Willkommen im Club!
Ja, Sie und ich gehören jetzt in denselben Verein. Zwangsweise. Egal, was wir machen, wie wir ticken, wo wir leben, wen wir wählen, wen wir lieben – eines eint uns: Ab 40 sind wir allesamt strammen Fußes auf dem Weg in die Wechseljahre. Kein besonders angesagter Club. Und nicht bloß, weil sie dort tatsächlich noch Abba spielen. Aber wir haben ja sowieso keine Wahl. Längst stehen wir auf der Gästeliste. Hat man nämlich erst einmal ein „gewisses“ Alter erreicht, leuchtet ein großes Schild über uns auf: „Hereinspaziert in das Mittel-Alter!“ Ein unglaublich sexy Ausdruck.
Ich weiß, wovon ich rede. Ich bin über 50. Das heißt: Eben gerade war ich noch total jung und nun bin ich Zielgruppe für Werbung gegen Blasenschwäche und für Hormonersatztherapie. Und muss mir blöde Bemerkungen anhören, bloß weil man im Restaurant das dringende Bedürfnis verspürt, sich nahezu nackig zu machen. Dabei fühlt sich dieser Lebensabschnitt gar nicht so viel älter an als die Pubertät: schlaflose Nächte, Herzrasen, Fragen wie „Liebt er mich (noch)?“ und „Werde ich jemals wieder Sex haben?“. Oder „Wie trägt man heute eigentlich sein Schamhaar?“. Selbstwertkrisen – „Habe mich heute gewogen, bin schon wieder geschrumpft!“ – gehören ebenso dazu wie die Überzeugung, dass uns ganz schön oft niemand versteht. Über allem schwebt das Gerücht, dass wir hormonell mal wieder total durch den Wind sein sollen.
Aber stimmt das auch? Die Wechseljahre sind ja vor allem eine sehr große Schublade, in der immer auch das Gegenteil von dem stimmt, was man an Etiketten und Behauptungen darin gerade so sicher untergebracht zu haben glaubte. Denn, ja, es gibt durchaus eine Menge körperliche Symptome. Und, nein, die hormonellen Veränderungen genügen bei Weitem nicht, um uns und all das, was jetzt in unserem Leben passiert, zu erklären. Dass wir so klug, so souverän und so erfahren sind wie nie zuvor und gleichzeitig manchmal so unsicher wie eine 14-Jährige vor dem ersten Date. Wir müssen uns mit Chefs auseinandersetzen, die halb so alt sind wie wir, und Ehemännern, die doppelt so begriffsstutzig sind wie bisher. Und wir müssen uns wichtige Fragen stellen: Wie viele schöne Sommer bleiben uns noch? Wie möchte ich den Rest meines Lebens verbringen? Ist es gut, wie es bislang gelaufen ist, oder sollte ich nicht dringend etwas ändern? Im Job? In der Beziehung? In der Familie? An mir?
Die Wechseljahre sind, wie der Name schon sagt, ziemlich wechselhaft. Eine Zeit des Umbruchs, der Abschiede und Neuanfänge, des Verzagens und der Heulattacken, der Schweißausbrüche, aber auch einer Coolness, für die man mit 17 getötet hätte. Nachts muss man auf einmal aufstehen, nicht etwa weil ein Baby schreit, sondern um das durchgeschwitzte Nachthemd zu wechseln, und ohne Lesebrille kann man das Haus keinesfalls mehr verlassen. Leider vergisst man allzu oft, wo man die verdammte Brille hingelegt hat. Dabei hätte man in den vielen schlaflosen Nächten durchaus Zeit, darüber nachzudenken. Die Haut wird so trocken, dass sich schon fast Kakteen ansiedeln wollen, und auch untenrum ist nichts mehr so, wie es mal war. Dafür lagert der Körper mehr Wasser ein als eine Treibhaustomate und es gibt Tage, da möchte man nicht mal aufstehen. Weil man nur noch vom Bett aus mit einer Decke über dem Kopf wenigstens für ein paar Stunden das bisweilen lausige Eventmanagement dieses Lebensabschnitts ausblenden kann: Man verlässt oder wird verlassen, im Umfeld gibt es die ersten Krebsdiagnosen, die Eltern werden zunehmend hilfsbedürftig und die Kinder ziehen aus oder bleiben daheim hocken – ohne, dass man weiß, was man schlimmer finden soll. Hatte man vorher nur eine Ahnung, wie furchtbar hart das Schicksal bisweilen zuschlägt, stellt sich nun die Gewissheit ein, dass es ein ziemliches Arschloch sein kann.
Alles passiert jetzt gleichzeitig: Katastrophales, Langweiliges, Banales, Großartiges. Dass man mit einer Botoxbehandlung liebäugelt und sich über ein paar lächerliche Extrapfunde Gedanken macht. Den Job verliert, grau wird und dafür endlich raushat, „wie man die Bettdecke so drapiert, dass nur das Positive rausguckt“ (Ina Müller).
Wechseljahre für Fortgeschrittene
Alles ist – noch – möglich und gleichzeitig hat man oft große Angst, dass gar nichts mehr geht. Dauernd gibt es Abschiede, aber ebenso auch eine Menge Premieren.
