Prolog:
Wie die amerikanische Schriftstellerin Edna Ferber mit ihrem Werk »Cimarron« der Besiedlung des Cherokee Strip von Oklahoma ein literarisches Denkmal setzte, so behandelt »Duell ohne Gnade« die um zehn Jahre frühere Ockupation des Indianer- und Prärielandes im Norden von Texas, das die Bundesregierung in Washington nach dem Bürgerkrieg großzügig »für alle Zeiten« den Stämmen der Comanchen, Kiowas und Cheyenne verbriefte.
»Duell ohne Gnade« stützt sich auf authentische Berichte und hebt besonders Einzelschicksale gesetzestreuer Männer und Frauen, die im ständigen Kampf mit desperaden Elementen lagen, hervor.
Die Story könnte sich so ereignet haben.
A. Calhoun Plötzlich waren sie da.
Als der Schuss durch die dünne Luft peitschte, wusste Conan McCloud, dass sie ihn gesehen hatten. Es war später Nachmittag, und er ruhte ein wenig aus, um für die nächste Jagd frisch zu sein.
Ab und zu nahm er einen kräftigen Schluck aus der Flasche, deren Etikett mehr herzeigte als ihr Inhalt. Dabei überlegte er sich, wie es viele einsame Männer überall auf der Welt tun, weshalb er arbeiten musste und Büffeljäger geworden war.
Er hatte nicht gesehen, wie sie sich seinem Lager näherten, und als er den Schuss hörte und Pferdewiehern, ahnte er, dass der Abend turbulent für ihn werden würde. Träge zog er die im Gras liegende Sharps zu sich heran und behielt die Rechte griffbereit in ihrer Nähe.
Auch als er sie sah, stand er nicht auf. Er legte den Kopf zurück und hob ihn über seinen aufgestützten Arm an, damit er sie sehen konnte. Der Stetson hing ihm beinahe bis in den Nacken.
Sie waren drei Reiter auf guten Pferden, und sie waren bestens bewaffnet. Einer von ihnen, ein aufgedunsener Kerl von wenigstens zweihundert Pfund Gewicht, hielt eine Winchester 73 in der Armbeuge, aus der er einen Schuss in den Himmel abgegeben hatte. Conan McCloud kannte sie nicht. Auch nicht das junge Mädchen, das kaum die zwanzig erreicht hatte.
Sie umringten ihn, zügelten ihre Pferde und glotzten auf ihn wie auf ein seltenes Wüstentier, das sie wegen seiner abstoßenden Hässlichkeit am liebsten getötet hätten.
Aber sie hatten keinen Grund, ihn umzulegen, noch nicht. Und Conan wusste das. Sicher, er war das Bild eines Mannes. Seine mageren Oberschenkel steckten in zerschlissenen Lederhosen, die unten von ebenso zerschlissenen hochschäftigen Stiefeln bedeckt und oben von einem Strick zusammengehalten wurde. Sein Hemd war vor Äonen blau gewesen. Jetzt sah es aus, als hätte es sein Träger zum Aufwischen benutzt.
Gepflegt waren nur sein Revolver und die schwere Büffelflinte. Conan musterte die beiden Männer und das Mädchen. Von dem einen, dem Fetten im Sattel eines stämmigen Braunen, hatte er schon einmal etwas gehört. Vage erinnerte er sich an Hank O’Toole, der in Texas fast zur Legende geworden war. Der Rancher stammte aus Irland, war vor dreißig Jahren in dieses Land gekommen, nackt wie er war und bettelarm.
Heute besaß O’Toole die größte Rinderranch nördlich des Palo Duro Creek.
Vom Aussehen her musste das junge Mädchen seine Tochter sein. Den zweiten Mann, den mageren mit den flinken Eidechsenaugen, beachtete er zunächst nicht. Ohne ihn lange zu mustern, wusste er, was er von ihm zu halten hatte. Der Augenflinke war ein ausgekochter Revolvermann, ein Pistolero, wie die Mexikaner sagten, und ein eiskalter Killer. Seine Waffe hing tief an seinem rechten Oberschenkel, und die Missourihalfter wirkte geschmeidig und gut gefettet.
Bemerkenswert war, dass er keinen Patronengürtel trug. Das offene und tief ausgeschnittene Halfter wurde durch einen um den Schenkel geschlungenen Riemen gehalten und stand einen Zoll von den engen, geschlitzten und mit Silberstoff ausgelegten Hosenbeinen ab. Auf dem dunklen Haar trug er einen breitrandigen Sombrero mit einem Band aus glitzernden Conchos.
»Ich fühle mich geehrt durch Ihren Besuch«, sagte Conan.
