Bis Daß der Tod uns Scheidet
Barbara Cartland
Barbara Cartland E-Books Ltd.
Vorliegende Ausgabe ©2018
Copyright Cartland Promotions 1985
Gestaltung M-Y Books
1 ~ 1818
»Es - tut mir leid«, sagte Lady Burnham tonlos.
Der Marquis von Stowe antwortete nicht, sondern blickte starr nach vorn, ohne die hohen bunten Glasfenster oder die prachtvollen Altarbilder wahrzunehmen. Er sah nur den Skandal und die Demütigungen, denen sie ausgesetzt sein würden, und ihm graute davor, sich damit auseinandersetzen zu müssen.
Wie hatte er nur so töricht, so verblendet sein können! Er hätte sich doch denken können, daß Lord Burnham, der aus seiner Abneigung gegen ihn nie einen Hehl gemacht hatte, eine solche Gelegenheit zur Rache genüßlich aufgreifen würde.
Sie gehörten beide demselben Klub an und pflegten geistvolle Bosheiten und versteckte Beleidigungen auszutauschen, wann immer sie sich begegneten. Auf dem Rennplatz versuchten sie sich mit ihren Rennpferden gegenseitig auszustechen. Und so hatte es den Marquis kösthch amüsiert, mit Lord Burnhams Gattin eine affaire de coeur zu haben, Seine Lordschaft hingegen hatte damit eine Waffe gegen ihn in der Hand, die er ohne Zögern einsetzen würde.
»Ich - weiß nicht, wie es geschehen konnte, daß er uns beobachten ließ, ohne daß wir etwas bemerkten«, sagte Leone Burnham mit tränenerstickter Stimme.
Sie war so schön und so rührend hilflos in ihrem Kummer. Zu jedem anderen Zeitpunkt und an jedem anderen Ort hätte sie den Beschützerinstinkt ihres Kavaliers geweckt und den Wunsch, sie zu trösten.
Doch die Lippen des Marquis waren fest zusammengepreßt; er starrte weiter mit vorgerecktem Kinn ins Leere und schwieg.
»Ich habe die ganze Nacht wach gelegen und gegrübelt, wer Georges Informant sein könnte«, fuhr Lady Burnham fort. »Ich habe immer geglaubt, die Dienerschaft sei mir treuer ergeben als ihm.«
Der Marquis sagte noch immer nichts.
»Vermutlich hat er jemand beauftragt, uns zu beschatten, aber das hätten wir doch bemerken müssen! Vielleicht war es auch einer deiner Bediensteten?«
Der Marquis hielt das für eine einleuchtende Erklärung, zumal es selbst in der loyalsten Dienerschaft immer jemand gab, der sich bestechen ließ, wenn die Summe hoch genug war.
»Was will dein Mann unternehmen?« fragte er mit belegter Stimme.
Er glaubte seinen Augen nicht zu trauen, als er am frühen Morgen die Nachricht erhalten hatte.
»Etwas Entsetzliches ist geschehen. Ich muß Dich sofort sprechen! Komm in einer Stunde in die Grosvenor Kapelle!«
Zunächst hatte er das Ganze für einen Scherz gehalten, doch dann hatte er Leones Handschrift erkannt und von seinem Kammerdiener erfahren, daß der Brief von einer Frau mittleren Alters überbracht worden sei, die schon öfter solche Botengänge erledigt hatte.
Der Marquis wußte sofort, es handelte sich um Lady Burnhams Zofe, die das volle Vertrauen ihrer Herrin besaß und als einzige darüber informiert war, wann und wie oft sie sich zu einem Stelldichein getroffen hatten.
Um rechtzeitig bei der Grosvenor Kapelle zu sein, mußte der Marquis auf seinen morgendlichen Ausritt durch den Park verzichten. Doch er war unverzüglich Lady Burnhams Aufforderung gefolgt und hatte sich ziemlich beunruhigt zur Kapelle begeben. Diese befand sich in der Audley Street in unmittelbarer Nähe des vornehmen Stadthauses, das die Burnhams in der Park Street bewohnten. Dadurch hatte Lady Burnham die Möglichkeit, die kleine Kirche ohne Begleitung eines Dieners zu besuchen.
Der Marquis sah sich in der Kapelle um. Ob nicht doch alles nur ein übler Scherz war? Aber da sah er sie schon in einer dunklen Nische sitzen, unauffällig gekleidet, schemenhaft und unwirklich.
