AUSGEZOGEN
Alleine, nackt und hilflos
Nicolas Scheerbarth
Cover: Giada Armani
Copyright: BERLINABLE UG
Berlinable lädt dich ein, alle deine Ängste hinter dir zu lassen und in eine Welt einzutauchen, in der Sex der Schlüssel zur Selbstbestimmung ist.
Unsere Mission: Die Welt verändern - Seele für Seele.
Akzeptieren Menschen ihre eigene Sexualität, formen sie eine tolerantere Gesellschaft.
Worte der Inspiration, des Mutes, der Veränderung.
Öffne deinen Geist und befreie deine tiefsten Begierden.
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Ausgezogen
Sabine wartete - geduldiger, als sie sonst gewöhnlich war. Doch so völlig nackt auf dem Untersuchungstisch fühlte sie sich ausgeliefert und kaum in der Position, sich ausreichend eindrucksvoll beschweren, schon gar nicht bei diesem Drachen von einer Assistentin.
***
Die Spezialpraxis war ein großer Bienenstock in einem älteren Bürohaus am Rand des Stadtzentrums. Ein gutes Dutzend Weißkittel hatte Sabine gezählt, seit sie auf dem mäßig bequemen Plastikstuhl in der halboffenen Wartezone Platz genommen hatte. Sie hatte einen Termin, doch was hieß das schon bei einer Kassenpatientin? 15 Uhr am Freitag. Um diese Zeit traten die meisten Menschen ihr verdientes Wochenende an.
Anfangs wirkte es wie das reine Chaos. Ärzte, Assistenten und Patienten, alle in ständiger Bewegung. Kaum eine der zahllosen Türen in dem langen Korridor, in den Sabine geradeaus hinein blickte, blieb länger als fünf Minuten geschlossen. Patienten wurden erst in die eine, dann in die andere und schließlich in eine dritte Kabine geschickt. Diverse Untersuchungsräume, Umkleidekabinen, wahrscheinlich auch das eine oder andere Sprechzimmer ... alles mögliche konnte sich hinter diesen Türen verbergen. Dazu lag ein ständiges Summen über dem Korridor. Gesprächsfetzen, Telefonläuten, das Summen und Tickern irgendwelcher medizinischer Geräte, immer mal wieder ein verwehter Hauch von Musik ... und dazu natürlich die Geräusche der Vorbeigehenden ... Schritte, Kleiderrascheln.
Nach einer Weile nahm die Geräuschkulisse etwas Vertrautes an. So hörte Sabine immer wieder ein ganz bestimmtes Platschen. Es kam von einem Paar klinikgrüner, pantoffelartiger Schuhe an den Füßen einer älteren, stämmigen Assistentin. Und dann der sonore Bass, den sie zwei oder drei Mal gehört hatte. Das musste einer der Ärzte sein. Hoffentlich Doktor Paul, dachte Sabine. Laut Aussage der Empfangsdame würde er ihre Untersuchung leiten, und die Stimme klang überaus sympathisch.
Langsam zeigte das Hin und Her ein System. Patienten, die zuerst in eine bestimmte Kabine gerufen wurden, gingen nach zehn Minuten dann immer weiter in denselben Raum. Dagegen kamen Patienten, die zuerst in eine andere Kabine gingen, immer für eine Weile zurück in den Wartebereich, um dann für längere Zeit in einem bestimmten Raum zu verschwinden. Das Platschen näherte sich ihr, doch Sabine blickte zuerst gar nicht von dem Modemagazin auf, das sie nun schon zum dritten Mal durchblätterte.
"Frau Furrer?" erklang barsch direkt vor ihr die Stimme einer älteren Frau. Leicht erschrocken blickte Sabine auf. Es war die Stämmige mit den Platschschuhen.
"Ja."
"Gehen Sie bitte in Kabine 3 und ziehen Sie sich aus. Alles. Vollständig. Keine Unterwäsche, keine Strümpfe, keinen Schmuck. Piercings müssen entfernt werden. Und beeilen Sie sich. Wir sind schon spät dran."
Mit quietschendem Absatz macht der weibliche Dragoner kehrt und stapfte zurück in den Korridor. Spät - das stimmte. Es war bereits 16.20 Uhr. Doch was sollte sie tun? Eine Beschwerde blieb bei dieser Frau vermutlich ergebnisloser als bei der Wand hinter ihr. Ergeben stand Sabine auf und begab sich zu der Kabine. Sie erinnerte sich gar nicht, was die Leute getan hatten, die in diese Kabine gingen. War überhaupt in den zwei Stunden, die sie gewartet hatte, einmal jemand in die 3 gegangen?
