„Recht hast du!“ Frau Tiralla lächelte befriedigt. „Es ist ganz grässlich mit dem Ungeziefer in diesem alten Haus. Und Schwaben haben wir auch in der Küche und —“
„Sie bedecken abends die Wände,“ fiel die Magd eifrig ein. „Soll der Gospodarz nur kommen und sehen in meiner Küche nach, abends, wenn Licht ausgeblasen ist, wird er selber dann sprechen: ‚Hu!‘ An den Kopf fliegen sie einem, mitten ins Gesicht, gegen Nase, Augen, Ohren. Krabbeln sie hier, krabbeln sie da — hu!“ Mit einem gellenden Aufkreischen warf sie sich die Schürze über den Kopf.
„Psia krew, was für ein Lärmen! Frauenzimmer, verdammtes, kannst du nicht dein Maul fünf Augenblicke halten, nicht die paar Minuten, die ich schlafen will?!“
Die Stubentür war aufgerissen worden, mit zorniger Stimme schalt der Besitzer Tiralla auf seine Dienerin ein. Aber als er hinter der Magd seine Frau erblickte, wurde sein Ton milder, fast besorgt: „Was ist denn, was ist denn?“ Frau Tiralla hatte mit aufgeschrieen, wie in jähem Entsetzen. „Warum schreit ihr denn so? Mein Seelchen, warum schreist du, was ist denn geschehen, du bist ja ganz blass? Sage, Zoschchen, was ist dir geschehen?“
Man merkte dem grossen Mann mit dem starken Gliederbau und dem braunroten Gesicht die Besorgnis um seine Frau an. Mit einem heftigen Griff die heruntergerutschte Hose heraufziehend, denn Zoschchen mochte es gar nicht leiden, wenn er sich’s ein wenig bequem gemacht und die Hosenträger abgetan hatte — ‚Pfui, wie ein Bauer!‘ sagte sie dann — trat er ihr rasch näher. „Was ist denn geschehen, so sage doch!“
Die schwarzen Augen der Frau starrten ihn aus dem bleichen Gesicht an. „Heilige Mutter, wieder die Ratten,“ stammelte sie und griff um sich, als suche sie einen Halt.
Da lachte Herr Tiralla. „Ratten?! Aber, Frauchen! Ratten gibt’s überall, wo Schweine sind; warum nicht hier auf dem Hofe? Wenn’s weiter nichts ist!“ Er lachte gutmütig. „Ich dachte, ihr hättet die Kurze Pluckaa) gesehen oder unten im Keller den Babok, den schwarzen Mann. Warum sprachest du denn nicht: ‚Alle guten Geister loben Gott‘ — auch die Ratten wären davon entwichen!“
„Lästere nicht,“ sagte sie eisig. „Dass Gott dich strafe!“ Und als er sie schäkernd umfassen wollte, mit seiner riesigen behaarten Hand ihr unterm Kinn herfahren, wich sie zurück und brach in Tränen aus. Da sie, sich die Rechte vor die Augen haltend, mit der Linken an ihrem Kleid herumtastend, nicht gleich das Taschentuch fand, hielt sie nun ihr Schürzchen vor. Sie schluchzte heftig.
Vergebens suchte er ihr die Schürze vom Gesicht wegzuziehen; sie hielt sie fest vorgepresst. Ihre schlanken, für eine Landfrau merkwürdig wenig verarbeiteten Finger hatten eine eiserne Widerstandskraft.
Er war ganz bestürzt. „Seelchen, Täubchen! Aber Zoschchen, was hast du denn?“ Vergebens suchte er einen Blick in ihr Gesicht zu erhaschen. „Verdammtes Frauenzimmer, was grinsest du?“ brüllte er plötzlich die Magd an, die noch immer auf demselben Fleck stand und breit lachte. „Dass der Teufel dich hole, du, nur du allein hast die Herrin geärgert!“
„Nein, nein, Panje, ich nicht! Sind es die Ratten gewesen, kann ich beschwören. Mag der Gospodarz nur selber in Keller steigen, wird er sehen, wie sie laufen an Boden, wie sie springen an Wänden. Und in meiner Küche mag er die Schwaben sehen, hunderttausend, hunderttausend Millionen — werden sie noch fallen in Essen von Pan Tiralla. Wird der Herr ja sehen!“
„Untersteh dich!“ Tiralla hob die schwere Hand gegen die Magd, aber sie wich ihm so geschickt aus wie vorhin der Herrin. Es war so drollig, wie sie sich hinter die Herrin duckte, diese wie ein Bollwerk benutzend, dass der ungefüge Mann in ein dröhnendes Lachen ausbrach. „Brauchst nicht Furcht zu haben, dummes Ding,“ sagte er gutmütig, „ich schlage nicht. Weiss ich zwar, dass du ein Satansbraten bist, aber du wirst mir doch keinen Unrat in den Teller schöpfen!“
„Nein, nein,“ versicherte sie treuherzig, „werde ich nicht tun,“ und kam hinter der Herrin vor.
