Gedichte
Gesammelte Gedichte
Die deutsche Muse
Kein Augustisch Alter blühte,
Keines Medicäers Güte
Lächelte der deutschen Kunst;
Sie ward nicht gepflegt vom Ruhme,
Sie entfaltete die Blume
Nicht am Strahl der Fürstengunst.
Von dem größten deutschen Sohne,
Von des großen Friedrich Throne
Ging sie schutzlos, ungeehrt.
Rühmend darf's der Deutsche sagen,
Höher darf das Herz ihm schlagen:
Selbst erschuf er sich den Werth.
Darum steigt in höherm Bogen,
Darum strömt in vollern Wogen
Deutscher Barden Hochgesang;
Und in eigner Fülle schwellend
Und aus Herzens Tiefe quellend,
Spottet er der Regeln Zwang.
Ritter Toggenburg
»Ritter, treue Schwesterliebe
»Widmet Euch dies Herz;
»Fordert keine andre Liebe,
»Denn es macht mir Schmerz.
»Ruhig mag ich Euch erscheinen,
»Ruhig mag ich sehn;
»Eurer Augen stilles Weinen
»Kann ich nicht verstehn.«
Und er hört's mit stummem Harme,
Reißt sich blutend los,
Preßt sie heftig in die Arme
Schwingt sich auf sein Roß,
Schickt zu seinen Mannen allen
In dem Lande Schweiz;
Nach dem heil'gen Grab zu wallen,
Auf der Brust das Kreuz.
Große Thaten dort geschehen
Durch der Helden Arm;
Ihres Helmes Büsche wehen
In der Feinde Schwarm;
Und des Toggenburgers Name
Schreckt den Muselmann;
Doch das Herz von seinem Grame
Nicht genesen kann.
Und ein Jahr hat er's getragen,
Trägt's nicht länger mehr;
Ruhe kann er nicht erjagen
Und verläßt das Heer;
Sieht ein Schiff an Joppe's Strande,
Das die Segel bläht,
Schiffet heim zum theuren Lande,
Wo ihr Athem weht.
Und an ihres Schlosses Pforte
Klopft der Pilger an;
Ach, und mit dem Donnerworte
Wird ihm aufgethan:
»Die Ihr suchet, trägt den Schleier,
»Ist des Himmels Braut,
»Gestern war des Tages Feier,
»Der sie Gott getraut.«
Da verlässet er auf immer
Seiner Väter Schloß,
Seine Waffen sieht er nimmer,
Noch sein treues Roß;
Von der Toggenburg hernieder
Steigt er unbekannt,
Denn es deckt die edeln Glieder
Härenes Gewand.
Und erbaut sich eine Hütte
Jener Gegend nah,
Wo das Kloster aus der Mitte
Düstrer Linden sah;
Harrend von des Morgens Lichte
Bis zu Abends Schein,
Stille Hoffnung im Gesichte,
Saß er da allein.
Blickte nach dem Kloster drüben,
Blickte stundenlang
Nach dem Fenster seiner Lieben,
Bis das Fenster klang,
Bis die Liebliche sich zeiget,
Bis das theure Bild
Sich ins Thal herunter neigte,
Ruhig, engelmild.
Und dann legt' er froh sich nieder,
Schlief getröstet ein,
Still sich freuend, wenn es wieder
Morgen würde sein.
Und so saß er viele Tage,
Saß viel Jahre lang,
Harrend ohne Schmerz und Klage,
Bis das Fenster klang,
Bis die Liebliche sich zeigte,
Bis das theure Bild
Sich ins Thal herunter neigte,
Ruhig, engelmild.
Und so saß er, eine Leiche,
Eines Morgens da;
Nach dem Fenster noch das bleiche
Stille Antlitz sah.
Shakespeares Schatten
Endlich erblickt' ich auch die hohe Kraft des Herakles,
Seinen Schatten. Er selbst, leider, war nicht mehr zu sehn.
Ringsum schrie, wie Vögelgeschrei, das Geschrei der Tragöden
Und das Hundegebell der Dramaturgen um ihn.
Schauerlich stand das Ungethüm da. Gespannt war der Bogen,
Und der Pfeil auf der Sehn' traf noch beständig das Herz.
»Welche noch kühnere That, Unglücklicher, wagest du jetzo,
Zu den Verstorbenen selbst niederzusteigen ins Grab!« –
Wegen Tiresias' mußt' ich herab, den Seher zu fragen,
Wo ich den alten Kothurn fände, der nicht mehr zu sehn.
»Glauben sie nicht der Natur und den alten Griechen, so holst du
Eine Dramaturgie ihnen vergeblich herauf.« –
O, die Natur, die zeigt auf unsern Bühnen sich wieder,
Splitternackend, daß man jegliche Rippe ihr zählt.
»Wie? So ist wirklich bei euch der alte Kothurnus zu sehen,
Den zu holen ich selbst stieg in des Tartarus Nacht?« –
Nichts mehr von diesem tragischen Spuk. Kaum einmal im Jahre
Geht dein geharnischter Geist über die Bretter hinweg.
»Auch