Ein Mann Namens Bradford. Alfred Bekker. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Alfred Bekker
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847650300
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gegen die Hutkrempe stieß, wenn er den Kopf drehte.

      An seiner schmuddeligen Wildlederjacke hingen ein paar Orden.

      "Waren Sie mal Soldat?"

      "Was dagegen?"

      Der Alte kniff die Augen etwas zusammen.

      Lawton juckte sich an der Narbe in seinem Gesicht.

      "Nein. Ich frage nur, wegen Ihrer seltsamen Bewaffnung!"

      "Sie stellen 'ne Menge Fragen, Mister! Wie wär's, wenn Sie mal etwas über sich verraten würden?"

      Lawton zuckte mit den Schultern.

      "Nichts dagegen."

      "Was suchen Sie hier in der Gegend?"

      "Ich bin auf der Durchreise."

      "Woher kommen Sie?"

      "Ich bin vor ein paar Wochen in Montana aufgebrochen."

      "Und wohin geht die Reise?"

      "St.Louis."

      Rankine pfiff durch die Zähne.

      "Das ist wahrhaftig kein Katzensprung!"

      "Kommt drauf an, was man gewöhnt ist!"

      Der Alte runzelte die Stirn.

      "Und was wollen Sie in St.Louis?"

      "Einen Freund treffen."

      "Klingt ein bisschen weit hergeholt!"

      Lawton zuckte mit den Schultern.

      "Es ist mir ziemlich gleichgültig, wie das in Ihren Ohren klingt. Es zwingt Sie niemand, mir zu glauben!"

      Rankine lachte heiser.

      "Ja, das ist allerdings richtig."

      "Gibt es hier in der Nähe irgendwo eine Ortschaft? Ich habe etwas die Orientierung verloren..."

      "Wollen Sie Vorräte kaufen?", fragte der Alte zurück, anstatt auf Lawtons Frage zu antworten.

      "Ja."

      "Na ja..."

      "Also gibt es hier nun irgendein verdammtes Nest oder nicht?"

      "Nest...", murmelte Rankine. "Gar keine schlechte Bezeichnung. Stadt wäre ziemlich übertrieben! Ein paar Häuser, die etwas dichter beisammen stehen, mehr nicht."

      "Wie heißt es?"

      "Harlington."

      "Nie gehört."

      "Kein Wunder, Lawton! Wirklich kein Wunder!"

      "Es verirrt sich wohl nicht oft jemand in diese Gegend..."

      Rankine nickte.

      "Stimmt. Und die Menschen sind hier auch nicht gerade für ihre Gastfreundschaft bekannt. Sie sind misstrauisch."

      Lawton zuckte mit den Schultern.

      "Ich habe nicht vor, länger als nötig zu bleiben."

      "Das ist gut so!"

      *

      Es dauerte eine Weile, bis Lawton sein Pferd gesattelt und seine Sachen zusammengepackt hatte. Will Rankine saß währenddessen auf einem glatten Findling, in der einen Hand die Zügel seines mageren Gauls, die andere an der angerosteten Schnalle seines Gürtels und musterte Lawton die ganze Zeit über aufmerksam.

      Muss wirklich nicht viel los sein in dieser Gegend, wenn es so interessant für ihn ist, jemanden dabei zu beobachten, wie er seinen Lagerplatz aufräumt!, überlegte Lawton.

      "Wo haben Sie gekämpft?", fragte er den Alten dann. "Sie haben da ein paar Orden an Ihrer Brust..."

      Will Rankine verzog nur ein wenig das Gesicht, antwortete aber nicht. Es schien, als wollte er die Frage absichtlich überhören.

      Lawton runzelte die Stirn.

      "Wohnen Sie auch in Harlington, Mr. Rankine?"

      "Ich komme manchmal dorthin, und ich kenne ein paar Leute dort."

      Lawton sah ein paar kleinere Felle, die an dem Sattel des Alten befestigt waren.

      "Jäger? Fallensteller?"

      "Ja."

