Dreizehntes Kapitel.
Wilhelm und Marie
Die Revolution in Schottland heftiger als in England
Die Heftigkeit der Revolutionen steht gewöhnlich im Verhältnis mit der Schwere der Regierungssünden, welche sie herbeigeführt haben. Es kann daher nicht Wunder nehmen, daß die Regierung von Schottland, welche seit vielen Jahren despotischer und verderbter gewesen war als die von England, mit einem weit heftigeren Sturze fiel. In England war die Bewegung gegen den letzten König des Hauses Stuart conservativ, in Schottland war sie destructiv. Die Engländer beschwerten sich nicht über das Gesetz, sondern über die Verletzung des Gesetzes; sie erhoben sich gegen den ersten Beamten des Staats lediglich, um die Suprematie des Gesetzes zur Geltung zu bringen, und sie waren zum größten Theil treue Anhänger der durch das Gesetz eingeführten Landeskirche. Selbst bei Anwendung des außergewöhnlichen Heilmittels, zu welchem sie durch eine außergewöhnliche Lage zu greifen gezwungen worden waren, wichen sie so wenig als möglich von den durch das Gesetz vorgeschriebenen ordentlichen Formen ab. Die zu Westminster tagende Convention war, obwohl durch unregelmäßige Ausschreiben einberufen, genau nach dem Muster eines regelmäßigen Parlaments constituirt. Niemand wurde aufgefordert, einen Platz im Oberhause einzunehmen, dessen Berechtigung, darin zu sitzen, nicht klar war. Die Abgeordneten der Grafschaften und Burgflecken wurden durch die nämlichen Wähler gewählt, welche berechtigt gewesen sein würden, die Mitglieder für ein unter dem großen Siegel einberufenes Haus der Gemeinen zu wählen. Die Wahlrechtstitel des Vierzigschilling-Freisassen, des Steuern zahlenden Angesessenen, des Pächters, des Wahlbürgers von London, des Magisters der freien Kräfte in Oxford wurden respectirt. Die Gesinnung der Wahlkörper wurde mit eben so wenig Zwang von Seiten des großen Haufens und mit eben so wenig Arglist von Seiten der Wahlbeamten ausgeforscht, wie bei irgend einer allgemeinen Wahl der damaligen Zeit. Als endlich die Stände zusammentraten, fanden ihre Verhandlungen in vollkommener Freiheit und genau nach den althergebrachten Formen statt. Nach Jakob’s erster Flucht herrschte allerdings in London und in einigen Theilen des platten Landes eine beunruhigende Anarchie. Aber diese Anarchie dauerte nirgends länger als achtundvierzig Stunden. Von dem Tage, an welchem Wilhelm im St. Jamespalast ankam, hatten selbst die unpopulärsten Agenten der gestürzten Regierung, selbst die Diener der römisch-katholischen Kirche, von der Wuth des Pöbels nichts mehr zu fürchten.
In Schottland war der Gang der Ereignisse ganz anders. Dort war das Gesetz selbst ein Gegenstand der Beschwerde und Jakob hatte sich durch ausdrückliche Anwendung desselben vielleicht mehr Unpopularität zugezogen als durch Verletzung desselben. Die gesetzlich eingeführte Landeskirche war die verhaßteste Institution des ganzen Reichs. Die Tribunale hatten einige so empörende Urtheilssprüche gefällt und das Parlament einige so bedrückende Verordnungen erlassen, daß, wenn diese Urtheilssprüche und diese Verordnungen nicht für ungültig erklärt wurden, nicht daran zu denken war, eine Convention zusammenzubringen, welche sich die öffentliche Achtung erzwang und der Ausdruck der öffentlichen Meinung war. Es stand zum Beispiel kaum zu erwarten, daß die Whigs in dieser Zeit ihrer Macht es sich ruhig gefallen lassen würden, ihr erbliches Oberhaupt, den Sohn eines Märtyrers und Enkel eines Märtyrers, von dem Parlamentshause, in welchem neun seiner Vorfahren als Earls von Argyle gesessen hatten, ausgeschlossen zu sehen, ausgeschlossen durch ein richterliches Erkenntniß, über welches das ganze Königreich empört war. Noch weniger ließ sich erwarten, daß sie die Wahl der Vertreter von Grafschaften und Städten den Vorschriften des bestehenden Gesetzes gemäß vornehmen lassen würden. Denn nach dem bestehenden Gesetz konnte kein Wähler seine Stimme abgeben, ohne geschworen zu haben, daß er sich von dem Covenant lossage und in kirchlichen Angelegenheiten das Supremat des Königs anerkenne.1 Einen solchen Eid aber konnte kein strenger Presbyterianer leisten, und wenn derselbe verlangt worden wäre, so würden die Wahlkörper nichts als kleine Gesellschaften von Prälatisten gewesen sein, die Sorge für Sicherheitsmaßregeln gegen Bedrückung wäre den Bedrückern überlassen geblieben, und die große Partei, die an der Durchführung der Revolution den thätigsten Antheil genommen, würde in einer aus der Revolution hervorgegangenen Versammlung nicht einen einzigen Vertreter gehabt haben.2
Wilhelm sah ein, daß er nicht daran denken durfte, den Gesetzen Schottland’s die strenge Achtung zu Theil werden zu lassen, die er kluger- und rechtschaffnerweise den Gesetzen England’s erwiesen hatte. Es war durchaus notwendig, daß er Kraft seiner eignen Autorität bestimmte, wie die Convention, welche in Edinburg zusammentreten sollte, zu wählen sein würde, und daß er sich selbst die Befugniß ertheilte, einige Erkenntnisse und einige Gesetze zu annulliren. In Folge dessen entbot er mehrere Lords in das Parlament, die durch Urtheilssprüche, welche die allgemeine Stimme laut als ungerecht verdammte, ihrer Ehrenstellen beraubt worden waren, und nahm es auf sich, die Verordnung zu ignoriren, welche den Presbyterianern das Wahlrecht entzog.
