Und die zwei jungen Edelleute setzten ihren Weg fort, jeder bewegt von den Gefühlen, die er ausgedrückt hatte.
Es war starke Wache im Louvre; alle Posten schienen verdoppelt. Unsere jungen Leute waren also Anfangs sehr in Verlegenheit. Aber Coconnas, welcher bemerkt hatte, daß der Name des Herzogs von Guise eine Art von Talisman bei den Parisern war, näherte sich einer Wache, berief sich auf diesen allmächtigen Namen und fragte, ob er nicht in den Louvre gelangen könnte.
Dieser Name schien seine gewöhnliche Wirkung auf den Soldaten hervorzubringen. Er fragte jedoch Coconnas, ob er die Parole hatte.
Coconnas war genöthigt, zu gestehen, er wüßte sie nicht.
»Dann geht zurück, Herr,« sagte der Soldat.
Ein Mensch, der mit dem Offizier des Postens plauderte und während seines Plauderns gehört hatte, wie Coconnas in den Louvre eingelassen zu werden verlangte, unterbrach in diesem Augenblick sein Gespräch, kam zu ihm und sagte in dem sonderbarsten Jargon der Welt:
»Was wollt Ihr von Herrn von Guise?«
»Ich will mit ihm sprechen,« antwortete Coconnas lächelnd.
»Unmöglich, der Herzog ist bei dem König.«
»Ich habe aber einen Avisbrief, worin ich beauftragt bin, nach Paris zu kommen.«
»Ah, Ihr habt einen Avisbrief?«
»Ja, und ich komme von sehr ferne her.«
»Ah, Ihr kommt von sehr ferne her?«
»Ich komme von Piemont.«
»Gut, gut, das ist etwas Anderes. Und Ihr heimßt?«
»Graf Annibal von Coconnas.«
»Gut, gut, gebt den Brief, Herr Annibal, gebt ihn.«
»Das ist auf mein Wort ein sehr artiger Mann,« sagte La Mole, mit sich selbst sprechend. »Könnte ich nicht einen ähnlichen finden, der mich zu dem König von Navarra führen würde?«
»Gebt doch den Brief,« fuhr der deutsche Edelmann, die Hand nach dem zögernden Coconnas ausstreckend, fort.
»Mordi!« versetzte der Piemontese mißtrauisch wie ein halber Italiener, »ich weiß nicht, ob ich soll. Ich habe nicht die Ehre, Euch zu kennen, mein Herr.«
Ich bin Pesme und gehöre dem Herzog von Guise.«
»Pesme,« murmelte Coconnas, »ich kenne diesen Namen nicht.«
»Es ist Herr von Besme, gnädiger Herr,« sagte die Wache. »Die Aussprache täuscht Euch. Gebt den Brief dem Herrn; ich stehe gut dafür.«
»Ah, Herr von Besme!« rief Coconnas, »ich glaube wohl, daß ich diesen Namen kenne. Hier ist der Brief mit dem größten Vergnügen. Entschuldigt mein Zögern, aber man muß sich so benehmen, wenn man treu sein will.«
»Gut, gut,« sprach Besme, »es bedarf keiner Entschuldigung.«
»Meiner Treue, Herr,« sagte La Mole, sich ebenfalls nähernd. »wolltet Ihr wohl, da Ihr so höflich seid, meinen Brief übernehmen, wie Ihr es mit dem meines Gefährten gethan habt?«
»Wie heißt Ihr?«
»Graf Lerac de La Mole.«
»Graf Lerac de La Mole?«
»Ja.«
»Ich kenne diesen Namen nicht.«
»Es ist ganz einfach, daß ich Euch nicht bekannt bin, mein Herr, denn ich bin ein Fremder und komme, wie der Graf von Coconnas, von sehr ferne her.«
»Und woher kommt Ihr?«
»Aus der Provence.«
Ebenfalls mit einem Briefe?«
»Ja.«
»Für Herrn von Guise?«
»Nein, für Seine Majestät den König von Navarra.
