Don Juans Frau. Paul Oskar Höcker. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Paul Oskar Höcker
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788711445457
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      Paul Oskar Höcker

      Don Juans Frau

      Roman

      Saga

      „Wie stolz und wie glücklich du sein musst, Kordula! Gerade lese ich in der Zeitung über die neuen Erfolge von deinem Mann!“ Es war Eva, die anrief, eine Berliner Schulfreundin Kordulas.

      „Ich liege im Bett, Eva. Bin ja noch immer zur Kur verurteilt. Eben erst geht die Masseuse. Die Zeitung habe ich noch nicht gesehen.“

      „Weisst aber, dass dein Felix in Budapest den Goldenen Preis bekommen hat, für die Bildnisbüste der Tragödin? Ja, und jetzt noch hier den Staatsauftrag: die Medaillons für die Ehrenhalle!“ Eva lachte. „Nur sein eigenes Bild in der Zeitung ärgert mich. In dem Trainingsanzug sieht er ja noch magerer aus als neulich im Leinenkittel im Atelier.“

      „Du warst draussen am Teltowkanal?“

      „Als ich eine Scheuerfrau suchte, kam ich an eurer Optischen Anstalt vorbei und trat rasch mal bei ihm ein. Davon hat er dir nichts verraten? Na, warte!“

      „Bitte, bitte, Eva, sei ihm nicht böse! Es stürmt jetzt so viel auf ihn ein.“

      „Ja, ja: Ruhm und Gold, faustdick, ein Glücksfall nach dem andern. Wirklich, Kordula, du hast keine Ahnung, wie dürftig unsereins gegen euch beide dasteht. Kleines Gehalt, drei Rangen, viertes Stockwerk, keine Haushilfe. Tägliches Preisrätsel ist das. Müsstest dich bloss einmal in unserer Zweieinhalbzimmerwohnung umsehen. Schade, dass du keine Treppen steigen darfst!“

      „Ach, Eva, seit der verunglückten Niederkunft damals die ewige Behandlung beim Professor: Schonung, immer Schonung! Auch alle Briefe von Mammi aus Lugano predigen es. Ich bin davon schon ganz elend. Und so arg einsam.“

      „Einsam? Elend? Du? Na, höre, Kind, mit Köchin, Chauffeur, Diener, zwei Mädchen? In eurer fürstlichen Villa am Tiergarten? Geldsorgen habt ihr ja nie kennengelernt ... Ach, da oben schreit Liselottchen! Verfressen ist die Kleine! Müsstest jetzt bloss zusehen, wie die hamstern kann!“

      Nun dauerte es wohl Wochen, bis sie Evas lustige Stimme wieder einmal zu hören bekam ... Kordula klingelte dem Stubenmädchen. Sie musste aufstehen, denn um elf Uhr war im Sanatorium das elektrische Bad.

      Auch der Assistenzarzt dort wusste schon Bescheid über die neuesten Triumphe des jungen Bildhauers. Ihn fesselte aber doch noch stärker die Erfindung, der Felix Haddendahl auf der Spur war: die Herstellung von Bildnisbüsten durch eine eigenartige photographische und chemische Arbeitsmischung. „Oder ist es noch strenges Geheimnis?“

      „Mein Mann spricht ja nie darüber. Die Versuchsabteilung arbeitet schon zwei Jahre daran. Immer wieder neue Apparate gibt’s. Oft bleibt er auch abends noch im Laboratorium.“

      „Aber die Geschäftsleitung der Optischen Anstalt hat doch Ihr Schwager Höllscher? Für einen Einzelmenschen wär’s ja auch zuviel. In der letzten ‚Technischen Rundschau‘ wird von seiner Erfindung geweissagt, sie könne einmal eine ähnliche Bedeutung erreichen wie das Lichtbild.“

      Kordula war jetzt so abgespannt, dass sie nur erwiderte: „Vielleicht.“

      Es gab Bekannte, die der jungen Frau nachsagten, sie unterschätze ihr Riesenglück. Kordula war reicher Leute Kind. Ihr Vater, der Indienfahrer Dr. von Mahlow, hatte bei seinem Tode grosse, seltene Sammlungen und kostbare Kunstschätze hinterlassen; ihre Mutter, die nach Kordulas Verheiratung mit Felix Haddendahl in ihre Tessiner Heimat zurückgekehrt war, gehörte einem alten Schweizer Patriziergeschlecht an. Und Kordulas Mann war nicht nur der Haupterbe der Haddendahlschen Optischen Anstalt, die Weltruf besass, sondern es war ihm auch gelungen, seine starke künstlerische Begabung mit fast beispielloser Schnelligkeit zur Geltung zu bringen. Nahm Kordula ihr bisschen Kranksein und Sichschonenmüssen also nicht gar zu tragisch?

      Kordulas Hochzeit war das letzte grosse Fest gewesen, das der alte Mahlowsche Kreis in den museumsartigen Sälen am Tiergarten mitgefeiert hatte. Zweihundert Gäste waren damals versammelt gewesen, allerlei Berühmtheiten darunter. Felix Haddendahl wusste freilich mit Menschen über fünfzig Jahren nichts anzufangen. In den Flitterwochen hatte er dann lieber einmal eine kleine Gruppe blutjunger Künstler und Künstlerinnen zu einem lustigen Atelierfest zusammengerufen. Die feierlichen Repräsentationsräume der grossen Villa blieben unbenutzt. Felix hatte sie nie leiden mögen; sie passten nicht zu seinem Lebensstil.

