Toni der Hüttenwirt 260 – Heimatroman. Friederike von Buchner. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Friederike von Buchner
Издательство: Bookwire
Серия: Toni der Hüttenwirt
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740967826
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ion> Toni der Hüttenwirt – 260 –

      »Schade, dass du nicht mit zurück nach Waldkogel kommst!«, sagte Alexander. Dabei behielt er die rote Ampel im Blick. Sie sprang schnell über Gelb auf Grün. Er legte den Gang ein. Das Getriebe seines Geländewagens gab ein lautes rasselndes Geräusch von sich.

      »Autsch!«, sagte Monika.

      Alexander fuhr an.

      »Willst du es dir nicht noch mal überlegen?«, fragte er.

      »Nein, ich habe Tante Johanna und Onkel Adam versprochen, dass ich heute bei ihnen vorbeikomme. Klar könnte ich mir eine Ausrede einfallen lassen. Doch das möchte ich nicht.«

      »Das ist sehr schade. Es war ein schöner Tag. Der Stadtmarathon hat großen Spaß gemacht. Wir können Stolz auf uns sein. Obwohl wir nur Freizeitsportler sind, haben wir gute Plätze belegt.« Er lächelte sie an. »Ich gestehe, dass ich ohne dich bestimmt nicht so weit vorn im Feld gelandet wäre«, sagte Alexander. »Aber ich konnte mir doch vor dir keine Blöße geben.«

      Monika schmunzelte und warf ihm einen Seitenblick zu. »Du musstest dich mächtig anstrengen. Aber du hast tapfer durchgehalten. Ich wäre stehen geblieben, wenn du nicht mehr weiter gekonnt hättest.«

      »Das hättest du wirklich gemacht? Du bist gelaufen wie eine Gazelle. Ich bewundere dich.«

      »Danke für das Kompliment! Aber es ist nicht mein erster Stadtmarathon, wie du weißt. Ich bin immer gut ins Ziel gekommen.«

      »Deshalb wäre es nicht richtig gewesen, wenn du wegen mir aufgegeben hättest.«

      »Schmarrn! Das ist wie am Berg. In einer Seilschaft nimmt man aufeinander Rücksicht, oder man klettert allein.«

      »Und am Berg sind wir eine richtig gute Seilschaft, ein super Team, nicht wahr, Moni?«

      »Das sind wir«, strahlte sie ihn an.

      »Wie lange bleibst du noch in Waldkogel?«

      »Das habe ich noch nicht entschieden. Irgendwann werde ich mich entscheiden müssen.« Sie spürte, wie ihr die Röte in die Wangen stieg. »Waldkogel gefällt mir. Die Leute sind nett. Es hat mir viel Freude gemacht, den Vortrag über Zahnregulierung zu halten. Dass mich danach alle bestürmten und sich von mir die Zähne untersuchen lassen wollten, war sehr schmeichelhaft. Ich frage mich, ob da jemand etwas nachgeholfen hat?«

      Alexander sah stur auf die Straße. »Ich nehme an, das hast du Paul Hofer zu verdanken, wenn es so ist. Er ist so begeistert von dir, dass er nicht mehr Förster werden will, sondern Zahnarzt.«

      Monika lachte.

      »Kinder schwärmen immer für den Beruf ihres Idols. Dass ich zurzeit Pauls Schwarm bin, darüber lässt er keine Zweifel aufkommen. Doch das geht vorbei. Er ist ein herziger Bub. Na ja, Bub kann man nicht mehr so mit ganz gutem Gewissen sagen. Er ist schon fast ein junger Bursche. Aber gerade in den letzten Jahren der Pubertät sind Buben besonders empfindlich. So wunderte es mich nicht, dass er Tränen vergoss und sich wie ein kleiner Bub benahm. Es ist die Zeit, da beginnen die Buben nach den Madln zu schauen, und die ersten zarten Liebesgefühle blühen auf. Wenn man dann, wie Paul, wegen der Zahnspange gehänselt wird, tut das doppelt weh.«

      »Das stimmt«, stimmte ihr Alexander zu. »Dazu kommt der Stress mit den Eltern. Ich erinnere mich noch gut, wie es bei mir in dem Alter war. Ich wollte mich besonders erwachsen benehmen und eckte bei meinen Eltern laufend an. Das traf mich sehr. Ich fühlte mich unverstanden und ungeliebt.«

      Monika schmunzelte. »Jeder, ob Bub oder Madl, muss da durch.«

      »Richtig! Doch wenn ich mit dir auf der Berghütte bin, wundere ich mich über Basti und Franzi. Bei denen scheint es anders zu sein. Sie sind nie launisch und schroff und schmollen nicht, wie viele in ihrem Alter.«

      Inzwischen hatte Alexander vor dem Haus von Monikas Verwandten geparkt. Monika löste den Sicherheitsgurt, blieb aber sitzen.