»Ich gehöre nicht dem König von Navarra,« – sprach von Besme mit plötzlich eintretender Kälte, »ich kann also Euren Brief nicht übernehmen.«
Und La Mole den Rücken zuwendend, ging er in den Louvre und machte Coconnas ein Zeichen, ihm zu folgen.
La Mole blieb allein.
In diesem Augenblicke ritt durch das mit dem Thore, durch welches Coconnas und Besme gegangen waren, parallel liegende Thor eine Truppe von ungefähr hundert Mann heraus.
»Ah! Ah!« sagte die Schildwache zu ihrem Cameraden, »das ist von Mouy mit seinen Hugenotten. Sie strahlen in der That. Der König wird ihnen den Tod des Mörders des Admirals versprochen haben, und da es der Mensch ist, der den Vater von Mouy getödtet hat, so wird der Sohn mit einem Steine zwei Schläge thun.«
»Um Vergebung,« versetzte La Mole, sich an den Soldaten wendend, »habt Ihr nicht gesagt, mein Braver, dieser Officier wäre Herr von Mouy?«
»Ja, mein Herr.«
»Und diejenigen, welche ihn begleiteten, wären …«
»Parpaillots6. Das habe ich gesagt.
»Ich danke,« sagte La Mole, ohne daß es schien, als bemerkte er den verächtlichen Ausdruck, dessen sich die Schildwache bediente, »mehr wollte ich nicht wissen.«
Und sich gegen den Führer der Reitertruppe wendend, sagte er zu diesem:
»Mein Herr, ich erfahre, Ihr seid Herr von Mouy.«
»Ja, mein Herr,« antwortete der Offizier mit höflichem Tone.
»Euer unter den Anhängern der Religion so wohl bekannter Name macht mich so kühn, mich an Euch zu wenden und Euch um einen Dienst zu bitten.«
»Um welchen, mein Herr? Doch vor Allem, mit wem habe ich zu sprechen die Ehre?«
»Mit dem Grafen Lerac de La Mole.«
Die zwei jungen Leute begrüßten sich.
»Ich höre, mein Herr,« sagte Mouy.
»Mein Herr, ich komme von Aix und bin der Ueberbringer eines Briefes von Herrn d’Aunac, dem Gouverneur der Provence. Dieser Brief ist an den König von Navarra gerichtet und enthält wichtige, dringende Nachrichten. Wie kann ich denselben dem König zustellen Wie kann ich in den Louvre gelangen?«
»Nichts leichter, als in den Louvre zu gelangen,« versetzte von Mouy, »nur glaube ich, der König von Navarra wird zu dieser Stunde zu sehr beschäftigt sein, um Euch zu empfangen. Doch gleichviel, wenn Ihr mir folgen wollt, so führe ich Euch bis zu seinem Gemach. Das Uebrige ist Eure Sache.«
»Tausend Dank!«
»Kommt, Herr,« sprach von Mouy.
Von Mouy stieg vom Pferde, warf den Zügel seinem Lakaien zu, ging nach der Pforte, gab sich der Schildwache zu erkennen, führte La Mole in das Schloß und sagte, die Thüre der Wohnung des Königs öffnend:
»Tretet ein, mein Herr, und erkundigt Euch.«
Und sich vor La Mole verbeugend, entfernte er sich.
»Als La Mole allein war, schaute er um sich her. Das Vorzimmer war leer, aber eine von den inneren Thüren offen. Er machte einige Schritte und befand sich in einem Gange. Er klopfte und rief, ohne daß Jemand antwortete. Es herrschte die tiefste Stille in diesem Theile des Louvre.«
»Wer sprach mir denn von einer so strengen Etiquette?« dachte er. »Man kommt und geht in diesem Palast, wie auf einem öffentlichen Platze.«
Und er rief abermals, aber ohne bessern Erfolg, als das erste Mal.
»Gehen wir vorwärts,« dachte er.
Und er schritt durch den Gang, welcher immer finsterer wurde.
Plötzlich öffnete sich eine Thüre, und es erschienen zwei Pagen, welche Fackeln trugen und damit eine Frau von imposanter Gestalt, von majestätischer Haltung und besonders von einer bewunderungswürdigen Schönheit beleuchteten.
Es