»Wir nicht. Was tun Sie auf unserem Land?«, fragte das Mädchen, das übrigens hübsch war, schnippisch.
Sie studierte ihn hochmütig, besonders seine langen Haare, die rot und lockig über den schmutzigen Kragen quollen. Blondes Haar, dachte Conan, graue Augen und ein Körper, der sich sehen lassen kann. Wie eine Amazone saß sie im Sattel eines Pintos.
»Ihr Land, Madam?«
Wieder musterten graue Augen lange und eindringlich den Vagabunden am Boden.
»Das Land meines Vaters. Vielleicht wissen Sie nicht, wen Sie vor sich haben?«
»In der Tat, keine Ahnung.«
In Conan dämmerte die Wahrheit. Grinsend setzte er hinzu und schwächte mit seinem halben Geständnis seine gespielte Unwissenheit ab: »Nicht genau, Madam, aber das macht weiter nichts. Unter heißer Texassonne sind alle Menschen gleich.«
»Bis auf Rustler und Pferdediebe.«
McCloud machte mit der Whiskyflasche eine Bewegung des Abwinkens und nahm anschließend einen kräftigen Schluck.
»Halten Sie mich für einen Pferdedieb, Madam?«, kam es gedehnt.
Conan grinste und schwang die Flasche wie ein Mexikaner seinen Sombrero.
»Das wird sich herausstellen, Mister. Vielleicht sind Sie kein Pferdedieb, aber Sie haben Rinder von Dads Weide gestohlen«, sagte sie ruhig.
Conan ließ noch einen langen Schluck durch die Kehle laufen, schmatzte zufrieden und stellte mit der Linken die Flasche zur Seite.
Die beiden Männer hatten sich bis jetzt nicht geäußert. Der Dünne runzelte die Stirn und musterte seine polierten Stiefel in den Steigbügeln deren Glanz nur wenig von dem rötlichen Staub des Panhandle geschmälert wurde. Dann hob er den Kopf und streckte sein nadelspitzes Kinn vor.
»Hört sich ganz so an, als wüsstest du was von den Viehdieben, Bucko?«
Seine Stimme klang kalt und viel zu unbewegt, und deshalb wirkten seine Worte automatenhaft blechern. »Du hast dein Lager ausgerechnet in der Nähe einer gehäuteten Kuh aufgeschlagen. Wir haben den Kadaver gefunden.«
»Richtig, ich hatte Hunger. Auf Dauer schmeckt Büffelfleisch nicht. Was dagegen?«
»Du hast dich an einem Stier der O’Toole-Ranch vergriffen. Wir werden dich hängen, Bastard!«
»Du Jammerlappen wirst keinen hängen, mich schon gar nicht«, entgegnete Conan unbewegt.
Während der Fette immer noch schwieg und seine Blicke im nahen Umkreis nach einer abgezogenen Kuhhaut in der Erde zu graben schienen, schnarrte der kaltgesichtige Mexikaner: »Du schwingst eine kesse Lippe, Bucko, nimm dich in acht! Wo hast du das Fell begraben?«
»Ach, das Fell … Dort drüben.«
Conan wies auf einen Tamariskenstrauch und grinste breit. Nach ein paar Sekunden fuhr er fort: »Nicht vergraben, Spic. Sie liegen offen und für jeden sichtbar im Schatten – die Felle.«
»Spic? Du scheinst nicht zu wissen, wer vor dir steht, Rinderdieb. Mit deinesgleichen mache ich nicht viel Umstände.«
»Wer schon?«, höhnte Conan McCloud. »Ich sehe einen schäbigen Greaser, dazu größenwahnsinnig, borniert und dumm das armselige Bild einer misslungenen Kreuzung zwischen Ratte und Mensch. Hau ab! Und lass mich zufrieden!«
Der Mexikaner zuckte wie unter einer Ohrfeige zusammen und wurde fahl unter seiner braunen Haut. Das Mädchen sah den Konflikt kommen. Es streckte gegen den Reiter die Hand aus und stieg aus dem Sattel.
»Ich bin Calder Onoe la Barka, Gringo, und wenn du dich nicht wegen der Beleidigung entschuldigst, wirst du es bereuen.«
Conan legte den Kopf schief und musterte den Mann, ohne auch nur seinen Körper um einen Zoll zu bewegen. Dessen Miene war ausdruckslos. Seine Mimik war genauso mager wie sein Körper und seine Bewegungen. Alles bei ihm war auf Funktion berechnet, ohne überflüssige Geste, ohne Gefühl. Ein erbarmungslos tüchtiger Mann – ein gefährlicher Mann.
»Du spinnst Spic«, sagte Conan ungeachtet der Gefahr, die ihm von dem Revolver des anderen drohte. Furcht kannte der Büffeljäger