Susanne Hochreiter, Ursula Klingenböck, Elisabeth Stuck,
Sigrid Thielking, Werner Wintersteiner (Hrsg.)
Schnittstellen
Aspekte der Literaturlehr- und -lernforschung
ide-extra
Eine deutschdidaktische Publikationsreihe
Herausgegeben von
Annemarie Saxalber-Tetter und Werner Wintersteiner
Band 14
Susanne Hochreiter, Ursula Klingenböck, Elisabeth Stuck,
Sigrid Thielking, Werner Wintersteiner (Hrsg.)
Schnittstellen
Aspekte der
Literaturlehr- und -lernforschung
Inhalt
1. Konzepte von Literatur und literarischer Bildung
SUSANNE HOCHREITER, STEFAN KRAMMER: Literatur als Wissensvermittlerin?
KARLHEINZ FINGERHUT: Produktive Aufgabenstellungen im kompetenzorientierten Literaturunterricht
IRENE PIEPER: Literarische Kompetenz: Zentrum oder Peripherie der Kompetenzdiskussion?
Vorwort
Susanne Hochreiter, Ursula Klingenböck, Elisabeth Stuck, Sigrid Thielking, Werner Wintersteiner
Schnittstellen literarischer Bildung
1. Literatur und die/in der europäische/n Bildungsdebatte
Die Auffassung von Literatur als Selbstzweck oder als unumstrittener Wert eines humanistischen Bildungsideals scheint längst passé zu sein. Bildung und Ausbildung sind entlang politischer und ökonomischer Entwicklungen spätestens seit den 1980er Jahren Teil eines Leistungs- und Qualifizierungsdiskurses geworden, der deutlich anders akzentuiert ist als zuvor: Die Funktionalisierung von Information, die Verwertbarkeit von Kenntnissen und Fertigkeiten für einen zunehmend komplexen und internationalen Arbeitsmarkt unter schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen stehen im Zentrum. »Bildung« muss sich gefallen lassen, befragt, gemessen, kritisiert, modifiziert zu werden. Da geht es um Inhalte, Fächer, Methoden der Vermittlung, Kompetenz- und damit Output-Orientierung sowie um Verfahren ihrer Messung und Sicherung. Literatur ist angesichts dieser Ansprüche in einer besonderen Position: Sie ist zunächst Vermittlungs-Tool, wenn es etwa um den Erwerb von Schreib- und Lesekompetenzen geht (also gleichsam Sekundärphänomen), sie ist aber auch Gegenstand/Medium der Vermittlung (literar)historischen und ästhetischen Wissens, und sie ist schließlich Handlungsfeld von individueller, sozialer und kultureller Bedeutsamkeit.
Für die Bedeutung, die Literatur als Gegenstand von Bildung hat bzw. haben soll, stellen sich dringende Fragen: Von welchem Literaturbegriff wird jeweils ausgegangen? Welche gesellschaftlichen Funktionen hat »Literatur«? Welchen Stellenwert soll sie – in unterschiedlichen Lehr- und Lernsituationen sowie in verschiedenen institutionellen Kontexten (Schulen, Hochschulen, Universitäten und anderen Bildungseinrichtungen) – haben? Welche Aufgaben kommen Literatur in der Vermittlung von Wissen zu und wie kann Literatur vermittelt werden? Welche Relevanz hat Literatur für unterschiedliche gesellschaftliche Bereiche und verschiedene Personengruppen? Wie kann die Notwendigkeit der Beschäftigung mit Literatur in einem utilitaristischen und ökonomistischen Diskurs verortet werden?
Es sind mehrere Dimensionen, die den Diskurs über literarische Bildung gegenwärtig verändern und erweitern:
– Die Entwicklung des europäischen Bildungssystems: Die so genannte Lissabon-Strategie, die 2000 beschlossen wurde, ist die ehrgeizige Entscheidung der EUMitgliedsländer, Europa zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt zu machen. Diese Strategie wurde 2005 neu aufgelegt und noch stärker auf Wachstum und Beschäftigung ausgerichtet.1 Die EU-Politik wertet somit Bildung auf, um sie gleichzeitig auf die Ziele der Union