      »Darüber habe ich mir auch Gedanken gemacht und schon mit Toni und Anna gesprochen. Es war vor einigen Tagen, als Franzi und Basti schon auf ihren Zimmern waren. Anna meinte, die beiden seien eben anders, weil sie vor Jahren ihre leiblichen Eltern verloren haben. Anna und Toni sagten, die beiden seien ihnen manchmal unheimlich, weil sie so vernünftig sind.«

      »Das war damals sehr schwer für die beiden Kinder. Alle in Waldkogel litten und trauerten mit ihnen. Dieses dramatische Erlebnis ließ sie früher reifen. Es sieht so aus, als würden sie die Pubertät einfach überspringen, jedenfalls die üblichen Begleiterscheinungen.«

      »Gut möglich, Alex! So sehen es Toni und Anna auch.«

      »Du magst Franzi und Basti sehr. Das fällt mir jedes Mal auf, wenn ich auf der Berghütte bin.«

      »Das stimmt, ich mag die beiden sehr.«

      »Dann magst du Kinder im Allgemeinen?«

      »Mm, Kinder zu haben, gehört zum Leben dazu. Das denke ich jedenfalls. Das war auch ein Punkt, über den ich mir mit Jürgen nicht einig werden konnte«, seufzte Monika. »Aber lassen wir das! Jürgen gehört zu einem anderen Leben, zu einem Lebensabschnitt, der für mich vorbei ist. Zum Glück habe ich noch rechtzeitig die Kurve bekommen.«

      »Du wünscht dir eigene Kinder?«

      »Welche Frau wünscht sich keine eigenen Kinder? Entschuldige, das habe ich falsch ausgedrückt. Für den Mann ist es leichter. Bei einer Frau tickt die biologische Uhr. Vielleicht werden mir deshalb Kinder versagt bleiben?«

      Alexander sah sie überrascht an.

      »Warum siehst du mich so erstaunt an, Alex? Ich bin Anfang Dreißig. Ich muss einen Mann kennenlernen, muss ihn gut finden, und wir müssen uns lieben. Darüber können Jahre vergehen.«

      »Wenn das so ist, dann nimm doch mich! Ich liebe Kinder. Wir verstehen uns gut. Wir sind beide sportlich. Wir kennen uns erst seit kurzer Zeit, aber wir waren fest jeden Tag zusammen. Du weißt, wie es ist. Ist man zusammen in der Wand und will auf den Gipfel, dann merkt man schnell, ob man miteinander harmoniert. Wenn es nicht harmoniert, sollte man schleunigst die Bergtour abbrechen. Wir haben harmoniert, Moni. Für mich war es und ist es, als würden wir uns schon lange kennen. Willst du mich, Moni? Nimm mich! Du spürst doch auch die innige Verbundenheit zwischen uns? Ich nenne es Liebe. Wie nennst du es? Also!«

      Monika starrte ihn mit großen Augen an. Sie wurde tiefrot im Gesicht. Ihr Herz raste. Sie spürte jeden Herzschlag. Es schlug schneller und kräftiger, als während des Münchner Marathons. Panik erfasste sie. Sie fühlte sich ertappt.

      Sie riss ihren Rucksack, der im Fußraum stand an sich, sprang aus dem Auto, knallte die Autotür hinter sich zu und rannte davon.

      Alexander sah ihr mit wundem Herzen nach, bis er sie nicht mehr sah. Dann startete er den Motor und fuhr davon. Er fuhr nicht weit. Dazu war er nicht fähig. Er suchte sich einige Straßen weiter einen Parkplatz und hielt an. Dort saß er, bis es dunkel wurde und dachte an Moni und seine unbedachten Worte. Er ärgerte sich, dass er so ungeschickt gewesen war. Dabei war es doch klar, dass es zwischen ihnen knisterte. Er hätte Moni gern geküsst und ihr seine Liebe gestanden. Aber selbst als sie allein auf dem Gipfel des ›Engelsteigs‹ gewesen waren, hatte er kein Wort hervorgebracht. Obwohl er sich einbildete, dass sie auch etwas für ihn empfand, war sie immer auf Distanz gegangen. Sie war die perfekte Bergkameradin, die liebe gute verlässliche sportliche Bergfreundin. Ihre ganze Haltung hatte es ihm schwer gemacht, ihr näherzukommen, wie es sich ein verliebter Bursche wünscht. Dazu kam, dass sie sich weigerte, eine Einladung auf den Kirchner Hof anzunehmen. Selbst als sie dort im Wartezimmer den Vortrag über Kieferorthopädie und anschließend eine Sprechstunde abgehalten hatte, war sie ihm ausgewichen, als er sie zu seinen Eltern einlud.

      Und jetzt musste ihm dieser missglückte Antrag herausrutschen. Was war er doch für ein depperter Hornochse!

      Toni hatte viel Erfahrung in komplizierten Liebes-Angelegenheiten. Nicht nur Hüttenwirt war er, er ersetzte auch blendend die Hochzeiter, die es nicht mehr gab.

      Dieser Gedanke gab ihm Hoffnung. Er startete seinen Wagen und machte sich auf den Weg nach Waldkogel.

      *

      Monika