Nahtoderfahrungen & Medialität
Über Nahtoderlebnisse und mediale Fähigkeiten.
Was Menschen über den Nahtod berichten und wie dieser das Channeling beeinflusst.
Gibt es ein Leben nach dem Tod?
Autor: Wolfgang Sonnscheidt
Einführung
Die Frage nach einem Leben nach dem Tod ist so alt wie die Menschheit. Totenbücher im alten Ägypten und Begräbnisrituale überall auf der Welt spiegeln den Wunsch nach einer Fortsetzung des Lebens nach unserem physischen Tod wider. Nahtoderfahrungen, von denen dieses Buch handelt, werden von einigen Forschern als Beweis für ein Fortbestehen unseres Bewusstseins und unserer Seele gewertet, von anderen dagegen als Humbug verhöhnt. Letztendlich gibt es darauf keine hundertprozentige Antwort, die uns jetzt verfügbar wäre, es sei denn, wir hätten selbst eine Nahtoderfahrung gemacht.
Nahezu alle Menschen, die eine solche Erfahrung gemacht haben, verlieren ihre Angst vor dem Tod, weil sie gesehen und gespürt haben, was uns erwartet, wenn wir den Körper hier auf Erden zurücklassen.
Das Interesse an Nahtoderfahrungen ist in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts (wieder) erwacht. Heute versprechen Artikel in Zeitungen oder Online-Berichte hohe Auflagen und Klickraten, wenn sie dieses Thema in ansprechende Titel verpacken. Im Printbereich finden wir dagegen in Deutschland eher kritische Berichte, die eine Nahtoderfahrung als physische Reaktion auf den eintretenden Tod zu erklären versuchen. Wir leben in einer Gesellschaft, die noch immer an dem Grundsatz festhält, dass es nicht gibt, was man nicht erklären kann.
Im Glauben an ein Leben nach Tod zeigt sich die deutsche Bevölkerung unentschieden: Entsprechend einer Befragung der YouGov.de1 aus dem Jahr 2015 glauben 44 Prozent der Befragten, dass es ein Leben nach dem Tod „wahrscheinlich nicht“ oder „auf keinen Fall“ gibt. 41 Prozent der Befragten glauben dagegen, dass es ein Leben nach dem Tod „wahrscheinlich“ oder „definitiv“ gibt.
Berichte von Nahtoderlebnissen können diese Frage nicht beantworten, aber die Schilderungen sind verblüffend deckungsgleich, so dass ein Blick hinter den Vorhang des Todes möglich erscheint. Ich habe Zitate aus Nahtodberichten eingefügt, um ein umfassendes Bild von diesen Erlebnissen zu geben. Über seine Nahtoderfahrung zu sprechen, fällt vielen Menschen schwer. Sie fürchten sich vor der Beurteilung und dem Zweifel von Angehörigen und Ärzten, die womöglich zu einem Psychiater raten. Insofern kann auch dieses Buch dazu beitragen, Aufklärung und Verständnis zu wecken für ein Phänomen, das bis zu 5 Prozent der Bevölkerung erlebt.
Besonders, wenn du einen lieben Menschen kürzlich verloren hast oder jemand sich in einem lebensgefährlichen Zustand befindet, ist der Gedanke an ein Leben nach dem Tod vielleicht tröstlich. Für dich und den Kranken. Ich lasse in diesem Buch Menschen, die für kurze Zeit tot waren und eine NTE hatten, in ihren eigenen Worten sprechen. Weil das, was sie schildern, so verheißungsvoll ist, dass es uns in schweren Zeiten Hoffnung schenkt. Und wenn du jemanden kennst, der ein solches Erlebnis hatte, wirst du vielleicht mit einer ganz neuen Sicht auf das hören, was er zu berichten hat.
Was ist eine Nahtoderfahrung?
Das physische Leben endet mit dem Tod. Doch es gibt Menschen, die für eine begrenzte Zeit tot waren und wieder ins Leben zurückkehrten. Aus ihren Berichten, die fast so alt wie die Kulturgeschichte der Menschen sind, gewinnen wir ein überraschendes Bild davon, was während des Sterbens geschieht.
Nahtoderfahrung (NTE) beschreibt die Erlebnisse der Menschen, die beispielsweise nach einem Unfall, im Koma oder bei einer Operation bewusst Bilder, Gedanken und in manchen Fällen auch die Menschen um sie herum wahrnehmen, obwohl sie klinisch tot oder bewusstlos sind. Viele der Nahtoderfahrenen sagen, dass das Erlebnis unbeschreiblich war und man es mit Worten nicht ausreichend schildern kann.
Ich gehe in diesem Buch auf die Phänomene ein, die sich bei der Mehrzahl der Nahtoderfahrungen zeigen, welche Wirkung ein solches Erlebnis auf die Menschen haben kann und ich zeige auch wissenschaftliche Erklärungsversuche auf.
