Die wichtigsten Werke von Oskar Meding. Oskar Meding. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Oskar Meding
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237470
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Fürst Metternich,« sagte er, »ist zu sehr grand seigneur, um sich darum zu kümmern und von dem Olymp herabzusteigen zu den allerdings dunkeln und trüben Regionen des Journalismus, für welche man in Oesterreich überhaupt noch eine souveräne Verachtung hat.«

      »Ja, ja,« sagte der Kaiser nachdenkend, — »diese legitime Diplomatie lebt und webt auf ihren olympischen Höhen, ohne sich zu kümmern um das, was da unten vorgeht im irdischen Staub, — und doch wird sie da unten gemacht, diese öffentliche Meinung, diese unfaßbare Macht mit der Proteusgestalt, welche die Fäden zieht an dem verhängnißvollen Webestuhl des ewigen Fatums, jener dunkeln Gewalt, deren Richterspruch die stolzen Götter des Olymps in den Tartarus schleudert!«

      »Uebrigens,« sagte Pietri lächelnd, »wird doch etwas österreichische öffentliche Meinung gemacht — in sehr langen, sehr vornehmen und diplomatischen Artikeln plaidirt das Mémorial diplomatique —«

      »Debraux de Saldapenha?« fragte der Kaiser lächelnd.

      »Zu Befehl, Majestät!«

      »Uebrigens,« sagte Napoleon, indem er die herabgefallene Cigarrenasche von seinem Beinkleide stäubte, »kann doch ein kleines Gegengewicht nicht schaden, — lassen Sie,« fuhr er fort, »einige Artikel hie und da erscheinen, welche auf die Nothwendigkeit aufmerksam machen, die Stellung Oesterreichs in Europa nicht schwächen und zu sehr herabdrücken zu lassen. — Hören Sie wohl — in Europa — von Deutschland darf keine Rede sein, — und die Artikel müssen in ihrer ganzen Art und Weise den Stempel offiziösen österreichischen Ursprungs tragen — der Journalismus selbst muß glauben, daß sie dorther kommen. — Sie wissen das zu machen?«

      »Vollkommen, Sire,« erwiederte Pietri.

      »Da hat mir Laguerronière,« fuhr der Kaiser fort, »von einem sehr geschickten kleinen Journalisten gesprochen — Escudier— er hat Relationen in Oesterreich, — verwenden Sie ihn dazu, — überhaupt,« fuhr er fort, »müssen wir unser journalistisches Kontingent verstärken, — unsere Cadres haben sich gelichtet — und wir werden eine Campagne machen müssen. Denken Sie darüber nach!«

      Pietri verneigte sich.

      Der Kammerdiener meldete: »Seine Excellenz Herr Drouyn de Lhuys.«

      Der Kaiser neigte den Kopf, — warf nach einem letzten Zug seine Cigarre fort und sagte zu seinem Sekretär: »Bleiben Sie in der Nähe — ich werde Ihrer noch bedürfen.«

      Pietri entfernte sich durch die große schwere Portière, welche zu der nach seinem Zimmer herabsteigenden Treppe führte.

      Kaum hatten sich die Falten des Vorhangs hinter ihm geschlossen, so trat Herr Drouyn de Lhuys in das Zimmer des Kaisers, ernst und ruhig wie immer, sein Portefeuille unter dem Arm.

      »Guten Morgen, mein lieber Minister,« rief Napoleon III., langsam aufstehend und ihm die Hand reichend, — »nun, sind Sie zufrieden mit dem Gang der Dinge und der Stellung, welche uns die Politik des Abwartens geschaffen hat?«

      »Nicht zu sehr, Sire,« erwiederte Drouyn de Lhuys ernst und ruhig.

      Eine Wolke flog über die Stirn des Kaisers. Dann sagte er mit freundlichem Lächeln:

      »Sie sind der unverbesserliche Pessimist, mein lieber Minister, — was können Sie denn noch mehr verlangen, — sind wir nicht in diesem Augenblick der Schiedsrichter von Europa?«

      »Ein Schiedsrichter, Sire,« sagte Drouyn de Lhuys unerschütterlich, »der noch nicht weiß, ob die Parteien seinen Spruch acceptiren. Der beste Schiedsrichter ist der, der sein Schwert in die Wagschale wirft, und Brennus, der Ahnherr der Gallier, hat uns dazu das Vorbild gegeben!«

