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Wilde Triebe | Erotische Geschichten
von Eve Passion
Eve Passion ist das Pseudonym einer Künstlerin, die sich bereits seit fast zwei Jahrzehnten erfolgreich als Malerin betätigt. Die besondere Faszination ihrer Arbeiten liegt in der Darstellung des männlichen Körpers. Auf diversen Reisen hat sie viele Impressionen zur unterschiedlichen Wahrnehmung der Maskulinität gesammelt. Von ihrer Heimat im offenen Rheinland geprägt, lebt sie ein extrovertiertes Dasein mit zwei autistisch veranlagten Hunden. Mit „Wildes Verlangen“ wurde ihr erstes schriftliches Kunstwerk veröffentlicht.
Lektorat: Nicola Heubach
Originalausgabe
© 2020 by blue panther books, Hamburg
All rights reserved
Cover: depositphotos.com
Umschlaggestaltung: www.heubach-media.de
ISBN 9783750739499
www.blue-panther-books.de
AktModell
Es ist angenehm warm. Ein Glück, dass Franco immer für gut geheizte Räume sorgt, wenn ich komme. Diesmal sind fünf Studenten um mich herum, zwei davon habe ich zuvor noch nie gesehen. Man erkennt die schüchternen Neulinge sofort, denn sobald ich mich ausziehe, drehen sie ihre Köpfe weg. Auch wenn vorher klar ist, dass hier eine nackte Frau zu sehen sein wird, die Erziehung zeigt Wirkung und lässt fast jeden erst mal schamhaft zu Boden schauen.
Künstler sind entweder sehr in sich gekehrt und fühlen sich wohl in ihrer eigenen kleinen Welt oder sie sind genau das Gegenteil. Extrovertierte Exemplare sind seltener und sofort erkennbar, denn niemals würden sie unsicher zur Seite schauen, nur weil sich Nacktheit in der Nähe befindet. Es gibt keinerlei Mittelwege für diesen Berufszweig, und wenn doch einer darunter ist, dann ist er im Herzen nicht am richtigen Platz. Das trifft auf Männer und Frauen gleichermaßen zu.
Lächelnd erinnere ich mich an meine ersten Einsätze als Aktmodell. Anfangs hatte ich die Bedenken meiner Freunde, es würde peinlich werden, belächelt, schließlich bin ich erfahren und habe keine Scheu, meinen Körper nackt auch Fremden gegenüber zu zeigen. Wo sollte der Unterschied zwischen einem Besuch in der öffentlichen Sauna und einem Atelier sein?
Doch dann war das erste Mal da, der Moment, in dem ich nicht einfach in der Nähe von anderen Menschen war, sondern gezielt von ihnen beobachtet wurde. Ich war als Einzige ohne Kleidung, es fehlte die Gleichberechtigung wie im FKK-Bereich. Dadurch war es nicht mehr normal, ich war anders. Die Blicke auf mir waren voller Neugier, keine beiläufigen Augen, die an mir vorbeihuschten, nur prüfende Pupillen, die jeden Zentimeter genau betrachteten.
Unerwartete Scham überkam mich bei den ersten Einsätzen, begleitet von lange nicht mehr erlebten Gefühlen wie Hemmungen und verkrampftes Verhalten. Stillhalten war schwer, wollten meine Hände doch automatisch zum Schutz an die so wichtigen Stellen fassen. Aber inzwischen ist es zur Normalität geworden. So viele Jahre bin ich nun schon die weibliche Präsentation verschiedener Skulpturen, Gemälde oder freier Arbeit. Meine durch das Alter gereifte Abgeklärtheit, hat auch die Darstellung als Aktmodell im Griff. Für mich eine klare Weiterentwicklung auf dem Weg zur ganzheitlichen Freiheit in Geist und Körper. Stolz war ich auch, meine Falten zu präsentieren. Das hatte mich noch eine Stufe selbstbewusster gemacht als ich schon war.
Ziel des heutigen Kurses ist die Nachstellung des Gemäldes »Der Ursprung der Welt« von Gustave Courbet. Ungeniert erlaubt es den Einblick in die pure Weiblichkeit, die Vulva selbst. Im ersten Moment klingt das Motiv sehr einfach, doch es so darzustellen, dass es mit dem Ursprungsbild Ähnlichkeit bekommt, erfordert Talent. Einen Frauenkörper skizzieren, kann im Prinzip jeder, selbst Menschen, die nie zuvor einen Pinsel in der Hand gehabt haben. Doch einen Torso mit Geschlechtsteil und ästhetisch passenden Oberschenkeln … Hier gilt es, Können zu beweisen. Schon oft war das Ergebnis weit von einer Frau entfernt oder kaum als Mensch identifizierbar. Franco sortiert aus, wer wirklich Fortschritte zeigt und wer nachlässig mit seinem Studium ist.
