»Ich werde mit Fürst Witold in den Krieg ziehen,« sagte er sich, »denn wie kann ich der heiligen Herrin dienen, wenn es in der Nähe keine Gelegenheit zum Kampfe giebt?« Daß er ihr auch auf andere Art dienen könne, als mit dem Schwerte, der Lanze oder dem Beile, kam ihm gar nicht in den Sinn, dagegen war er bereit, mit aller Macht auf Timur den Lahmen loszugehen. Sogleich nach der Messe wollte er sich zu Pferde setzen, wollte er seine Kraft erproben. Auf welche Weise, wußte er aber selbst nicht. Er fühlte nur, daß seine Hände zuckten, und daß es ihn von ganzer Seele darnach verlangte, etwas Großes zu vollbringen.
Er vergaß auch wieder vollständig der Gefahr, die ihm drohte, sogar Danusias vergaß er, und als sie ihm durch die Kinderchöre, welche plötzlich ertönten, wieder in den Sinn kam, sagte er sich unwillkürlich, seine Neigung für sie sei etwas ganz anderes. Danusia hatte er Treue gelobt, ihretwegen sollten drei Deutsche mit dem Leben büßen, und sein Wort wollte er halten, aber die Königin stand ja hoch über allen andern Frauen, und als er darüber nachdachte, wie viele Tote er ihr wohl zu Füßen legen müsse, sah er ein ganzes Heer von Panzern, Helmen, Strauß- und Pfauenfedern vor sich, ja, ihn überkam die Ueberzeugung, daß er nicht genug thun könne.
Indessen wendete er die Augen nicht von ihr, und in überströmender Empfindung fragte er sich, wie er sie durch ein besonderes Gebet ehren könne, da er glaubte, für eine Königin müsse man anders beten als sonst. Er war im stande, die Worte: Pater noster, qui es in coelis, sanctificetur nomen tuum« herzusagen, denn dies hatte ihn ein Franziskaner in Wilna gelehrt, aber das ganze Vaterunser konnte er nicht mehr auswendig. Und nun wiederholte er unablässig die Worte: »Gieb unserer geliebten Herrin Gesundheit und Glück, erhalte sie am Leben und wache sorgsamer über sie als über alle andern Wesen.« Inbrünstiger wurde wohl in der ganzen Kirche nicht gebetet, und doch kam dies Gebet von den Lippen eines Jünglings, über den vielleicht bald ein harter Urteilsspruch und Strafe verhängt werden sollte.
Nach Beendigung der Messe sagte sich Zbyszko, wenn es ihm vergönnt wäre, der Königin zu nahen, müsse er vor ihr niedersinken und ihre Knie umfassen, wenn auch er und die ganze Welt darüber zu Grunde ginge, doch nach der ersten Messe kam die zweite, dann die dritte, worauf sich die Herrin in ihre Kemenate begab, denn gewöhnlich fastete sie bis zum Mittag und nahm absichtlich nicht teil an den fröhlichen Mahlzeiten, bei denen man zur Belustigung des Königs und der Gäste Hofnarren und Gaukler aller Art auftreten ließ.
Jetzt kam der alte Edelmann aus Dlugolas zu Zbyszko und berief ihn vor die Fürstin.
»Du wirst bei dem Frühstück mir und Danusia aufwarten, als mein Hofkavalier,« sprach die Fürstin. »Möge es Dir nun gelingen, durch irgend einen Scherz des Königs Wohlgefallen zu erringen. Und falls der Kreuzritter Dich erkennt, wird er Dich vielleicht nicht anklagen, wenn er sieht, daß Du mich am Tische des Königs bedienst.«
Zbyszko küßte der Fürstin die Hand, dann wendete er sich zu Danusia, und wiewohl mehr an Krieg und Schlachten, als an höfische Sitten gewöhnt, wußte er offenbar dennoch, was einem Ritter geziemt, wenn er in der Frühe die Dame seines Herzens erblickt; denn er wich etwas zurück, auf seinem Gesichte malte sich der Ausdruck der Verwunderung und er rief, ein Kreuz schlagend: »Im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes.«
Und die blauen Augen zu ihm erhebend, fragte Danusia: »Weshalb schlägt Zbyszko ein Kreuz? Die Messe ist ja schon vorüber.«
»Weil Deine Anmut, schöne Herrin, während der Nacht so groß geworden ist, daß sie mir wunderbar erscheint.«
Doch Mikolaj aus Dlugolas, der als bejahrter Mann keinen Gefallen an den neuen ritterlichen Sitten fand, zuckte die Achseln und sagte: »Unnütz verlierst Du Deine Zeit und schwatzest ihr etwas von Schönheit vor! Einer kleinen Kröte, die noch nicht einmal erwachsen ist.«
Ergrimmt schaute ihn Zbyszko an.
