Julius Stinde
Hôtel Buchholz: Ausstellungs-Erlebnisse der Frau Wilhelmine Buchholz
Veröffentlicht im Good Press Verlag, 2021
EAN 4064066112479
Inhaltsverzeichnis
Ueber Architektur und einiges Andere.
Auswärtige und innere Angelegenheiten.
Große Erwartungen.
Ich ging lange mit mir zu Rath. Sollte ich oder sollte ich nicht? Aber es war zu verlockend, der Antrag, für die offiziellen Ausstellungsnachrichten auf mittlere Familien berechnete Berichte aus meiner Feder abzulassen über das große Unternehmen im Osten Berlins, die Gewerbeausstellung. Endlich, um sicher zu gehen, überlegte ich dies Anerbieten mit meinem Mann, der ging auch nun längere Weile mit sich zu Rath und sagte:
»Wilhelmine, ich fürchte, die Arbeit wird zu anstrengend für Dich, Du mußt doch Studien machen, und wenn's regnet...«
»Dann gehe ich in die Baulichkeiten. Karl, es ist ja eine ganze Stadt im Treptower Park entstanden, so daß die Ausstellung in Inneres und Aeußeres, sowie in Altes, Neuestes und Fremdländisches zerfällt. Und daran hängend der Vergnügungstheil und zwischendurch Erfrischungsanstalten. Wo ist da Arbeit?«
»Das Betrachten und genaue Ansehen greift an.«
»In einem weg besehen, darin gebe ich Dir Beifall. — Aber es ist von einer wissenschaftlichen Commission genau abgezirkelt, wohin immer Getränkunternehmen zu legen waren, den Nerven Beruhigungspunkte zu bieten, und die sind auf den Zentimeter genau von beeidigten Landmessern ausgerechnet.«
»Wer hat Dir das erzählt, Wilhelmine?«
»Karl, nichts beleidigt mehr als unangebrachter Unglaube. Wenn die Krausen Dir etwas beschwört, ist es allerdings Deine Pflicht, mit dem Gegentheil zu dividiren, und was dann herauskommt, damit sei auch noch vorsichtig, es weiter zu verbreiten. Uebrigens brauchst Du ja nur hinauszugehen und nachzumessen.«
»Wilhelmine, ich bitte Dich, schreibe nicht,« bat mein Karl mit Nachdruck. »Wenn Du treuherzig bringst, was Hinz und Kunz Dir aufbinden, fällst Du mit Glanz hinein.«
»Karl,« entgegnete ich, »Du redest wie das blinde Huhn von Anilin. Herr Kriehberg ist nicht Hinz und Kunz.«
»Was ist das für 'n Fremdling?«
»Er ist ein höchst talentbegabter Architekt, dessen Bekanntschaft ich auf dem Ausstellungsgelände machte, als ich mir das Ganze vorläufig darauf ansah, ob es sich zum Ausschlachten für mich eignete. Gerade so wie draußen in Treptow denke ich mir die Schöpfung beim Beginn: noch keine Wege, keine Schutzleute zu fragen, wo's lang geht, kein gedruckter Führer, Alles wüst durcheinander, so zu sagen: erst in der sich gestaltenden Idee.«
»Hübscher Ausdruck, sich gestaltende Idee,« sagte mein Karl mit verdächtiger Anerkennung. »Hast Du den aus Dir selbst?«
»Nein, von Herrn Kriehberg. Der war nämlich so liebenswürdig, als ich mich verlaufen hatte, sich meiner anzunehmen und mir nützliche Winke zu geben, weil man sich mit dem bloßen Augenmaße zurechtfinden mußte und dabei immer in die entgegengesetzten Anlagen gerieth. Er wußte von Allem Bescheid, was er als geaichter Architekt ja auch muß, und später, wenn ich über die Baulichkeiten schreibe, hat er mir versprochen, das Technische von den Stilarten zu liefern.«
»Das kann ja recht heiter werden.«
»Karl, er ist ein hochbedeutender junger Mann. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte die Ausstellung eine ganz andere Physiognomie gewonnen, mehr an das zwanzigste Jahrhundert tippend. Aber sie hörten nicht auf ihn und deshalb hat Manches nicht seine unbedingte Billigung. Es ist ihm schon oft so ergangen. Weißt Du, es giebt Menschen, die ausgezeichnete Pläne entwerfen und hoch erfinderisch sind, bei der Konkurrenz nachher aber haben sie jedesmal die falsche Katze beim Schwanz.«
»Hm. Und was stellt er jetzt vor?«
»Er ist Inspectorist.«
»Was inspectorirt er denn?«
»So beim Kalchlöschen und was sonst beim Bauen verknippert ist. Ohne ihn würde das Meiste falsch ausfallen oder doch sehr aus dem Loth.«
»Auch nicht bitter. Wilhelmine, wenn Du besser nicht schriebest...«
Ich warf meinem Karl einen