      »Fast müßte ich glauben, den feurigsten meiner Marschälle zu hören und nicht meinen Staatssekretär der auswärtigen Angelegenheiten,« sagte der Kaiser lächelnd, — »doch,« fuhr er fort, »ernsthaft gesprochen, — warum sind Sie nicht zufrieden, — ich weiß wohl, daß wir uns da vor einer Reihe schwieriger und verwickelter Negoziationen befinden, aber —« sagte er verbindlich, »sollte Sie das erschrecken, den vielgewandten Staatsmann, der für alle solche Labyrinthe den Faden der Ariadne zu finden weiß? — Ich glaube« — und er rieb sich vergnügt die Hände — »daß wir gewonnenes Spiel haben, sobald wir die Dinge nur auf das Feld langer Negoziationen bringen können. Was ich am meisten fürchte, das sind die plötzlich daherstürzenden Ereignisse. Sie schließen die Logik, die Kombination, die Waffen des Geistes aus.«

      Drouyn de Lhuys schwieg einen Augenblick und ließ sein Auge ruhig auf dem lebhafter als sonst bewegten Gesicht des Kaisers ruhen.

      »Ich weiß,« sagte er dann, »daß Eure Majestät es lieben, gordische Knoten zu schürzen, — aber Sie vergessen, daß wir es hier mit einem Manne zu thun haben, der sehr geneigt ist, solche künstlichen Gewebe mit dem Schwerte zu durchhauen, und — der ein sehr scharfes Schwert in der Hand hat!«

      »Aber mein lieber Minister,« sagte der Kaiser — »Sie werden doch nicht wollen, daß ich in diesem Augenblick, — wo meine Vermittlung acceptirt ist, mit dem Degen in der Hand zwischen die Parteien treten soll?«

      »Nicht in der Hand, Majestät,« erwiederte Drouyn de Lhuys, — »aber jedenfalls mit einem scharfen Schwert an der Seite! — Sire,« fuhr er fort, »der Augenblick ist ernst, die französische Vermittlung kann keine platonische sein, — Eure Majestät müssen sich klar machen, was Sie durch Ihre Intervention erreichen wollen.«

      »Zunächst jedenfalls, daß dieser unangenehme Lärm der Kanonen in Deutschland aufhört, — der alle ruhige und vernünftige Diplomatie unmöglich macht. Cedant arma togae! — Und dann — doch was ist Ihre Meinung über die Lage und das, was wir thun sollen?« unterbrach er sich, indem seine halbgeschlossenen Augen sich öffneten und der volle Blick seiner phosphorisch leuchtenden Pupille auf den Minister fiel.

      Und er setzte sich, indem er mit der Hand Drouyn de Lhuys einen Fauteuil bezeichnete.

      »Sire,« sagte dieser, indem er sich niederließ — »Eure Majestät müssen sich klar machen, was Sie den bereits vollzogenen Ereignissen in Deutschland gegenüber thun wollen. Zwei Wege sind möglich, und ich werde mir erlauben, sie vor Eurer Majestät zu analysiren. — Nach den Mittheilungen Benedetti's, nach den Andeutungen des Grafen Goltz ist es zweifellos, daß Preußen den ungeheuren Erfolg seiner Waffen, bei welchem — man muß es anerkennen — die Monarchie der Hohenzollern viel — vielleicht ihre Existenz — eingesetzt hat, vollständig ausnützen will.« —

      Der Kaiser nickte zustimmend.

      »Nach meinen Informationen und meiner Ueberzeugung von dem Charakter des Grafen Bismarck wird man nicht nur die Ausschließung Oesterreichs aus den deutschen Angelegenheiten, nicht nur die preußische Führung in Deutschland, wenigstens bis zum Main, verlangen, — man wird auch eine territoriale Vergrößerung beanspruchen, man wird Hannover, Hessen und Sachsen annektiren wollen.«

      Der Kaiser richtete den Kopf in die Höhe.

      »Hessen,« sagte er, — »das berührt mich nicht, — Hannover, — ich habe Achtung vor dem König Georg und wahrhafte Sympathie für ihn, seit ich ihn in Baden-Baden kennen gelernt, — indeß das mag man mit England ausmachen, — Sachsen,« sagte er, leicht mit den Fingerspitzen seinen Schnurrbart drehend, »das ist etwas Anderes, — das berührt die Tradition meines Hauses — doch,« unterbrach er sich, »fahren Sie fort!«

      »Oesterreich,« sagte Drouyn de Lhuys, ruhig seinen Vortrag wieder aufnehmend — »wird diese Forderungen zugestehen müssen, denn es ist außer Stande, den Kampf wieder aufzunehmen und fortzuführen. Die Südarmee rückt zu langsam herauf, und auf Ungarn — alle meine Agenten bestätigen das — kann man sich nicht verlassen, — es wird also nur von dem Entschluß Frankreichs abhängen, ob die preußischen Forderungen gewährt werden oder nicht.«

      Der Kaiser schwieg.

      »Eure Majestät können,« fuhr Drouyn de Lhuys fort, »dieser Lage der Dinge gegenüber zwei Wege einschlagen.«

      Napoleon III. horchte gespannt auf.

      »Einmal,«