»Hütet Euch, sie ›Kröte‹ zu nennen,« rief er, vor Zorn erbleichend, »und wisset dies: wenn Ihr weniger Jahre zähltet, ließe ich sofort die Erde hinter der Burg gleichtreten und dann müßte Euer oder mein Blut fließen.«
»Stille, Du Hitzkopf! Einen Rat möchte ich Dir heute noch geben!«
»Stille!« sagte auch die Fürstin. »Statt an die eigene Sicherheit zu denken, willst Du noch Streit suchen? Mir wäre lieber, ich hätte für Danusia einen gesetzteren Ritter gefunden. Aber hiermit erkläre ich Dir: wenn Du Unruhe stiften willst, gehst Du fehl. Solcher Leute bedarf man hier nicht.«
Nun schämte sich Zbyszko, daß er sich vor der Fürstin derart hatte hinreißen lassen, und er bat sie um Verzeihung. Insgeheim nahm er sich jedoch vor, falls Herr Mikolaj aus Dlugolas einen erwachsenen Sohn habe, diesen zum Zweikampf herauszufordern, denn die Strafe für die »Kröte« durfte jenem, seiner Ansicht nach, nicht erlassen werden. In den königlichen Gemächern wollte er sich mittlerweile benehmen, wie die liebe Unschuld, und niemand wollte er herausfordern, ausgenommen, daß seine Ritterehre es erheischte.
Trompetenschall verkündigte, daß das Frühstück bereit war, und Danusia an der Hand führend, begab sich die Fürstin Anna in die königlichen Zimmer, vor denen die weltlichen Würdenträger und die Ritter, ihrer harrend, standen. Die Gattin des Fürsten Ziemowit war schon zuvor eingetreten, da ihr, als der leiblichen Schwester der Königin, einer der ersten Plätze am Tische gebührte. Bald wimmelte es in den Gemächern von fremden Gästen und den geladenen einheimischen Würdenträgern und Rittern. Der König saß am obersten Ende des Tisches, neben sich hatte er den Bischof von Krakau und auf der andern Seite den Abgesandten des Papstes. Die folgenden Plätze wurden von den beiden Fürstinnen eingenommen. Neben Anna Danuta machte sich in einem großen Lehnstuhl der ehemalige Erzbischof Jan von Gnesen breit, ein von den schlesischen Piasten abstammender Fürst, der Sohn Boleslaws III., des Fürsten von Oppeln. Zbyszko hatte von diesem schon am Hofe Witolds gehört, und als er jetzt hinter der Fürstin und Danusia stand, erkannte er ihn sofort an seinen Haaren, die, in dichten Ringeln herabfallend, seinen Kopf einem Weihwedel ähnlich machten. An den Höfen der polnischen Fürsten hatte er auch den Uebernamen »Weihwedel« und sogar die Kreuzritter nannten ihn »Kropidlo«. Er war bekannt wegen seines heiteren Temperamentes und seiner leichten Sitten. Nachdem er gegen den Willen des Königs das Pallium für das Erzbistum Gnesen erlangt hatte, wollte er mit bewaffneter Hand Besitz davon ergreifen, ward aber seiner Würde entsetzt und verjagt, worauf er sich mit den Kreuzrittern verband, welche ihm das elende Bistum Kamenz in Pommern verliehen. Als er dann schließlich einsah, daß es vorteilhaft ist, mit einem mächtigen König in gutem Einvernehmen zu stehen, suchte er den Herrscher zu versöhnen und kehrte in die Heimat zurück, um es hier ruhig abzuwarten, bis ein Bischofsitz frei und ihm von der Hand des gütigen Herrn übertragen werde. In späterer Zeit wurden seine Hoffnungen denn auch erfüllt, und mittlerweile bemühte er sich, durch allerlei Kurzweil das Herz des Königs zu gewinnen: zu den Kreuzrittern fühlte er sich aber stets hingezogen. Und da er am Hofe Jagiellos von den Würdenträgern und Rittern nicht gerne gesehen ward, suchte er meist die Gesellschaft Lichtensteins und setzte sich mit Vorliebe bei Tische neben ihn.
Dies war auch jetzt geschehen. Der hinter dem Lehnstuhl der Fürstin stehende Zbyszko befand sich daher so nahe bei dem Kreuzritter, daß er ihn mit der Hand hätte berühren können. Auch zuckten unwillkürlich seine Finger, aber er suchte sich zu beherrschen und ließ keine schlimmen Gedanken aufkommen. Trotzdem konnte er sich nicht enthalten, von Zeit zu Zeit forschende Blicke auf den etwas kahlen, blonden Kopf Lichtensteins zu werfen, auf dessen Hals, Schultern und Arme, um zu ermessen, ob er bei einem Zusammentreffen in der Schlacht