Die Herrin und ihr Knecht. Georg Engel. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Georg Engel
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 4064066113469
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schön, aber – –«

      »Kommt, kommt alles. Armut vorbei, durch Gnade von Väterchen bedeutend besser gestellt. Einnahmen hier, Einnahmen dort, man kann nicht klagen. Und seit Gouverneur von Wilna Grenzstationen kontrolliert, auch eigene maison – Häuschen.«

      Bei der Erwähnung dieser kleinen ›maison‹ flog ein verschmitzter Schein über die eben noch so ernsten Züge des Kaufmanns.

      »Ja, ich habe gehört, Leo Konstantinowitsch. Man erzählt, daß Ihnen eine reizende Villa gebaut sei.«

      »Eben fertig,« warf der Russe sehr befriedigt ein.

      »Nun gut, nehmen Sie meinen Glückwunsch. Es fehlt nichts hinein als eine junge Frau.«

      Der Russe fuchtelte wieder mit den Händen und ließ die Sporen klirren.

      »Oh, fehlt nicht, fehlt nicht, pas du tout, man weiß sich zu behelfen. Und davon gerade, Rudolf Bark, sollen Sie sich überzeugen. Ich bitte serr, ich bitte inständigst.«

      »Sie meinen doch nicht –?«

      »Ja, meine ich, ein kleines Fest. Eine Einweihung, intim, serr vornehm. Und wenn Sie mich machen wollen glücklich, dann legen auch ein gutes Wort ein bei die schönen Damen von Maritzken, die ich neulich so bevorzugt war, bei Ihnen zu treffen. Wunderschöne Damen, namentlich die große, üppige, stolze, mit die königliche Gang, und die schwarze mit den roten Lippen. Es wird werden serr amüsant.«

      So unerwartet traf den Großkaufmann diese letzte Aufforderung, daß er den Elfenbeinfalz hart auf den Tisch fallen ließ und erst einen verlegenen Blick auf das Holzantlitz des Apostels warf, bevor er, sich zusammenraffend, widersprechen konnte:

      »Nein, nein, lieber Rittmeister, dieser Mission fühle ich mich nicht gewachsen. Nehmen Sie es mir nicht übel, aber es kommt mir doch höchst zweifelhaft vor, ob sich die jungen Damen von Maritzken, und namentlich die Älteste, in dem eigentümlichen« – der Konsul zögerte einen Augenblick und suchte nach einem Ausdruck – »na sagen wir Junggesellenmilieu wohlfühlen würden.«

      Der Grenzoffizier jedoch sprang klirrend auf und fegte mit seiner Rechten in sprudelnder Lebhaftigkeit durch die Luft, als müsse er jedes einzelne Wort seines Gegenübers besonders ausstreichen.

      »Kein Junggesellenmilieu,« schrie er, unbekümmert darum, ob seine Worte nicht etwa jenseits der Diele verstanden werden könnten, »Sie täuschen sich, bester Konsul, wir besitzen Takt, savoir vivre. Sie kränken uns, wenn Sie zweifeln daran. Wir sind junges Volk, harmloses Volk, – aber galant gegen Damen.«

      Sicherlich gedachte Leo Konstantinowitsch seine nationale Eigenart noch eingehender zu schildern, aber das leis-ironische Lächeln, das abermals die Lippen seines Zuhörers umspielte, veranlaßte ihn, sich zu unterbrechen, um sich beschwörend die mächtige Faust mitten auf die Brust zu schlagen. Es gab einen dumpfen Widerhall.

      »Diesmal nicht so wie sonst,« brachte er ganz treuherzig hervor, wobei er immerfort das blonde Haupt schüttelte, »Oberst Geschow aus Mariampol mit seiner jungen Frau gibt gleichfalls die Ehre. Und alle jungen Frauen von Kameraden ebenso. Wir werden trinken nur ein Täßchen Tee, essen dazu ganz dünne Kaviarschnittchen, und die Gattin von Zivilgouverneur – Frau Bobscheff, serr fromme Dame – wird sein Patronesse von das Ganze. Sie werden sich einlegen Ehre, Rudolf Bark, mit dieser Einladung bei den jungen Fräulein von Maritzken. Und,« setzte der Russe sehr ernst und nachdrücklich hinzu, »es ist gut, wenn beide Völker freundschaftlich verkehren. Ich sage, es ist gut.«

       Noch hatte der Russe nicht völlig seine Erklärungen geschlossen, als die eisenbeschlagene Eichentür sich geräuschlos in ihren Angeln drehte. Vor dem lauten Gespräch hatten die beiden Männer völlig überhört, daß schon zweimal an das harte Holz gepocht wurde. Jetzt stand unter der Wölbung der Tür eine blaue Hausmeistersuniform mit blanken Messingknöpfen, und das kurz geschorene weiße Haupt des berühmten Pawlowitsch neigte sich zu einer demütigen Verbeugung. Beide Arme ließ der Alte dabei weit gestreckt von sich herunterhängen.

