Der Ausgang des Kriegs zu Lande und zur See lieferte Stoff zu mehreren lebhaften Debatten. Viele Mitglieder beschwerten sich über die Bevorzugung der Fremden vor den Engländern. Die ganze Schlacht von Steenkerke wurde noch einmal durchgefochten und es fielen harte Aeußerungen über Solms. „Englische Soldaten dürfen nur durch englische Generäle commandirt werden,” war der fast einstimmige Ruf. Seymour, der sich sonst durch seinen Haß gegen die Ausländer ausgezeichnet, der aber, seitdem er sich im Schatzamte befand, seine Ansichten noch einmal erwogen hatte, fragte, wo englische Generäle zu finden seien. „Ich liebe die Ausländer als solche nicht; aber wir haben keine Wahl. Der Mensch wird nicht als General geboren; ja, es kann Jemand ein sehr schätzbarer Hauptmann oder Major und doch der Führung einer Armee nicht gewachsen sein. Nur die Erfahrung bildet große Befehlshaber. Von unseren Landsleuten besitzen sehr wenige diese Erfahrung, und deshalb müssen wir für jetzt Ausländer verwenden.” Lowther sprach hierauf in dem nämlichen Sinne. „Wir haben einen langen Frieden gehabt und in Folge dessen besitzen wir keine genügende Anzahl von Offizieren, die sich zu hohen Commandos eignen. Die Parks und das Lager von Hounslow waren sehr armselige Kriegsschulen im Vergleich zu den Schlachtfeldern und den Schanzwerken, auf denen die großen Commandeurs der festländischen Nationen ihre Kunst erlernt haben.” In Erwiederung auf diese Argumente war ein Redner für die entgegengesetzte Meinung so albern zu erklären, daß er zehn Engländer nennen könne, die, wenn sie in französischen Diensten ständen, zu Marschällen ernannt werden würden. Vier oder fünf Obersten, welche bei Steenkerke gewesen waren, betheiligten sich bei der Debatte. Man sagte von ihnen, daß sie eben so viel Bescheidenheit in ihren Reden zeigten, als sie im Kampfe Muth bewiesen hätten, und selbst nach dem sehr unvollständigen Bericht, der auf uns gekommen ist, scheint dieses Compliment nicht unverdient gewesen zu sein. Sie stimmten nicht in das allgemeine Geschrei gegen die Holländer ein. Sie sprachen sich über die fremden Offiziere im Allgemeinen lobend aus und ließen der Tapferkeit und Haltung, womit Auverquerque die versprengten Ueberreste von Mackay’s Division der anscheinend unvermeidlichen Vernichtung entrissen hatte, volle Gerechtigkeit widerfahren. Zur Vertheidigung Solms’ aber wurde nicht ein Wort gesagt. Seine Strenge, sein übermüthiges Benehmen und vor Allem die Gleichgültigkeit, mit der er zugesehen hatte, wie die von einer großen Uebermacht geworfenen Engländer Mann gegen Mann mit den französischen Haustruppen kämpften, hatten ihn so verhaßt gemacht, daß viele Mitglieder bereit waren für eine Adresse zu stimmen, welche auf seine Entlassung und seine Ersetzung durch Talmash antrüge, der seit Marlborough’s Demission allgemein als der beste Offizier in der Armee anerkannt wurde. Aber Talmash’s Freunde traten sehr taktvoll dazwischen. „Ich hege,” sagte einer von ihnen, „eine hohe Achtung vor diesem Gentleman, und ich bitte Sie dringend, ihm nicht, mit der Absicht ihm eine Aufmerksamkeit zu erzeigen, zu schaden. Bedenken Sie, daß Sie Sich etwas anmaßen, was ganz speciell die Prärogative des Königs ist. Sie wollen Offiziere entlassen und Offiziere anstellen.” Die Debatte endete ohne ein Tadelsvotum gegen Solms. Doch es wurde in nicht sehr parlamentarischer Sprache die Hoffnung ausgedrückt, daß die im Comité gesprochenen Worte dem Könige mitgetheilt werden und daß Se. Majestät den allgemeinen Wunsch der Vertreter seines Volks nicht unberücksichtigt lassen würde.65
Die Gemeinen gingen nun zunächst zur Untersuchung der Marineverwaltung über, und sie kamen sehr bald zu einem Streite mit den Lords über diesen Gegenstand. Daß hier und da Verwaltungssünden vorgekommen waren, lag nur zu klar am Tage. Es war kaum möglich, Russell und Nottingham freizusprechen, und jedes der beiden Häuser nahm sich seines Mitgliedes an. Die Gemeinen hatten bei Eröffnung der Session Russell für sein Benehmen bei La Hogue einstimmig ein Dankvotum bewilligt. Jetzt zogen sie im Großen Ausschusse die verkehrten Maßregeln, welche auf die Schlacht gefolgt waren, in Erwägung. Es wurde ein in so unbestimmte Ausdrücke gefaßter Antrag gestellt, daß man kaum sagen konnte, er bedeute etwas. Er wurde jedoch so verstanden, als enthalte er einen Tadel gegen Nottingham, und dessen Freunde widersetzten sich demselben daher energisch. Bei der Abstimmung ergaben sich hundertfünfundsechzig bejahende und hundertvierundsechzig verneinende Stimmen.66
