Eiskalte Leidenschaften. Sophia Rudolph. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sophia Rudolph
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783945163788
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Ein Blick auf den Absender erklärte Ava diesen ganzen Aufstand nur zu gut. Bradley Amesbury. Für einen Moment schloss sie die Augen. Das Pochen hinter ihren Schläfe wurde schon wieder stärker.

      »Ich bin die nächste Viertelstunde nicht zu sprechen«, rief Ava Phoebe noch zu, ehe sie in ihr Büro zurückkehrte und die Tür hinter sich schloss. Noch während sie sich setzte, griff sie nach dem silbernen Brieföffner auf ihrem Schreibtisch und zog ihn mit einer schwungvollen Handbewegung durch den weißen Briefumschlag. Sie konnte nicht verstehen, wieso der Anwalt ihres Noch-Ehemannes sich die Mühe machte, seine Post per Kurier zu schicken. Bisher hatte Ava noch jede seiner unzähligen Forderungen widerstandslos akzeptiert. Sie hatte auch überhaupt kein Interesse daran, Anspruch auf das Haus am Londoner Stadtrand zu erheben, das Michael vor zwei Jahren für sie beide gekauft hatte. Einen Rückzugsort für stressige Zeiten hatte er es genannt. Gemeint hatte er ein Liebesnest für ihn und seine Geliebte. Ava wollte dieses Haus ganz bestimmt nicht haben. Genauso wenig wie irgendeinen Bestandteil seiner Ausstattung, ganz egal, wie viel von ihrem eigenen Vermögen Michael darauf verschwendet hatte. Sie wollte diese Scheidung nur noch hinter sich bringen und endlich ein neues Michael - und generell männerfreies - Kapitel in ihrem Leben aufschlagen. Sie zückte schon ihren Kugelschreiber, um die heutige Forderung zu unterschreiben, doch als sie begann, das Schreiben Amesburys zu lesen, fiel ihr der Kugelschreiber mit einem lauten Scheppern auf die Glasplatte ihres Schreibtisches.

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      Oliver lehnte sich noch ein Stück weiter in seinem Stuhl zurück und schloss die Augen, ehe er die weiße Decke seines Büros sehen konnte.

      »Paul, Paul, natürlich werden Sie diesen Vertrag nie brauchen.« Oliver kreuzte seine Füße auf dem Schreibtisch und nickte, obwohl sein Gesprächspartner ihn nicht sehen konnte.

      »Natürlich Paul, Tiffy wird das schon verstehen. … Aber selbstverständlich. Ich mache den Vertrag fertig und schicke ihn Ihnen heute Abend noch zu.« Oliver drückte einen Knopf auf dem kleinen Headset über seinem Ohr, um das Gespräch zu beenden.

      »In einem halben Jahr wird er mir dankbar sein.« Oliver öffnete die Augen und drehte den Kopf zur Tür.

      »Matt, was kann ich für dich tun?«, erkundigte er sich bei seinem Kollegen und nahm die Füße vom Tisch.

      »Ich bin doch immer wieder überrascht darüber, dass deine Mandanten tatsächlich zu dir zurückkehren«, begrüßte Matthew ihn und schloss die Tür hinter sich. Oliver grinste und zuckte mit den Schultern.

      »Ich bin der Beste und das wissen sie. Und seien wir ehrlich, es ist Pauls fünfte Ehe und seine Auserwählte Tiffy ist gerade achtzehn geworden. In ein, zwei Monaten fängt sie eine Affäre mit ihrem Personal Trainer oder ihrem Tenniscoach oder irgendeinem anderen athletischen, gutaussehenden Kerl an, der höchstens halb so alt sein wird, wie Paul es ist. Ein paar Wochen später wird auch Paul selbst bemerken, dass seine geliebte Tiffy ihm nicht treu ist, er wird versuchen, sie zurückzugewinnen, wird ihr ein Vermögen an Geschenken überlassen und in einem halben Jahr wird er um einen Termin bitten, damit wir die anstehende Scheidung besprechen. Aber du bist sicher nicht seinetwegen hier?« Oliver warf einen Blick auf den roten Aktendeckel in Matthews Hand. Es stand kein Name darauf, keine Bezeichnung, keinerlei Hinweis darauf, was sich in seinem Inneren befand. Sein Kollege wusste offensichtlich nur zu gut, wie er Olivers Interesse erregen konnte.

      »Ich habe eine Scheidung für dich, die etwas kniffliger sein könnte.«

      »Einer deiner Mandanten?« Oliver seufzte, sein Interesse bereits wieder erloschen. Matthew war Wirtschaftsanwalt, vertrat die großen Firmen des Landes. Die Akte, die Matthew ihm gerade auf den Tisch legte, die Hand noch auf dem Deckel, um Oliver daran zu hindern, hineinzusehen, würde einen ähnlichen Fall wie Pauls beinhalten. Dabei hatte er sich für einen kurzen Augenblick darüber gefreut, eine Herausforderung vor sich zu haben.