      »Herr Konsuhl,« wisperte eine flehentlich-zerknirschte Stimme, »ich störe.«

      »Schon gut, was gibt's?«

      Der Alte wandte sich halb nach draußen und ließ eine zweite Verbeugung nach der Richtung der Diele hin folgen.

      »Das gnädige Fräulein von Maritzken ist soeben angekommen.«

      »Heilige Mutter,« sprudelte der Russe und ließ vor Erstaunen den breiten Mund mit den tadellosen Zähnen offen.

      Aber auch der Konsul schnellte aus seinem Sessel, und es war sehr merkwürdig, wie er sich bemühte, in aller Eile ein Aschenkörnchen von dem Aufschlag seines eleganten braunen Promenadenanzugs fortzustäuben.

      »Ist es das älteste Fräulein?« warf er rasch hin, und eilfertig schritt er in die Ecke, um selbst die elektrische Leitung aufzudrehen, die die Lichter des schweren lombardischen Kronleuchters an der mittelsten der Wölbungen aufstrahlen ließ. »Ist es die Älteste der Damen?«

      Pawlowitsch zwinkerte ein wenig mit den schwarzen Augen. »Fräulein Johanna« meldete er.

      Der Konsul machte ein paar Schritte bis zur Tür.

      »Stehe sofort zu Diensten.« Er sprach so laut, daß man seine Stimme sicherlich draußen auf dem Flur vernehmen mußte. »Lieber Herr Rittmeister – –,« fuhr er fort, und ohne daß er noch etwas Weiteres zu äußern brauchte, lag in seiner sprechenden Handbewegung das Bedauern, die Konferenz mit dem Offizier leider schließen zu müssen.

      Inzwischen hatte auch Rittmeister Sassin seinen gebogenen Säbel enger an sich gezogen und ergriff nun die breitrandige blaue Mütze. Er schien vollkommen einzusehen, daß er hier überflüssig würde. Ja, in seinen groben, verschwommenen Zügen arbeitete sogar eine starke innere Verlegenheit. Heilige Mutter, diese stolze königliche Deutsche flößte ihm einen Respekt ein, den er sich nicht zu erklären vermochte. Viele der deutschen Weiber besaßen etwas Ähnliches. Nein, zum Teufel, die andere, die Schwarze mit den roten Lippen und der üppigen Lässigkeit war angenehmer, bequemer. Und in seinem kindlichen Verstand stritten sich Zweifel, ob es wirklich möglich sein würde, die Damen von Maritzken zu dem Besuch in der gemütlichen kleinen ›maison‹ jenseits der Grenze zu veranlassen. »Rudolf Bark gestatten, daß holder Dame die Hand küsse. Und nicht wahr, nicht vergessen an meine Bitte! Überlasse alles Ihnen, bester Freund, alles Ihnen!«

      Da öffnete sich die Tür, die hohe, schlanke Frauengestalt in dem cremefarbenen Bastseidenkostüm ragte unter der Wölbung. Die drei Männer aber verbeugten sich gleichzeitig so tief und ehrfürchtig, daß sie vielleicht gelächelt haben würden, wenn sie ihre gesenkten Häupter selbst hätten beobachten können. Dann reichte der Konsul seinem neuen Gast höflich die Hand, wobei er es jedoch vermied, die schlanken Fingerspitzen an seine Lippen zu führen. Das hatte sich das Landmädchen ein für allemal verbeten. Darauf eine kurze Wendung gegen den russischen Offizier, ein vergebliches Bemühen des Rittmeisters, seine Huldigung auf den weißen Handschuh der Dame zu hauchen und die verabschiedende Beteuerung des Russen, daß sein bester Freund Rudolf Bark holden Dame ein großes Geheimnis mitzuteilen habe. Eine Bitte, ein fußfälliges Flehen, deren Erfüllung armen Leo Konstantinowitsch in einen Taumel des Entzückens versetzen würde.

      »Guten Morgen, Rudolf Bark, alle Nothelfer behüten Sie – Gnädigste, der Himmel nehme Sie in seinen Schutz.«

      Die silbernen Sporen klirrten zusammen, der Säbel rasselte, und die wuchtige Gestalt des Grenzoffiziers schritt tönend über die grünen Marmorstufen.

      Die beiden anderen blieben allein.

      »Liebes Fräulein Johanna, nehmen Sie Platz,« forderte der Konsul auf, indem er sehr diensteifrig einen neuen Ledersessel an den Schreibtisch schob. Und nachdem die Älteste von Maritzken sich wortlos niedergelassen, blieb er geneigt vor ihr stehen, um von neuem zu bitten: »Wollen Sie nicht, lieber Hans, den Schleier ein wenig zurückschlagen? Damit ich erkennen kann, ob Sie etwas Gutes, oder, was ich nicht hoffen will, etwas Schlimmes zu mir führt? Denn leider wird ja der Goldene Becher fast ausschließlich