Er kniff sie mit seiner behaarten Hand in die feste Wange. Es tat weh, seine derben Finger hinterliessen erst eine weisse, dann eine brennendrote Druckstelle, aber sie liess es sich ruhig gefallen: nein, der Gospodarz war nicht böse! Eigentlich war er viel besser als seine Frau! Marianna dachte auf einmal, dass es doch schade um ihren Herrn sei. Und sie drängelte sich ein wenig an ihn heran und warf ihm unter halbgesenkten Lidern einen verheissungsvollen Blick zu — wenn der Alte nur wollte, sie würde schon wollen!
Aber Tiralla hatte nur Augen für seine Frau. Er bettelte weiter um einen Blick von ihr. Es hatte etwas Lächerliches, wie dieser starke und schon ergraute Mann um die zarte, zierliche Frau sich mühte. „Aber, Zosia, Zochna, Zosieczka, was hast du denn? Sieh mich an, meine Taube, weine doch nicht!“
Nun war es ihm gelungen, ihr die Schürze vom Gesicht zu ziehen, liebkosend wollte er seinen Mund ihrer Wange nähern, da fauchte sie ihn an, mit sprühenden Augen, wie eine gereizte Katze: „Du hast mir weh getan, au! Pfui, wie du riechst, nach Mist, nach Tabak, und nach Schnaps dazu! Du stinkst, du Bauer!“ Sie spie aus.
„Zoschchen,“ sagte er ganz traurig, „wie du sprichst! Nur einen kleinen, wirklich nur einen einzigen, ganz kleinen Schnaps habe ich heute getrunken, ich schwöre es dir bei der Heiligen Mutter und ihrem Sohne!“
„Beflecke die Heilige Mutter nicht, wenn du sie anrufst,“ sagte sie schneidend. „Lästere sie lieber, dass sie dich eher zur Hölle fahren lasse, wohin du gehörst. Ich werde dir keine Träne nachweinen. Das schwöre ich dir!“
„Was — was — habe ich dir getan?“ stammelte der Mann, ganz erschrocken. „Ich tat dir doch nichts. Ich habe dir Kleider gekauft, so viele du wolltest; ich habe dich zum Balle gefahren, so oft du wolltest; ich habe dich tanzen lassen, mit wem du wolltest; ich habe nie ‚nein‘ gesagt, wenn du sagtest ‚ja‘ — und nun sprichst du so hässlich zu mir?! Du bist krank, meine Liebe, ich werde zum Doktor schicken!“
„Ja, krank!“ Sie schluchzte heftig auf. „Du hast mich krank gemacht! Du, du, du!“ Sie ging auf ihn los, als wollte sie ihm mit ihren Nägeln ins Gesicht fahren. „Ich mag dich nicht — ich verabscheue dich — ich, ich hasse dich!“ Gellend schrie sie das, in den höchsten Tönen; ihre Augen brannten, die Fäuste ballte sie und stiess sie sich vor die eigene Brust, und dann griff sie sich mit allen zehn Fingern in ihre schön-geglätteten Haare und zerraufte sie. Ihre zierliche Gestalt zitterte und schwankte; und nun erbleichte sie so tief, als würde sie gleich in Ohnmacht sinken.
Die Magd riss die Augen auf: was fiel der ein?! War die dumm, war die dumm! Warum es denn dem Herrn ins Gesicht schreien, wenn der’s nicht so merkte?! Ei, nun gab sie es ihm aber deutlich: ‚Ich hasse dich‘ — und er, der Arme, den Gott trösten möge, was tat er? War’s zum Lachen oder zum Weinen?! Marianna Śroka wusste selber nicht, sollte sie denken: ‚o du grunddummer Esel‘, oder sollte sie wünschen: ‚hätte ich ihn doch zum Manne, oder wenigstens zum Liebsten‘! Denn gut war der Gospodarz, wirklich von Herzen gut; der würde sie nicht knapp halten, sie und ihre zwei Kinderchen. Die Frau war doch zu garstig, die Frau war, bei Gott, den guten Mann gar nicht wert!
Und in einem plötzlichen Umschwung ihrer Gefühle, die sie vordem mehr zur Herrin hingezogen hatten, neigte sich die Magd nun ihrem Herrn zu. Eine Schande war’s, wie die Frau ihn behandelte! Die musste ihn geradezu behext haben, dass er sich so ’was gefallen liess! Seinen grossen Lederpantoffel mit dem Holzabsatz sollte er lieber vom Fusse nehmen und ihr den auf den Kopf schlagen, dass ihr Hören und Sehen verging, als dass er so bettelte und barmte. Ja ja, natürlich, da war kein Zweifel daran, der Herr