollen Sie nicht mal in einen Zug steigen und mitfahren?« »Ach«, sagte der alte Mann. »Ich wollte schon mein ganzes Leben lang nach Paris. Aber keiner der Züge, die hier halten, fährt dorthin. Paris ist unerreichbar!« 10
Was ist Dein »unerreichbares Paris«? Was schaust Du immer wieder an – und läufst nicht los? Weil es zu groß ist? Zu weit weg? Zu unschaffbar? Stress Dich nicht mit »großen Zielen«. Mach Deine Projekte so groß, wie es für Dich perfekt ist. Und dann lauf los.
6. Such nicht den roten Faden
»Erfolgreiche Menschen haben ein Ziel! Planen ist der Weg zum Erfolg. Ordnung ist das halbe Leben!« Jahrelang haben uns Erfolgs-Gurus eingeredet, wir sollten einem roten Faden im Leben folgen – alles andere galt als »nicht erfolgreich«.
Und so war der Weg zum Erfolg ganz klar vorgezeichnet:
Und? Hat das bei Dir gefruchtet? Bei mir nicht. Jeden Abend musste ich in meinem Kinderzimmer einen Gang zwischen den Spielsachen schaufeln, um ins Bett zu kommen. Meine Heftführung in der Schule war ständig Grund für schlechte Noten. Und dass ich heute eine erfolgreiche Unternehmerin bin, das stand nie auf irgendeiner »Ziele-Liste«. Roter Faden? Fehlanzeige!
Dennoch ging ich meinen Weg. Einen glücklichen Weg. Einen erfolgreichen Weg. Einen Weg ohne Listen. Ohne Ordnung. Ohne nach der SMART-Methode11 formulierte Ziele.
Die Planungs-Gurus haben recht mit ihrem Ansatz, solange Du ein Ziel erreichen willst, zu dem der Weg bereits sehr gut erforscht ist. Auf einen Marathon kannst Du Dich mit detaillierten Plänen vorbereiten. Du gibst den Tag des Wettkampfs ein, Deine Wunschzeit und bekommst einen Trainingsplan, um Dein Zeit-Ziel zu erreichen.
Für unser Leben halte ich die Anstrengung, nach einem roten Faden zu handeln, allerdings für kontraproduktiv. Aus zwei Gründen. Zum einen hat sich unser Alltag verändert. Wir leben heute in einer agilen, dynamischen (Arbeits-)Welt, der VUCA-World, die geprägt ist von Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit. Wer hier langfristige Ziele definiert und glaubt, diese diszipliniert umsetzen zu müssen, wird auf der Strecke bleiben. Oder wie Albert Einstein sagte: »Planung ersetzt den Zufall durch den Irrtum.«
Cathy N. Davidson von der Duke University fand heraus, dass 65 Prozent der heutigen Grundschüler später in Jobs arbeiten werden, die es heute noch gar nicht gibt. Genberater? Vor dem Jahr 2001 als versponnene Science-Fiction abgetan – heute unter den Top-Ten-Berufen, mit den größten Chancen am Arbeitsmarkt.12
Unser Leben ist ein Meer voller Möglichkeiten. Und täglich kommen neue Möglichkeiten dazu. Wer hier SMART-formulierte Ziele definiert und stoisch daran festhält, der wird irgendwann auf seiner angepeilten Insel landen und feststellen, dass diese gar nicht mehr so traumhaft ist, wie sie vor drei, fünf, acht … Jahren aussah. Aufs Leben bezogen: Du verfolgst einen roten Faden vom Schulabschluss über die Ausbildung rein in den Beruf – und stellst fest, die wahren Cracks Deiner Zunft sitzen heute in Indien oder Pakistan und arbeiten für den Bruchteil Deines angestrebten Gehalts. Jobziel: erreicht. Lebensziel: vergeigt.
Kurskorrekturen oder Zielveränderungen gehören heute mehr denn je zu unserem Leben. Hab den Mut, das Setup Deines Lebens zu korrigieren und Dich weiterzuentwickeln.
Vor Kurzem war ich mit meiner Familie beim Segeln zwischen den griechischen Inseln. Morgens entschieden wir, welche Insel wir anlaufen wollten, berechneten den Kurs und setzten die Segel. Ich stand am Steuer und schlug genau den Kurs nach Kompass ein. Was schätzt Du, wie oft musste ich das Steuerrad ein paar Zentimeter nach links, ein paar nach rechts drehen, damit ich den gewünschten Kurs halten konnte? Ständig! Keine drei Sekunden konnte ich das Steuer starr festhalten oder gar festbinden, sonst hätten wir sofort den angepeilten Kurs verlassen. Wind und Strömung versetzten das Boot ständig, und Nachjustieren war eine Pflicht.
Und genau so ist es im Leben! Es ist eine Fehlannahme, dass wir mit dem perfekten Setting (perfekter Partner, perfekte Ausbildung, perfekter Body) und einem festen Blick auf ein Ziel einem roten Faden folgen können. Nein, das Leben ist ein ständiges Korrigieren, Verändern, Nachjustieren. Wie auf dem Meer sind wir auch im Leben ständigen Strömungen und Winden ausgesetzt, wo wir mit leichter Hand das Steuer neu ausrichten dürfen.
Ist das anstrengend? Anstrengend ist es nur, wenn Du das Justieren als Kampf betrachtest. Als unnötigen Kraftakt. Wenn Du jede Veränderung, jedes Einstehen für Dich, jede Abweichung vom Kurs als lästige Pflicht betrachtest. Wenn Du Dir aber klarmachst, dass ein Segelboot nur auf Kurs bleibt, wenn Du ständig justierst, dann weißt Du, dass Verändern der ganz normale Alltag ist. Korrekturen sind Bestandteil des Lebens!
Zweiter Grund, warum ein roter Faden der Tod von Erfolg ist: Viele Menschen fühlen sich von »klaren Zielen« eingeschränkt. Weil sie lieber die Träumer sind, und nicht die Planer. Weil das Leben ein Meer der Möglichkeiten ist, in dem sie entdeckungsfreudig herumpaddeln wollen. In der Persönlichkeitspsychologie können wir unterschiedliche Persönlichkeitstypen wissenschaftlich valide messen und darstellen. Für meine ersten Bücher gab ich ihnen einen Namen. Da gibt es die Dr. Annaliese Logisch als Protagonistin der Zahlen-Daten-Fakten-Menschen, den Otmar Ordentlich als Protagonist der systematischen Planer und Zeitmanager sowie den Marc Macher als Vertreter der zielstrebigen Antreiber. Ich rief in der Welt der Kreativen Chaoten den