Sogleich am folgenden Tage appellirte Nottingham an die Lords. Er erzählte seine Geschichte mit der ganzen Geschicklichkeit eines geübten Redners und mit der ganzen Autorität makelloser Rechtschaffenheit. Dann legte er eine große Menge Papiere auf den Tisch des Hauses und ersuchte das Haus, dieselben zu lesen und zu prüfen. Die Peers scheinen diese Papiere auch genau und sorgfältig geprüft zu haben, und das Ergebniß der Untersuchung war für Russell durchaus nicht günstig. Man hielt es indeß für eine Ungerechtigkeit, ihn ungehört zu verurtheilen; nur war es schwer, einen Weg ausfindig zu machen, auf dem Ihre Lordschaften ihn anhören konnten. Endlich beschloß man, die Papiere dem Unterhause zuzuschicken mit einer Botschaft des Inhalts, daß nach der Ansicht des Oberhauses gegen den Admiral etwas vorliege, wegen dessen er zu einer Erklärung aufgefordert werden müsse. Zugleich mit den Papieren wurde ein Auszug ihres Inhalts übergeben.67
Die Botschaft wurde nicht sehr ehrerbietig aufgenommen. Russell besaß zur Zeit eine Popularität, die er wenig verdiente, die uns aber nicht Wunder nehmen kann, wenn wir erwägen, daß das Publikum seine Verräthereien nicht kannte, wohl aber wußte, daß er der einzige lebende Engländer war, der eine große Schlacht gewonnen hatte. Der Schriftführer las den Auszug aus den Papieren vor. Dann sprach Russell unter großem Beifall, und seine Freunde drangen auf sofortige Entscheidung. Sir Christoph Musgrave bemerkte sehr richtig, daß es unmöglich sei, über einen solchen Haufen von Depeschen ein Urtheil zu fällen ohne sie durchgelesen zu haben; aber dieser Einwand wurde verworfen. Die Whigs betrachteten das angeklagte Mitglied als einen der Ihrigen, viele von den Tories waren vom Glanze seines kürzlichen Sieges geblendet, und weder Whigs noch Tories waren geneigt, die geringste Ehrerbietung vor der Autorität der Peers zu zeigen. Das Haus faßte, ohne die Papiere zu lesen, einen einstimmigen Beschluß, der die entschiedene Billigung des ganzen Benehmens Russell’s ausdrückte. Die Stimmung der Versammlung war von der Art, daß einige eifrige Whigs es jetzt wagen zu dürfen glaubten, ein Tadelsvotum gegen Nottingham zu beantragen. Allein der Versuch scheiterte. „Ich bin bereit,” sagte Lowther, und er sprach unzweifelhaft die Gesinnung Vieler aus, – „ich bin bereit jeden Antrag zu unterstützen, der dem Admiral zur Ehre gereicht; aber ich kann mich nicht bei einem Angriffe auf den Staatssekretär betheiligen. Denn meines Wissens haben Ihre Majestäten keinen eifrigeren, fleißigeren und treueren Diener als Mylord Nottingham.” Finch bot seine ganze blühende Beredtsamkeit zur Vertheidigung seines Bruders auf und gab, ohne der vorherrschenden Ansicht direct entgegenzutreten, zu verstehen, daß Russell’s Benehmen nicht fehlerfrei gewesen sei. Das Tadelsvotum gegen Nottingham wurde nicht betrieben; das Votum, welches Russell’s Verhalten für durchaus lobenswerth erklärte, wurde den Lords mitgetheilt, und die Papiere, welche sie den Gemeinen zugesandt hatten, wurden in sehr unceremoniöser Weise zurückgegeben.68 Die schwer gekränkten Lords verlangten eine freie Conferenz. Sie wurde bewilligt, und die Wortführer der beiden Häuser versammelten sich im gemalten Zimmer. Rochester sprach im Namen seiner Collegen den Wunsch aus, die Gründe zu erfahren, auf welche hin der Admiral für vorwurfsfrei erklärt worden sei. Auf diese Aufforderung erwiederten die auf der andren Seite des Tisches stehenden Gentlemen nur, daß sie nicht autorisirt worden seien, eine Erklärung zu geben, daß sie aber Denen, die sie hergeschickt hätten, das Gesagte mittheilen würden.69
Inzwischen waren die Gemeinen der Untersuchung über die Führung des Kriegs herzlich müde geworden.