»Greta wird uns heute Modell stehen.« Der Kunstlehrer Franco erläutert kurz die Vorlage und was die wichtigsten Ziele sind. An mich gerichtet lächelt er und weist in die Mitte der Staffeleien. »Du kennst ja das Motiv.«
Ich nicke und lasse meinen Hintern auf dem zugewiesenen Platz nieder. Manchmal gönne ich mir den Spaß und blicke einem der neuen Studenten direkt in die Augen, während ich mich entkleide. Ich genieße ihre Unsicherheit und wie sie rot werden, sich mit glühenden Wangen hinter ihrer Leinwand verstecken. Ich schaue in die fünf jugendlichen Gesichter, die erwartungsvoll bereits Kohlestift oder wahlweise einen Pinsel in der Hand haben.
An den blauen Augen, die mir am nächsten sind, bleibe ich hängen. In ihnen sehe ich weder das rein künstlerische Interesse noch irgendwelche Scheu, mehr eine faszinierte und wunderbare Art von Neugier. Ich fokussiere auf das ganze Gesicht und bin erstaunt, etwas zu sehen, das eindeutig jung, aber auch zugleich sehr selbstsicher erstrahlt.
Er ist zum ersten Mal hier, doch entdecke ich keinerlei Zurückhaltung an ihm. Sein Blick wandert ungeniert vor meinen Augen hinunter zum Rest meines Körpers und er legt seinen Kopf leicht schief, als wolle er sich erste Details einprägen. Ich bin bereits Mitte vierzig und solche Blicke machen mir schon lange nichts mehr aus. Doch dass ich auf diese Art betrachtet werde, habe ich bis heute noch nie erlebt. Es verwirrt mich und ich konzentriere mich darauf, die richtige Position zu finden, um den angehenden Künstlern das perfekte Motiv sein zu können. Schweigend beginnen sie mit ihrer Arbeit. Entgegen meiner Gewohnheit, in Tagträumen zu versinken, wandert mein Blick unbewusst immer wieder zu dem jungen Mann und seinem Gesicht. Er arbeitet konzentriert. Doch auch er sucht immer wieder Blickkontakt, anstatt sich ausschließlich auf seine Aufgabe zu konzentrieren.
Franco geht zwischen seinen Schülern umher, korrigiert, gibt Tipps und motiviert, mutiger zu sein. Als er bei ihm ankommt, bleibt er lange stehen, bevor er anfängt zu sprechen. »Du hast wirklich ein ungewöhnliches Talent, David.« Er nickt und zeigt mit dem Finger auf die Mitte der Leinwand. »Hier könntest du noch etwas filigraner arbeiten. Du musst es nicht originalgetreu zeichnen, sondern auch einen Teil deiner Seele hineinfügen. Die feinen Haare können noch besser herausgearbeitet werden. Und hier möchte ich eine Korrektur sehen.«
David. Der Name klingt sehr brav. Das traue ich diesem angehenden Mann definitiv nicht zu. Wenn er jemals ein folgsames Kind gewesen sein sollte, dann ist es sicher einige Zeit her. Er kann unmöglich älter als zwanzig sein. Doch er wirkt so, als hätte er schon hunderte Frauen in seinem Leben verführt. Dabei ist er keinesfalls ein Womanizer oder jemand, der die Aufmerksamkeit scharenweise auf sich zieht. Auf den ersten Blick im Vorbeilaufen würde er mir gar nicht groß auffallen, sein Gesamtbild ist eher unscheinbar. Aber er strahlt etwas aus, eine anziehende Art wie ein menschlicher Magnet.
Im Regelfall stelle ich mich zwei Stunden zur Verfügung, bevor der Kurs beendet wird. Auch heute werden wir pünktlich fertig. Franco stellt mit seinen Schützlingen die halbfertigen Leinwände zur Seite, während ich meinen Körper in aller Ruhe wieder bekleide.
Jedes Mal nach einer Unterrichtseinheit, schaue ich mir die Ergebnisse an, um zu sehen, was und wie die Kunst in den Köpfen anderer gesprochen hat. Manches wirkt unbeholfen, anatomisch inkorrekt, verwirrend oder gar abstrakt. In all den Jahren, die ich dieses Motiv schon darstellen durfte, haben es nur wenige geschafft, mich mit ihrem Werk wirklich zu begeistern.
An der Skizze von David bleibe ich länger stehen und bewundere, was er zustande gebracht hat. Es ist nicht nur mein Geschlecht und die erkennbare Nachbildung der Vorgabe, was er gemalt hat, sondern etwas Eigenes, etwas sehr Persönliches, das direkt aus seinem Innersten gekommen sein muss. Nur jemand mit wirklichem Talent ist in der Lage, mit Farbe diese Zeichnung auf einen weißen Grund zu bringen. Mit seinem Können hat er etwas geschaffen, das ich in Jahrzehnten niemals so hätte umsetzen können. Ich bin ehrlich angetan! Während ich es mir anschaue, wandert meine rechte Hand automatisch auf mein Herz, so, als will mir mein Unterbewusstsein mitteilen, wo es gerade warm wird.
Franco steht neben mir und mein Blick scheint ihm alles zu sagen. »Ein unfassbar talentierter Mensch,