Die wichtigsten Werke von Oskar Meding. Oskar Meding. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Oskar Meding
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237470
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und das deutsche und europäische Gleichgewicht störende Veränderung ihres Besitzstandes und ihrer Souveränetät. Eure Majestät können eine Scheidung des deutschen Bundes in eine norddeutsche und eine süddeutsche Gruppe, — die erste unter preußischer, die zweite unter österreichischer Führung gestatten, jede weitere Veränderung aber verbieten. — Dieß ist der Weg,« fügte der Minister hinzu, »welchen ich Eurer Majestät einzuschlagen rathen würde.«

      Der Kaiser bog sich sinnend zusammen.

      »Und wenn Preußen diesen Vorschlag — oder diesen Schiedsspruch nicht annimmt?« fragte er.

      »Dann müßten Eure Majestät an den Rhein marschiren und dem Beispiel des Brennus folgen,« sagte Drouyn de Lhuys.

      »Was würde ich gewinnen?« fragte der Kaiser. »Würde dieß zweigetheilte Deutschland nicht stets bereit sein, sich gegen Frankreich zu einigen, vielleicht stärker organisirt in seinen zwei Hälften, als es jemals im alten deutschen Bunde gewesen? — Und der andere Weg?« — fragte er dann.

      »Wenn Eure Majestät nicht wollen, was ich so eben vorgeschlagen,« sagte Drouyn de Lhuys, — »dann muß nach meiner Ueberzeugung Frankreich thun, Deutschland gegenüber, was es Italien gegenüber gethan hat, — es muß den Ereignissen ihren Lauf lassen, die ganze oder theilweise nationale Einigung unter Preußen sich vollziehen, die territorialen Vergrößerungen Preußens geschehen lassen — und seinerseits — Kompensationen fordern.«

      Die Augen des Kaisers leuchteten auf.

      »Und welche Kompensationen würden Sie fordern ? « fragte er.

      »Benedetti behauptet,« sagte Drouyn de Lhuys, »daß in Berlin große Geneigtheit bestände, uns die Erwerbung Belgiens zuzugestehen.« —

      Der Kaiser nickte zustimmend.

      »Ich würde,« fuhr der Minister fort, »für eine Politik in dieser Richtung nicht stimmen — wir würden dadurch an militärischen Positionen wenig gewinnen und uns große Verwickelungen mit England aufbürden.«

      Der Kaiser zuckle leicht die Achseln.

      »Aber Belgien ist französisch,« sagte er.

      »Sire,« erwiederte Drouyn de Lhuys, — »mit demselben Recht ist der Elsaß deutsch!«

      »Ah bah!« machte der Kaiser wie unwillkürlich, — »doch,« sagte er, »wo würden Sie Ihre Kompensationen suchen?«

      »Sire,« erwiederte Drouyn de Lhuys, »wenn Deutschland sich in militärischer und politischer Einigung unter Preußens Führung konstituirt, so ist es in seiner neuen Macht eine ernste Drohung gegen Frankreich, eine Gefahr für unsere Macht, ja für unsere Sicherheit. — Wir müssen also unsererseits Garantieen gegen eine aggressive Politik des neukonstituirten Deutschlands verlangen. — Zunächst,« fuhr er fort, als der Kaiser schwieg, — »müssen wir, — und das ist in der That eine billige und mäßige Forderung, die Herstellung der französischen Grenzen in denjenigen Linien verlangen, wie sie der wiener Kongreß im Jahre 1814 gezogen.«

      Der Kaiser neigte lebhaft das Haupt.

      »Dann, Sire,« fuhr Drouyn de Lhuys fort, indem er sein klares Auge fest auf den Kaiser richtete, »müssen wir Luxemburg und Mainz haben.«

      »Das ist viel!« sagte der Kaiser ohne aufzublicken.

      »Aber gewiß nicht zu viel!« erwiederte Drouyn de Lhuys. — »Luxemburg ist außerdem nur eine Frage zwischen uns und Holland und bedarf nur der stillschweigenden preußischen Zustimmung, — Mainz — nun — man kann darüber transigiren, jedenfalls ist es besser, mehr zu fordern, als man unbedingt haben will. — Das ist meine Ansicht über die Kompensationen,« sagte er nach einem kurzen Stillschweigen.

      »Und sie ist die meinige!« sprach der Kaiser, sich erhebend — und mit seinem langsamen, in den Hüften wiegenden Gang machte er einige Schritte im Zimmer.