Überall auf der Welt
Die Berichte über das Erleben während des Todes ähneln sich auf verblüffende Weise, unabhängig von Religion, Land, Kulturkreis und Zeitalter. In einem der ältesten literarischen Werke der Menschheit, dem etwa 4.000 Jahre alten Gilgamesch-Epos, wird ein Zustand beschrieben, den man als Nahtoderlebnis einordnen kann.
Der griechische Philosoph Platon (427 - 348 v. Christus) schrieb: „In der unstofflichen Welt gibt es keine Zeit. [...] Die Seele, unabhängig vom Körper, tritt in Verbindung zu Verstorbenen. Ihr stehen beim Übergang Schutzgeister zur Seite.“ In einer alten Überlieferung der jüdischen Kabbala finden sich Schilderungen, die denen von heute erstaunlich gleichen: „Da sah ich ein Wesen aus Licht und ich ging in eine Welt der Wahrhaftigkeit ein.“2
Nahtoderfahrungen sind seit den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts wieder ins Licht der Öffentlichkeit gerückt. Zunehmend gibt es Studien, in denen Nahtoderfahrungen systematisch gesammelt und ausgewertet werden. Zwei Organisationen aus den USA sind besonders hervorzuheben: Die NDERF (Near Death Experience Research Foundation) eine Forschungsstiftung, die in zwei Studien hunderte Berichte von Nahtoderfahrungen erfasst hat. Die Website www.nderf.org verfügt über die weltweit größte Sammlung von Nahtoderfahrungen, in Englisch und anderen Sprachen. Die Webseite ist auch in Deutsch verfügbar und Betroffene können mittels eines Fragebogens ihre eigenen Nahtoderlebnisse schildern. Die zweite Institution ist die IANDS (International Association of Near Death Studies), die in Deutschland durch einen Verein vertreten ist, das Netzwerk Nahtoderfahrungen e.V.3
Bemerkenswert ist die hohe Übereinstimmung der Erfahrungen, die die Betroffenen schildern, obwohl sie ganz unterschiedlichen Kulturen und Religionen angehören. Ob Hindu, Buddhist, Christ oder Nichtgläubiger, die Erfahrungen ähneln sich auffallend. Nun könnte man ins Feld führen, dass diese Schilderungen durch Medienberichte und dergleichen gefärbt sind. Mehr dazu findest du im letzten Abschnitt dieses Buches.
Häufiger als gedacht
Es gibt keine verlässliche Statistik darüber, wie viele Menschen eine Nahtoderfahrung haben. Untersuchungen in den USA zeigen, dass zwischen 10 und 20 Prozent derjenigen, die einen Herzstillstand erlitten haben, über ein entsprechendes Erlebnis berichten. Ein Herzstillstand, das heißt das Herz hat aufgehört, selbständig zu schlagen und Blut von und zu den Organen zu transportieren, ist keine Voraussetzung für eine Nahtoderfahrung, die Mehrzahl der Nahtoderfahrungen wird aber bei einem Herzstillstand erlebt.
In Deutschland erleiden laut Statistischem Bundesamt 50.000 Menschen pro Jahr einen Herzstillstand und müssen reanimiert werden. Nur 10 Prozent von ihnen überleben, so dass man rechnerisch davon ausgehen kann, dass jährlich bis zu 1.000 Menschen in Deutschland ein Nahtoderlebnis nach einem Herzstillstand haben und davon berichten könnten. In einer Umfrage aus dem Jahr 2001 ergab sich, dass etwa 3 Millionen Deutsche ein entsprechendes Erlebnis hatten. Viele der Betroffenen sprechen nicht oder nur in sehr engem Kreis über ihre Erfahrung. Ein Grund dafür sind wahrscheinlich Ängste, als verrückt erklärt zu werden, denn viele Ärzte tun Berichte von Patienten als Hirngespinste ab.
Eine Webseite wie nderf.org oder vergleichbare Seiten in verschiedenen Ländern erlauben es den Betroffenen, ihre Erfahrungen fast anonym mitzuteilen und sich nicht kritischen Kommentaren oder sogar verurteilenden Worten auszusetzen. So konnte die NDERF in mittlerweile 20 Jahren nahezu 5.000 Berichte sammeln, die auf der Homepage einsehbar sind und hilft so Barrieren für Betroffene abzubauen.
Nahtoderfahrung unter Narkose
Eine Vollnarkose im Rahmen einer Operation versetzt den Patienten in absolute Schmerzfreiheit, völlige Bewusstlosigkeit, verhindert die Erinnerung an die Operation und verlangsamt die Vitalzeichen wie Atmung, Blutdruck und Herzschlag. Eine Nahtoderfahrung