      "Ich wusste gar nicht, dass man davon noch leben kann..."

      "Kann man auch kaum noch!"

      Er ist nicht wirklich feindselig!, erkannte Lawton. Wäre er das, weshalb hätte er mich dann vor der Schlange retten sollen?

      Nein, Rankine war vermutlich ein Mann, der die meiste Zeit des Jahres über allein in der Wildnis lebte. Er war den Umgang mit Menschen kaum gewöhnt, ihre Nähe schien ihm nur schwer erträglich.

      "Ich hoffe, Sie sind bald fertig, Lawton!" Der Alte spuckte zu Boden, wischte sich dann mit dem Ärmel den Mund ab und fluchte lautstark. "Glauben Sie, ich will hier Wurzeln schlagen, verdammt noch mal!"

      Mit besonderer Sorgfalt, die Rankine nicht entging, befestigte Lawton seine Satteltaschen. Dann prüfte er die Verschlüsse.

      "Man könnte denken, da wäre Gold drin, so sorgfältig machen Sie das!" Rankine kniff etwas die Augen zusammen. "Sie sehen mir gar nicht aus wie ein Pedant!"

      Lawton erwiderte nichts, sondern schwang sich stattdessen in den Sattel.

      "Von mir aus kann's losgehen!"

      *

      Harlington war wirklich ein erbärmliches Nest. Ein paar Holzhäuser, ein Drugstore, eine Kirche und ein Saloon, der keinen Namen hatte, da er der einzige weit und breit war und somit die Gefahr einer Verwechslung nicht bestand...

      "Puh!", machte Lawton. "Sagen Sie, was zieht Sie eigentlich immer wieder hier her, Rankine?"

      "Ich habe Freunde hier", erklärte er knapp. Dann runzelte er die Stirn. "Sie sind ein Mann, der verdammt viele Fragen stellt."

      "Ist doch nicht verboten, oder?"

      "Nein, das nicht. Aber frage ich Sie vielleicht, wo Sie sich die Narbe im Gesicht geholt haben?"

      Lawton lachte.

      "Das ist kein Geheimnis! In St.Louis hatte ich mal eine Auseinandersetzung mit einem Mann, der als Messerwerfer in einem Zirkus arbeitete! War 'ne schlimme Wunde!"

      "Sieht auch heute noch nicht gut aus!"

      "Eine Schönheit sind Sie auch nicht gerade!"

      Rankine lachte herzhaft. "Tief in Ihnen muss ein Dandy stecken, sonst würden Sie die Sache nicht so wichtig nehmen!"

      Lawton sah ein paar Männer herumlungern, die ihn misstrauisch betrachteten. Selbst die Tatsache, dass Will Rankine an seiner Seite ritt, ließ ihre Gesichter keineswegs aufhellen.

      "Haben Sie keinen besonders guten Ruf in der Stadt oder blicken die wegen mir so finster drein?"

      "Sie wissen nicht, wer Sie sind, Lawton. Die Leute hier sind nun einmal so." Er schlug sich auf die Schenkel und fuhr fort: "Ich habe ziemlichen Durst! Kommen Sie mit auf einen Drink in den Saloon?"

      "Später vielleicht, Rankine. Sagen Sie, soll das da hinten etwa ein Drugstore sein?"

      "Ziemlich klein, das gebe ich zu. Aber bei Stokes bekommt man alles, was man braucht. Und seine Preise sind fair."

      *

      Sie trennten sich und Lawton lenkte seinen mageren Gaul in Richtung des Drugstores, während Rankine weiter die Straße entlang ritt.

      Als Lawton den Drugstore erreichte, stieg er aus dem Sattel und machte sein Pferd fest. Er nahm seine Satteltaschen vom Rücken des Tieres und hängte sie sich über die Schulter, bevor er durch die offene Tür trat.

      Ein dürrer, hohlwangiger Mann stand hinter dem Tresen und musterte Lawton abwartend.

      "Sie sind Stokes?", fragte Lawton.