Axel Rudolph
Der Stern von Südafrika
Ein heiterer Roman
Saga
Der Stern von Südafrika
German
© 1937 Axel Rudolph
Alle Rechte der Ebookausgabe: © 2016 SAGA Egmont, an imprint of Lindhardt og Ringhof A/S Copenhagen
All rights reserved
ISBN: 9788711445136
1. Ebook-Auflage, 2016
Format: EPUB 3.0
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I
Glühende Sonne, vor Hitze vibrierende Luft, Staub, Sand und Schutt. Vor dem mit Starkstrom geladenen Stacheldrahtzaun reibt sich der Lagerposten den Rücken am rohgezimmerten Pfahl, der das Schild „No admittance“ trägt. Hinter den Stacheln, bis zur offenen Tür des Holzschuppens, der die Control Office enthält, steht eine Schlange von Arbeitern: Weiße, schwarze, braune, gelbe Menschen, alle Schattierungen der Erde, die sich hier im Camp der Skuller Diamond Mines Co. zusammenfinden.
„Tempo! Tempo! Nicht so pomadig, Jungs, wenn ich bitten darf!“
Hans Balck, der lange, blonde Clerk der Kontollstelle, läßt seine Hände blitzschnell über die spärlichen Kleider der Arbeiter gleiten. Erfahren, sachlich durchwühlen diese Hände das Futter der umgewendeten Taschen, tasten die Körperstellen ab, an denen es möglich wäre, etwas zu verbergen.
„Nimm die Arme hoch, mein Junge! Oder haste was unter die Achselhöhlen geklemmt? Na also! Jetzt die Futterluke auf! Mensch, dich haben wohl die Kidnapper Muttern entwendet?“
Wie ein Zahnarzt dreht Hans den Kopf des „Rekruten“ gegen das grelle Licht und schaut ihm forschend in den Hals. „Danke! Nun kannste die Klappe wieder schließen! Der Nächste, bitte!“
Hans Balck macht diese Arbeit jeden Tag kurz vor Feierabend, ein ganzes Jahr schon, seitdem er aus dem Hauptverwaltungsbüro der Skuller Mine Co. hier in das Camp Office versetzt worden ist. Fast mechanisch verrichten seine Hände die Arbeit. Mit einem halben Auge ist Hans dabei drüben bei seinem Freund und Kollegen, dem Clerk Piet Keulen, der am Schreibtisch genießerisch sich in eine Serie von Postkartenphotos vertieft hat.
„Hast du schon die neuen Reklamekarten vom Kohinoor gesehen, Hans?“ Piet hebt sein treuherziges Ohrfeigengesicht und zieht den Mund erheblich in die Breite, während er ein paar der Photos in die Höhe hebt und seinem Freund aus der Ferne zeigt. „Burmann hat weder Mühe noch Kosten gescheut. Ganz große Klasse!“
„Werden wir uns heute abend mal ansehen!“ Hans wirft über die Schulter einen interessierten Blick nach den verlockend lächelnden Frauenköpfen auf den Photos, während seine Hände weiter ihre Arbeit verrichten.
Der Nigger Samuel Augustus ist der Nächste in der Reihe. Er hat schon seit einiger Zeit etwas unruhig die erfahrene, sichere Arbeit der Hände des Clerks beobachtet. Kurz bevor die Reihe an ihn kommt, macht er eine rasche Bewegung. Er hält einen Augenblick die Hand vor den Mund, als wolle er ein Gähnen verdecken, und krault sich dann mit derselben Hand den schwarzen Wuschelkopf.
„Hoppla!“ So stark ist Hans Balck noch nicht von den verführerischen Frauenköpfen gefesselt, daß ihm die kleine Bewegung entgangen wäre. Er schiebt den eben „Abgefertigten“ fort und langt sich den schwarzen Samuel. „Mensch, bist du vornehm! Ein Nigger, der sich beim Gähnen die Hand vorn Mund hält, das ist ja ganz was Neues hier im Camp!“ Hans Balcks Hand fährt rasch in das Kraushaar des langen Samuel, wühlt mit gespreizten Fingern und schließt sie plötzlich jäh zusammen.
„Na, siehste! Das ist ja . . . Donnerwetter!“ Samuel Augustus stößt ein kurzes Gebrüll aus, duckt sich und rennt mit gesenktem Kopf wie ein Sturmbock gegen den Clerk. Ein blitzschnell von unten herauf geführter Fauststoß fängt den Schwarzen ab und läßt sein Kinn hochschnellen. Da sind auch schon die beiden Aufseher, die bisher gelangweilt an den Türpfosten gelehnt haben, über ihn her, packen ihn und zerren seine Arme auf den Rücken.