Wie kommt man gut durch diese Zeit? Wie kann man Sackgassen von Überholspuren unterscheiden? Hilft Yoga? Oder soll ich besser doch Hormone nehmen? Warum nicht der Zeit ein Schnippchen schlagen und etwas „machen lassen“? Andererseits könnte man sich doch auch ein kleines Kittelschürzen-Sortiment anschaffen und endlich Abstand von diesem ganzen Optikwahn nehmen? Was tun, wenn der Gatte das Einfamilienhaus beleiht, um eine Harley zu finanzieren? Brauche ich einen neuen Mann oder lässt sich der Alte noch mal überarbeiten? Will ich überhaupt einen Mann? Was will ich eigentlich noch vom Leben? Endlich einen Marathon laufen? Bauchtanzen lernen? Die Welt bereisen, solange es ohne Rollator geht?
Für junge Pubertierende gab es früher kleine Einsteigersets mit dem ersten Tampon. Dieses Buch ist der Wechseljahre-Starterkit für Sie! (Ohne letzten Tampon.) Ich habe meinen und den reichen Erfahrungsschatz meiner Freundinnen geplündert und auch den Briefkasten von Dr. Herbst, der Nachfolgerin von Dr. Sommer. Ich habe Experten befragt, und weil nicht nur der Hautwiderstand, sondern auch das Gedächtnis langsam nachlässt, gibt es noch ein paar Post-its.
Es ist viel drin – in diesen Jahren und deshalb auch in diesem Buch. Eines schon mal vorneweg: Auf keinen Fall werde ich Ihnen hier die Hucke volllügen. Es ist nicht eben ein Riesenspaß, alt oder älter zu werden. Man kann der Sache aber durchaus viel Schönes abgewinnen. Nur weil einem die Eier ausgehen, kann man sprichwörtlich doch noch sehr leckere Pfannkuchen machen. Und beflügelt von einer Extraportion Testosteron, die uns die Wechseljahre aus körpereigener Produktion liefern, kann man noch mal ganz neu durchstarten. Nach dem Motto: „Ich habe einen herrlichen biochemischen Kampfstoff und ich werde ihn auch benutzen!“
Deshalb ganz ehrlich: Auch im Vorgarten der Endlichkeit lassen sich noch ein paar hübsche Pflänzchen setzen. Ja, das Ganze ist manchmal schrecklich, aber es ist auch schön, eine Art von Abenteuerurlaub.
Darf ich mich vorstellen: Ich bin Ihre Reisebegleiterin und mache Sie jetzt mit den Sicherheitsvorkehrungen vertraut.
Tief durchatmen
Es ist nur ein schlechter Tag, nicht ein schlechtes Leben.
Und übrigens: Vermutlich haben Sie gerade mal eben aufs Cover geschaut. Ja, da stehen zwei Namen. Und nein, es handelt sich nicht um eine weitere menopausal bedingte Verwirrung. Wir sind zwar beste Freundinnen, aber nicht schon so symbiotisch, dass wir uns für ein und dieselbe Person halten. Wir haben uns entschieden, in der Ich-Form zu schreiben. Aus zwei Gründen. Zum einen haben wir große Teile dieses Buches tatsächlich gemeinsam verfasst: ein Tisch, zwei Laptops, viel Spaß und jede Menge Kaffee. Dabei hat jede von uns natürlich auch eigene Erfahrungen und Erlebnisse einfließen lassen. Wir hätten also alle paar Textmeter ein neues Straßenschild mit dem jeweiligen Namen aufstellen müssen. Vieles von dem, was wir schildern, haben wir aber auch gemeinsam erlebt. Kurz: Bevor Sie und wir da komplett den Überblick verlieren, dachten wir, machen wir es doch einfach – einfach Ich“.
1 Heul doch!
Corinna weint. Unaufhörlich laufen ihr die Tränen über die Wangen. Erst hat es niemand bemerkt. Jetzt stehen zehn bestürzte Frauen um sie herum. „Du kannst das Geschenk doch umtauschen!“, sagt Gerlinde. Und Marion: „Ich dachte, Blau gefällt dir?“ „Ist was mit Herbert? Also, wenn der eine Affäre hat, dann muss er sich verdammt warm anziehen“, versucht es Gaby. „Neiiiin“, schluchzt Corinna. „So schlimm ist es doch gar nicht, 48 zu werden“, beschwichtigt Regina, die es wissen muss. Sie hat letzte Woche ihren 63. Geburtstag gefeiert. Marion umarmt Corinna, die Untröstliche. Kann ja nicht schaden. Ersticktes Schluchzen aus der weißen Seidenbluse. „Ich weiß“, nuschelt Corinna. Ausgerechnet jetzt bringt der Kellner die Torte. Tolles Timing. Eigentlich wollte ich mal wieder nichts Süßes. Aber hier das schreit doch förmlich nach Trost durch Süßigkeiten. „Warum weinst du denn dann?“, fragt Rosi. „Ich hah … habe keine Ahnung!“
Ich sage: „Wechseljahre!“ Corinna starrt mich an, als hätte ich mich im Restaurant nackt auf den Tisch gelegt. Dabei sind die Indizien erdrückend: Gerade haben wir eine halbe Stunde über eine Schauspielerin geredet, über die wir praktisch alles wussten – „Ja, diese rothaarige Schauspielerin, diese ältere Schwester von Warren Beatty, du weißt schon, die mit Engeln spricht“ –, nur ihren Namen nicht. Zwei, die ohnehin so leicht bekleidet sind, als wäre das