      In der menschenleeren Wohnung fühlte sich Kordula nun sehr verlassen. Jede Ausfahrt war ein wichtiges Unternehmen geworden, denn der Professor machte ihr strenge Vorschriften. Vor allem sollte sie sich zeitig zur Ruhe begeben. Wenn Felix also Lust zu einem Abendbummel hatte, dann musste sie ihn allein in die Stadt gehen lassen. Das grosse Schlafzimmer bewohnte sie jetzt für sich; sie hörte gar nicht, um welche Nachtoder Morgenstunde er heimkam. Da hatte sie viel Zeit, sich dumme Gedanken zu machen.

      Die Mehrzahl ihrer Schulfreundinnen war verheiratet oder hatte Berlin verlassen. Mit Eva, Gina, Wally und Erika stand sie nur noch in loser Verbindung. Evas Mann und den ihren trennte eine ganze Welt. Erika hatte sich in einen Neffen verliebt, Wallys Gatte schien auf Abwege zu geraten, und Gina versank ganz und gar in ihrem schrecklichen Scheidungsprozess.

      Heute wartete Kordula mit steigender Ungeduld auf die Einfahrt des Autos, das ihren Mann vom Teltowkanal heimbringen sollte. Sie musste ihm doch die Möglichkeit geben, ihr zu erklären, warum er sie in die freudige Botschaft aus Budapest nicht schon gestern eingeweiht hatte.

      Aber zum Tee kam er natürlich nicht. Als sie in der Optischen Anstalt nach ihm fragte, sagte ihr Edu, ihr Schwager, Felix habe sich im Atelier rasch in den Frack werfen müssen, um der Einladung zum Empfang in der Gesandtschaft zu folgen. Er werde wohl selbst gleich anrufen.

      Doch das geschah erst, als der Abendbrottisch schon gedeckt war. „Liebste Kordula!“ klang’s aus dem Fernsprecher. Er befand sich wieder in grosser Hetze, aber seine Stimme war warm und herzlich. „Ich hatte mich auf das Abendessen mit dir schon gefreut! Bringe dir nämlich ein paar tolle Neuigkeiten mit. Du wirst lachen. Denke dir: Die Gabi Dezna kommt in Budapest in die Galerie! Natürlich nur, weil sie doch wirklich die erste Tragödin ist. Denn das, was mir vorgeschwebt hat, hab’ ich ja nicht erreicht. Alle sagen, die Büste sei ähnlich. Ja, aber leider nicht ihrer Sappho oder ihrer Medea. Wie photographiert ist sie: glatt, äusserlich, hübsch. Ich bin bedrückter, als ich’s den Leuten hier eingestehen mag. Ausser dir braucht’s auch niemand zu wissen. Also hatt’ ich mir vorgenommen, heute abend zwei Glas über den Durst zu trinken, um doch auch meinen Spass zu haben. Nun muss ich aber ernst und solide bleiben und tiefgerührt an der feierlichen Tafel neben der saalältesten Exzellenz sitzen. Ach, Kordula, wann ich heute heimkomme, das weiss ich nicht. Musst du morgen früh zum Professor? Nicht? Dann schwirre ich um halb neun Uhr bei dir an, bevor ich zum Teltowkanal fahre.“

      Als Felix nach Mitternacht das Auto verliess und durch den Vorgarten schritt, sah er im Flurfenster neben Kordulas Schlafzimmer Licht. Sie hatte ihn also erwartet, obgleich ihr das streng verboten war.

      „Nur heute einmal, ausnahmsweile — ich tu’s so bald nicht wieder!“ sagte sie bittend, wie ein ängstliches Kind, als sie von dem Marmorsäulengang her zur breiten Treppe kam.

      Er war stehengeblieben. „Erst dacht’ ich: Ein Gespenst. Dann: Das gibt bombensicher einen Schnupfen. Aber wenn du so den Kopf senkst, dann bist du’s doch wieder: ganz so wie damals immer, wenn du zur Sitzung kamst.“

      Sie umarmte ihn. „Ach, Felix —!“

      Er kam noch mit in ihr Zimmer, in dem sie meist abends bei ihren kunstvollen Handarbeiten oder ihren italienischen Kunststudien sass. Aber ablegen wollte er nicht; sie musste jetzt doch schleunigst zu Bett.

      Prüfend sah er sie an. Ihr feines Profil, ihr charakteristischer Haaransatz, die kluge Stirn waren ihm damals erst nach zahlreichen Sitzungen gelungen. „Weisst du, was das Schwerste war? Dein Mund. Das Lächeln um ihn herum. Es liegt ein bisschen Schmerz in dem Lächeln. Oder Wehmut. Ich war oft ganz verzweifelt unzufrieden mit meiner Arbeit. Aber ich konnte doch nicht zu dir sagen: Bitte, lächeln Sie wieder schmerzlich, gnädiges Fräulein!“

      „Mammi fand die erste Fassung am ähnlichsten. Aber du warst ja so trotzig,