3 war eine winzige Umkleidekabine mit zwei Türen, beide von innen zu verriegeln. Kleiderbügel gab es keine, und so hängte Sabine ihre Kleidung über die beiden Kunststoffhaken: die Jacke, die sie vorsichtshalber mitgenommen hatte, falls es länger dauern würde, denn jetzt zu Herbstbeginn wurden die Abende doch schon recht kühl. Hose, Top, Shirt, den BH. Mühsam puhlte sie die zwei Ringe aus dem Ohr. Einen Spiegel gab es nicht; sie würde die Ringe erst zu Hause wieder eindrehen können. Dann den Stecker aus dem Bauchnabel, schließlich den kleinen Ring aus der linken Brustwarze. Socken und Höschen legte sie auf den winzigen Plastikhocker. Sie steckte den Schmuck in ihr Portemonnaie, schob es mit der Handtasche unter den Hocker.
Reflexhaft dann der Blick an sich herab. Ihre Figur konnte sich sehen lassen, das wusste sie. Leicht untersetzt, doch ohne allzu auffällige Fettpolster. Körbchen C. Vielleicht etwas zu dicke Oberschenkel. Schulterlanges, mittelblondes Haar, das vom Mittelscheitel nicht immer ganz ordentlich herabhing. Wie das alte Schrapnell wohl reagieren würde, wenn sie ihre frisch rasierte, blitzblanke Spalte sah? Jedenfalls war sie soweit.
Vorsichtig drückte sie die Klinke der zweiten Türe. Öffnete sie einen Spalt. Sie blickte in einen einfachen, fensterlosen Untersuchungsraum. Eine Liege, mit Einmalpapier abgedeckt, ein kleines Gerät auf einem silbrig glänzenden Metalltischchen. Keine Spur von dem großen Scanner, den ihre Hausärztin ihr geschildert hatte. Es war etwas kühl für einen Raum, in dem Menschen vollständig entkleidet untersucht wurden. Durch eine offene Türe sah sie die Assistentin und einen groß gewachsenen, vollbärtigen Arzt. Er war es ... die Bassstimme. Dr. Paul!
"Entschuldigung!" sagte sie zaghaft. "Ich bin soweit."
"Warten Sie, bis Sie gerufen werden," polterte die Zuchthausaufseherin.
"Ja, bitte, einen Moment noch," ergänzte der Arzt. "Aber setzen sie sich schon mal auf die Liege. Ich bin gleich bei Ihnen!"
Dankbar lächelte Sabine ihn an. Er gefiel ihr. Vom Alter her konnte er leicht ihr Vater sein. Bestimmt Mitte Fünfzig. Sie selbst war vor drei Wochen 26 geworden. Dennoch fand sie irgendetwas unbestimmt Anziehendes an diesem Mann, und die Aussicht, von ihm jetzt gleich untersucht zu werden, splitternackt wie sie war, ließ trotz der widrigen Umstände einen Anflug von Erregung in ihr aufsteigen.
Dann kam er herein. Zu Sabines Leidwesen pflanzte sich die Assistentin neben ihm auf, als wolle sie ihn eher überwachen als ihm womöglich zur Hand gehen.
"So, Frau Furrer," sprach er Sabine freundlich an, und ihr wurde ganz warm ums Herz. "Ich sehe aus den Unterlagen Ihrer Hausärztin, dass die Voruntersuchungen schon alle gemacht sind. Das können wir Ihnen also ersparen! Ich würde vorschlagen, sie gehen jetzt gleich mit Frau Pflaumenschneider hinüber zum Scannen. Die Kabine wird nicht mehr gebraucht heute Nachmittag; Sie können Ihre Sachen also hier lassen! Ich denke, wir sehen uns dann, wenn der Scan abgeschlossen ist. Dann kann ich Ihnen auch gleich das Ergebnis mitteilen."
"Können Sie mir sagen, wie lange es etwa dauern wird?"
"Ach, wenn es gleich beim ersten Mal klappt, etwa eine halbe Stunde, länger nicht. Wir sehen uns dann! Auf Wiedersehen, Frau Furrer."
"Ja, bis ..." setzte Sabine mit einer Antwort an, doch da war der Arzt schon fast aus dem Raum.
"So, kommen Sie!" forderte Frau Pflaumenschneider Sabine auf.
"Ist es ... weit?" wagte Sabine zu fragen. Die Vorstellung, von dieser gefühllosen Roboterfrau womöglich splitternackt über den belebten Korridor geführt zu werden, ließ sie ihre Zurückhaltung aufgeben. Ein oder zwei Mal hatte sie vorhin Patienten über