Als er auf sie zuging, erkannte er am Ausdruck ihrer Augen, daß Schreckliches passiert sein mußte. Bevor sie etwas sagte, ahnte er bereits, worum es sich handelte. Da er jedoch das Gefühl hatte, sich an jeden Strohhalm klammern zu müssen, der sie beide vor der Katastrophe bewahren könnte, ließ er sich von ihr den genauen Hergang schildern.
»Ich sah George sofort an, daß er übelgelaunt war«, begann Lady Burnham. »Das ist bei ihm keine Seltenheit, auch nicht, daß er mir keinen Begrüßungskuß gibt. Aber sein Blick verriet mir, daß es diesmal besonders schlimm sein mußte.«
Sie schluchzte unterdrückt und wischte sich eine Träne von der Wange, dann fuhr sie fort: »Er lehnte mit dem Rücken am Kaminsims und sagte: ,Endlich habe ich euch erwischt, und du kannst diesem aufgeblasenen Mistkerl mitteilen, daß ich die Sache vors Parlament bringen werde!‘«
Einen Augenblick trat Stille ein, dann fügte sie verstört hinzu: »Ich glaube, ich habe geschrien. Dann habe ich ihn gefragt, wovon er eigentlich rede.
,Du weißt verdammt genau, worauf ich anspiele‘, hat George erwidert. ,Und wenn du glaubst, mir mit einem Kerl, den ich wie die Pest hasse, Hörner aufsetzen zu können, dann täuschst du dich gewaltig! Ich lasse mich von dir scheiden, Leone, und gebe ihn als Scheidungsgrund an!‘ «
Der Marquis sagte kein Wort. Regungslos, wie versteinert saß er neben ihr.
Als Lady Burnham in ihr Taschentuch schluchzte und offenbar nichts mehr zu sagen hatte, fragte er sie: »Du hast seine Beschuldigungen natürlich zurückgewiesen?«
»Natürlich habe ich das«, entgegnete sie. »Ich habe George für verrückt erklärt, mir so etwas zuzutrauen, aber er hörte gar nicht zu.
,Ich habe unwiderlegbare Beweise‘, behauptete er, ,und es wird weder dir noch Stowe etwas nützen, alles ableugnen zu wollen. ‚«
Wieder trat Stille ein, dann wiederholte sie: »Es tut mir leid, Quintus, es tut mir so schrecklich leid!«
Dem Marquis tat es auch leid um seiner selbst und um Leone Burnhams willen, denn er wußte genau, daß sie nach einer Scheidung von der gesamten vornehmen Gesellschaft des Landes gemieden werden würde. Selbst wenn er sie heiratete, wie es sich für einen Kavalier von Ehre geziemte, würde man ihn vielleicht wieder aufnehmen, sie jedoch unwiderruflich vom gesellschaftlichen Leben ausschließen.
Das war zwar nicht fair, aber die gesellschaftliche Etikette kannte kein Erbarmen, wenn eine Frau sich etwas zuschulden kommen ließ, während einem Mann ein Seitensprung gewöhnlich verziehen wurde.
»Welche Beweise könnte er haben?« fragte er nach einer Weile.
»Er könnte höchstens wissen, wie oft und wo wir uns getroffen haben«, erwiderte Lady Burnham verzweifelt. »Du hast mir nie einen Liebesbrief geschrieben; deine Mitteilungen waren leider immer sehr unpersönlich gehalten. Außerdem habe ich sie sofort nach Erhalt verbrannt.«
»Bist du sicher?«
»Völlig sicher!«
Der Marquis überlegte, daß dies zumindest zu seinen Gunsten sprach; er war nie so töricht gewesen, seine Gefühle schriftlich zum Ausdruck zu bringen. Gleichzeitig aber fiel ihm ein, daß er Leone während der Abwesenheit des Grafen des Öfteren spät in der Nacht durch die Gartentür in Stowe House eingelassen hatte.
Er war immer völlig sicher gewesen, daß niemand sie beobachtet hatte, aber offensichtlich hatte er sich geirrt.
Da es ihm zuwider war, im Ehebett eines anderen eine Frau zu lieben, hatte er Leone niemals in Burnham House besucht.
Wenn sie beide bei Hausgesellschaften eingeladen waren, hatten sie es allerdings so eingerichtet, daß ihre Schlafzimmer dicht beieinander lagen, und häufig hatten sie - um nicht zusammen gesehen zu werden - in privaten Klubräumen gemeinsam zu Abend gegessen.
Leone hatte stets einen Schleier getragen, und sie hatten das Haus durch einen Seiteneingang betreten. Es war ein ungeschriebenes Gesetz, daß Gäste,