Wahlen für die Convention
Die Folge davon war, daß die Wahl fast aller Grafschafts- und Burgfleckenvertreter auf Whigcandidaten fiel. Die geschlagene Partei beklagte sich laut über unehrliches Spiel, über die Rohheit des Pöbels und über die Parteilichkeit der präsidirenden Magistratspersonen, und diese Klagen waren in vielen Fällen wohlbegründet. Unter Regenten wie Lauderdale und Dundee lernen die Nationen nicht Gerechtigkeit und Mäßigung.3
Mißhandlung des Episkopalklerus
Das so lange und so streng niedergehaltene Volksgefühl brach übrigens nicht bei den Wahlen allein mit Heftigkeit hervor. Die Köpfe und Hände der Whigmärtyrer wurden von den Thoren Edinburg’s herabgenommen, von zahlreichen Volkshaufen in Procession nach den Gottesäckern getragen und mit feierlicher Ehrfurcht zur Erde bestattet.4 Es hätte noch sein mögen, wenn die öffentliche Begeisterung sich in keiner tadelnswertheren Form geäußert hätte. Leider aber wurde in einem großen Theile Schottland’s der Klerus der Landeskirche gemißhandelt.5 Der Beginn dieses Unwesens war auf den Christmorgen festgesetzt, denn nichts ärgerte die strengen Covenanters mehr als die Ehrfurcht, mit der der Prälatist die alten Feiertage der Kirche heiligte. Daß diese Ehrfurcht bis zum Lächerlichen übertrieben werden kann, ist allerdings wahr. Ein Philosoph wird sich vielleicht zu der Ansicht hinneigen, daß das entgegengesetzte Extrem nicht minder lächerlich sei und wird fragen, warum die Religion den Beistand von Glaubensgesellschaften zurückweisen soll, die es in jeder Nation giebt, welche civilisirt genug ist, um eine Zeitrechnung zu haben, und von denen die Erfahrung gezeigt hat, daß sie eine gewaltige und oft heilsame Wirkung ausüben. Der Puritaner, der im im allgemeinen nur zu bereit war, Präcedenzfällen und Analogien aus der Geschichte und Rechtswissenschaft der Juden zu folgen, würde im Alten Testament ganz eben so triftige Argumente für das Abhalten von Festtagen zu Ehren großer Ereignisse, wie für die Ermordung von Bischöfen und für die Verweigerung des Pardons gegen Gefangene gefunden haben. Von seinem Meister Calvin lernte er gewiß nicht, solche Festtage verabscheuen, denn in Folge der energischen Bemühungen Calvin’s wurde das Weihnachtsfest nach einer mehrjährigen Pause von den Bürgern von Genf wieder gefeiert.6 Allein in Schottland waren Calvinisten ans Licht getreten, die sich zu Calvin verhielten, wie Calvin zu Laud. Diesen starren Fanatikern war ein Feiertag ein Gegenstand des positiven Abscheus und Hasses. Sie fuhren noch lange fort, in ihren feierlichen Manifesten es zu den Sünden zu zählen, welche dereinst ein furchtbares Strafgericht über das Land bringen würden, daß der Court of Session in der letzten Decemberwoche Ferien mache.7
Am Weihnachtstage versammelten sich daher die Covenanters auf Verabredung bewaffnet auf verschiedenen Punkten der westlichen Grafschaften. Jede einzelne Schaar zog dann nach dem nächsten Pfarrhause und plünderte den Keller und die Vorrathskammer des Geistlichen, welche zu dieser Zeit des Jahres wahrscheinlich besser gefüllt waren als sonst. Der Priester Baal’s wurde geschmäht und insultirt, zuweilen geschlagen, andere Male unter Wasser getaucht. Seine Möbeln wurden aus dem Fenster geworfen, seine Frau und seine Kinder aus dem Hause in den Schnee getrieben. Dann wurde er auf den Marktplatz geführt und eine Zeit lang zur Schau ausgestellt, wie ein Missethäter. Sein Priestergewand