„Hat der Mensch Worte!“ Hans betrachtet verblüfft den Stein, den er aus dem Haar des Negers gefischt hat. Auch Piet und die Umstehenden drängen sich unter erstaunten Ausrufen näher. Samuel Augustus weiß, daß jetzt jede Sekunde gilt. Grubendiebstahl wird hart bestraft. Mit einem gewaltigen Ruck reißt er sich los und bricht sich durch die Umstehenden Bahn, stürmt hinauf, ist jenseits des kleinen Durchlasses im Drahtverhau, bevor der dösende Außenposten die Situation erfaßt hat.
Wilder Aufruhr in und vor der Kontrollstelle. Die Arbeiter schreien und drängen sich durcheinander, versperren ungewollt den beiden Aufsehern, die dem Flüchtling nachsetzen wollen, den Weg. William, der eine der Aufseher, reißt seine Pistole aus der Hüftentasche.
„Laßt ihn laufen“, schlägt Hans Balck vor und betrachtet noch immer den Stein, den er in der Hand hält. „Seinen Kinnhaken hat er weg und — Donner und Doria, Jungs! Seht euch das hier mal an! Der Stein könnte noch ganz andere Leute in Versuchung führen als so ’nen armen Nigger!“
„Ist das ein Brocken!“
„Ein Riesendiamant!“
„Der größte Stein, den ich gesehen hab’! Und ich bin doch schon acht Jahre Digger!“
Die Aufseher wie die Arbeiter drängen sich aufgeregt um Hans Balck. So groß wie der „Regent“ oder der „Kohinoor“ ist der Stein zwar nicht, aber immerhin ein sensationelles Ereignis. Der größte Diamant, der in den letzten zehn Jahren hier in Kimberley ans Tageslicht gefördert worden ist.
Piet Keulen ist schon ans Telephon gestürzt und hat das Direktionsbüro benachrichtigt. Einer der Aufseher übernimmt die Leibesvisitation der noch wartenden Arbeiter. Sie geht jetzt sehr schnell von statten. Die Arbeiter diskutieren laut und erregt den Fund und die Flucht des langen Samuel, der Aufseher ist auch nur mit halbem Herzen bei der Sache, und Hans Balck kümmert sich überhaupt nicht mehr um die Abfertigung. Er steht hinter dem Schreibpult und betrachtet mit Kennermiene von allen Seiten den gefundenen Stein.
Hupensignale. Vom Verwaltungsgebäude her rast ein Auto heran. Schwerbewaffnete Lagerpolizisten stehen auf dem Trittbrett, springen vor dem Kontrollbüro ab und drängen die gaffenden Arbeiter fort. Aus dem Innern des Wagens steigt breit und gewichtig Mr. Josuah Skuller persönlich, Generaldirektor und Hauptaktionär der Skuller Mine Co.
„Das ist das gute Stück, Mr. Skuller!“
Hans reicht dem Generalgewaltigen den Diamanten hin, und auch Mr. Skullers Augen beginnen sanft zu glänzen, obwohl er sich bemüht, ein gleichgültiges Gesicht zu zeigen.
„In der Tat! Ein Fund!“
„Und was für einer, Mr. Skuller! Der Stein da bringt mindestens seine fünfzehntausend Pfund, wenn er geschliffen ist!“
Mr. Skuller nickt vergnügt. „Es ist jedenfalls ein ungewöhnlich großer Stein. Wir wollen ihn den „Stern von Südafrika“ taufen.“ Mr. Skuller wickelt den Diamanten bedächtig in ein Stück Papier und versenkt ihn in seine Hosentasche. Hans Balck sieht stumm und ein bißchen neidisch zu. Tja, das ist immer so. Die Anderen stecken immer die hübschen, kostbaren Dingerchen ein und tragen sie fort. Hans Balck hat keine Diamanten.
„Meine Anerkennung für Ihre Wachsamkeit, Mr. Balck.“ Der Generaldirektor schüttelt seinem Clerk kräftig die Hand. „Bin überhaupt zufrieden mit Ihnen, in jeder Beziehung. Übrigens: Kommen Sie nach Büroschluß doch mal zu mir rüber in mein Büro.“
Mr. Skuller hat sich zum Gehen gewandt, bleibt an der Tür aber noch einmal stehen und wirft einen nachdenklichen Blick auf die beiden Clerks. „Und Sie, Mr. Keulen, ebenfalls!“
„Sauber, sauber!“ Der kleine