      Dann blieb er vor Drouyn de Lhuys stehen, der sich ebenfalls erhoben hatte, und sprach:

      »Ich bedaure, mein lieber Minister, daß ich mich nicht entschließen kann, den ersten der von Ihnen bezeichneten Wege zu gehen, — obgleich derselbe Ihnen der richtigste scheint.«

      »Ich habe die beiden Wege als vorgezeichnete Alternative hingestellt, Sire,« sagte Drouyn de Lhuys sich verneigend, »und — obwohl ich den ersteren vorziehen würde — doch dem zweiten die vollste Berechtigung zuerkannt!«

      »Gehen wir also den zweiten,« sagte der Kaiser, »lassen wir Herrn von Bismarck Deutschland so gut er kann einigen, und stärken wir die Macht Frankreichs so sehr wir es vermögen. Schreiben Sie also sogleich an Benedetti, daß er sich in das preußische Hauptquartier begebe und zunächst einfach einen Waffenstillstand vermitteln solle — damit nur erst einmal diese Kanonen schweigen und Raum für eine ruhige Verhandlung wird. Dann soll er in vertraulicher Unterredung mit Herrn von Bismarck die Kompensationsfrage anregen und Luxemburg und Mainz dabei erwähnen.«

      Drouyn de Lhuys verneigte sich.

      »Aber ohne sich zu sehr zu engagiren — ohne irgend ein Ultimatum zu stellen, — ich will die Hand frei behalten« — fuhr der Kaiser lebhaft fort. —

      »Unsere Interessen können nur gewahrt werden, Sire,« sagte Drouyn de Lhuys, »wenn unsere Sprache fest und unsere Haltung entschlossen ist —«

      »Das soll sie auch sein,« rief der Kaiser, — »aber man muß doch nicht mit dem Ultimatum anfangen. Lassen Sie Benedetti sondiren und schleunigst berichten, wie seine Aeußerungen ausgenommen sind!«

      »Und was wollen Eure Majestät Oesterreich sagen?« fragte Drouyn de Lhuys.

      »Daß wir uns die größte Mühe geben würden, den Frieden so günstig als möglich zu vermitteln, und daß der Territorialbestand und die europäische Stellung Oesterreichs gewahrt werden solle. Man muß,« fügte er hinzu, »in Wien rathen, für alle Fälle die Maßregeln zum ferneren Widerstand auf dem militärischen Gebiet fortzusetzen, — wer weiß — es kann da immer noch eine Wendung eintreten und jedenfalls kann eine feste Haltung Oesterreichs und die Vermehrung der Schwierigkeiten, welche Preußen nach jener Seite noch findet, uns nur vortheilhaft sein.«

      »Ich bin ganz der Meinung Eurer Majestät und werde sogleich in diesem Sinne an den Herzog von Gramont schreiben. — Nun aber,« fuhr er fort, »muß ich Eurer Majestät noch mittheilen, daß soeben Herr von Beust angekommen ist und um eine Audienz bittet.«

      »Herr von Beust, der sächsische Minister?« fragte der Kaiser erstaunt.

      »Er ist in Paris seit heute Morgen und war bei mir, ehe ich hierher kam,« sagte Drouyn de Lhuys.

      »Und was will er?« fragte der Kaiser.

      »Eurer Majestät Schutz für Sachsen anrufen.«

      »Ich will ihn sogleich sehen,« sagte Napoleon nach kurzem Nachdenken — »aber ohne Ceremoniell!«

      »Das wünscht auch Herr von Beust, Majestät!«

      »Bitten Sie ihn, sich durch den Oberst Favé, der den Dienst hat, melden zu lassen, — ich werde den Obersten instruiren, daß er ihn ohne Aufsehen hierher führt.«

      »Sehr wohl, Sire, — ich erwarte heute oder morgen den Prinzen Reuß, welchen der König von Preußen mit einem Briefe an Eure Majestät vom Hauptquartier zu Pardubitz abgesendet hat.«

      »Von wo?« fragte der Kaiser.

      »Von Pardubitz, Sire,« wiederholte Drouyn de Lhuys mit langsamer Betonung.

      »Welche Namen!« rief Napoleon, — »und wissen Sie, was er bringt?«

      »Die Grundzüge des Friedens,« sagte Drouyn de Lhuys, »ohne deren vorgängige Genehmigung der König keinen Waffenstillstand schließen will. So sagte mir Graf Goltz, der durch ein Telegramm von der Absendung des Prinzen avertirt ist.«

      »Und waren dem Grafen Goltz jene Grundzüge bekannt?« fragte der Kaiser weiter.

      »Nach seiner vorläufigen und allgemeinen