      »Eine Mandantin, ja«, noch immer ruhte Matthews Hand auf der Akte. »Eine Mandantin, die sich in einer richtig miesen Scheidung wiederfindet, die sie wirklich nicht verdient hat. Wenn sie jemand da raushauen kann, dann du, aber versprich mir bitte, ihr gegenüber nett zu sein und dich zu benehmen.«

      »Tu ich das nicht immer?«, fragte Oliver und griff nun nach der Akte. »Ava Gainsborough … der Name sagt mir etwas.« Er sah Matthew fragend an.

      »Sie war Britain’s Darling. Du erinnerst dich? Das Casting vor zwölf Jahren bei dem sie Darsteller für eine Jubiläumsaufführung von Peter Pan suchten?«

      Oliver runzelte die Stirn.

      »Das weißt du wirklich nicht mehr? Ava hat sich mit nur fünfzehn Jahren gegen erwachsene und etablierte Schauspielerinnen für die Rolle durchgesetzt. Nachdem die Laufzeit des Stückes vorbei war, wechselte sie ins Modelbusiness.«

      »Jetzt reden wir …«, erklärte Oliver. Model sagte ihm doch weitaus mehr, als jugendliche Theaterschauspielerin.

      »Ein Topmodel im Scheidungskrieg, ja?« Er begann, sich den Ehevertrag, der vor ihm lag, genauer anzusehen.

      »Exmodel«, korrigierte Matthew ihn. »Sie hat das Modeln bereits vor vier Jahren aufgegeben und sich stattdessen eine Modelagentur aufgebaut. Eine überaus erfolgreiche Agentur.«

      »Lass mich raten, an dem Erfolg bist du nicht ganz unbeteiligt«, murmelte Oliver, als er die erste Seite umblätterte. »Was hat sie angestellt?«

      »Ihr Mann ist fremdgegangen, sie hat sich von ihm getrennt und die Scheidung eingereicht.«

      Oliver sah von dem Vertrag auf und wartete darauf, dass Matthew fortfuhr.

      »Ich verstehe nicht, wie diese Angelegenheit dann für sie schwierig sein könnte?«, erklärte er schließlich. Matthew räusperte sich und erhob sich langsam.

      »Seite fünf, Paragraph dreizehn.«

      Oliver schlug die genannte Seite auf und überflog den genannten Paragraphen.

      »Ist das dein Ernst?«

      »Denk dran, du hast versprochen nett zu sein und dich zu benehmen. Ich hab Amber gesagt, sie soll für morgen einen Termin mit Ava ausmachen, das sollte dir ja genug Zeit geben, den Vertrag auf Herz und Nieren zu prüfen. Vielleicht findest du ja etwas, das ihr hilft, aus der Sache rauszukommen, ohne, dass sie alles verliert oder es zu einer Schlammschlacht kommt. Oder schlimmer: beides passiert.«

      Oliver sah Matthew ungläubig nach, bis dieser sein Büro verlassen hatte. Als sich die Tür hinter ihm schloss, senkte er den Blick wieder über den Vertrag. Er fluchte leise und drückte den Kopf an seinem Headset, der ihn mit seiner Sekretärin verband.

      »Amber, für heute keine weiteren Telefonate durchstellen, die nicht im Vorfeld vereinbart wurden. Ach und wann kommt Ava Gainsborough morgen?«

      »Um zehn Uhr, habe ich mit ihr vereinbart«, kam die Antwort. Oliver beendete das Gespräch und begann, den Ehevertrag noch einmal von Anfang an durchzulesen und sich Notizen dazu zu machen.

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      »Ava Gainsborough ist da«, erklang Ambers Stimme über Olivers Headset.

      »Danke, Amber, schick sie rein.« Oliver nahm das Headset vom Ohr, schaltete es aus und legte es auf den Schreibtisch. Er hatte sich den Ehevertrag, der vor ihm in der Akte lag, gründlich durchgelesen. Den Rest des vorigen Tages hatte er damit zugebracht, Recherchen über seine neue Klientin anzustellen. Er hatte unzählige alte Zeitungsartikel und Bilder über das von Matthew erwähnte Casting für ihre spätere Rolle der Wendy Darling gefunden, ganz zu schweigen von etlichen Fotos aus ihrer Modelkarriere. Aber so sehr er auch suchte, er konnte nichts finden, das neuer war, als vier Jahre. Kaum, dass sie dem Modeldasein den Rücken gekehrt hatte, schien sie aus der Öffentlichkeit verschwunden zu sein. Er fand zwar einige Informationen über ihre Agentur, aber Ava Gainsborough selbst tauchte auf keinem weiteren Foto mehr auf. Mit dem letzten Bild, das er von ihr von einer Fashion Show in Mailand vor vier Jahren gefunden hatte, vor Augen, traute Oliver seinen Augen nicht, als Ava Gainsborough