Das Buch
Am 19. Januar 1790 wird der Schlächter Geselle Johannes Christian Lenz in Berlin auf der Richtstätte des Königl. Hofgerichts, dem Rabenstein, weit vor dem Oranienburger Tor von unter gerädert und aufs Rad geflochten. Diese drakonische Strafe wurde in Berlin zum vorletzten mal ausgeführt. 50 bis 60 Tausend Menschen sollen nach Augenzeugenberichten der Hinrichtung beigewohnt haben. Die größte bisher beobachtete Menschenmenge bei so einem Ereignis.
Johannes Christion Lenz hatte um die Geisterstunde vom 13. auf den 14. Juni 1789 die schwer mit Geld beladene Stettiner Post auf ihrem Wege von Oranienburgs nach Berlin bei Birkenwerder beraubt und hierzu alle drei Begleiter ohne Gegenwehr ermorden können. Wie konnte das geschehen? - Leo Kaceem wiedererzählt und ergänzt die Geschichte auf der Basis der damaliger Berichterstattung, analysiert die Gerichtsaussagen und rekonstruiert den Weg des Mörders für die acht Wochen, die zwischen Tat und Gefangennahme lagen. Hierzu schlüpft er in die Rolle des ungewöhnlichen Volksschreibers Tlantlaquatlapatli. Er enthüllt nebenbei auch eine mögliche Bedeutung dieses nahezu unaussprechlichen Pseudonyms und lässt im Abschlusskapitel den Volksschreiber mit seiner selbstgeschriebenen Vita zu Wort kommen.
Der Autor
Leo Kaceem, 1944 in Danzig geboren, ist analytischer Chemiker und lebt in Köln und Berlin. „Den Dingen auf den Grund zu gehen“, eine freie Übersetzung der auf Vergil zurückgehende Redewendung: „... rerum cognoscere causas ...“, war sein tägliches Streben im Berufsleben. Nun, im Unruhestand, hat er mit diesem Sachbuch seine Profession auf ein historisches Kapitalverbrechen gelenkt. Sein Erstlingswerk.
Johannes Christian Lenz
Mörder und Straßen-Räuber
leo kaceem
Johannes Christian Lenz
Leo Kaceem
Copyright: © 2012 Leo Kaceem
published by: epubli GmbH, Berlin
www.epubli.de
ISBN 978-3-8442-3950-8
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;
detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Für Meine Frau
zum Dank für ihre
unendliche Geduld
Wahrheit zeuget immer Feinde;
Heucheln' niemahls echte Freunde.
Tlantlaquatlapatli
Inhalt
Vorwort 9
Einleitung 12
Das Rätsel des Pseudonyms 15
Endlich 17
Monsieur Nebenstaub 24
Traiteur Ollmütz 27
In der Hausvoigtei 29
Volks-Urtheile 34
Leben und Taten 37
Mord und Totschlag 40
Ausspähung 44
Gefangennehmung 48
Untersuchung 53
Die wahre Tat 67
Bewegungsprofil 71
Der Fluchtweg 74
Eine Analyse 81
Lenz singt 88
Ein Mittäter? 91
Das Urteil 93
Lenz macht sein Testament 96
Das Ende naht 96
Tag der Vergeltung 98
Der Schinderweg 100
Voyeure & Geschäftemacher 105
Die Hinrichtung 107
Volksgedränge 108
Schlechte Sicht & Lange Finger 110
Volksaberglauben 111
Lenz auf dem Rade 116
Arme Sünder Liedlein 118
Moritaten Lied 121
Weitere Sünder Liedlein 127
Andere Schriften 132
Lenz war kein verhärteter Bösewicht 140
Der Endzweck öffentlicher Strafen 142
Das Testament 148
Redouten Späße mit Lenz 149
Der Nächste bitte! 153
Der runde Hut 158
Späte Besuche 166
Die Ende der Geschichte 168
Das Ende des Rabensteins 169
Tlantlaquatlapatli 171
Heinrich Wilhelm Seyfried 174
Pflichten eines Schriftstellers 179
Papagei mag ich nie seyn 194
Zu guter Lenzt 202
Verzeichnis der verwendeten Artikel 207
Vorwort
Tlantlaquatlapatli
unter diesem Pseudonym verbirgt sich Ende des 18. Jahrhunderts Heinrich Wilhelm Seyfried (1755-1800), ein literarisches Universalgenie. Er ist auch eine kritische spöttische Schreiberseele, die als Autor und Herausgeber in der periodisch erschienenen Zeitung, der Chronic von Berlin, Klatsch, Kultur- und Tages-Nachrichten aus Berlin vermeldet. Heute würden wir sie als kulturelle Wochenzeitschrift mit aktuellen Beiträgen aus dem Berliner Leben bezeichnen. So manche merkwürdige Geschichte hat er aufgespießt, veröffentlicht und kommentiert, aber auch rein journalistische Berichterstattung betrieben. Nur um diese geht es (meistens) in diesem Buch!
Der Schreiber bewahrt sich immer eine gehörige Distanz zur gerade gängigen öffentlichen Meinung. Seine kritisch moralisierenden Bemerkungen fixieren sich nicht zu selten auch auf seine schreibende Konkurrenz, der er hin und wieder ein bisschen nervend Wahrheitsverfälschung bzw. ungenaue Berichterstattung vorwirft. Davon ist er aber an manchen Stellen auch nicht ganz frei. Seine Person erschien mir so interessant, dass ich sie am Schluss dieses Buches, sozusagen als Buch am Buch, gesondert beleuchte. Hier ist Raum für Anmerkungen und Analysen zu seiner Berliner Schaffensperiode. Der schon über 120 Jahre alten Biografie von E. Mentzel (1892) stelle ich seine Selbstbetrachtungen gegenüber, die er von Zeit zu Zeit in seiner Zeitung veröffentlicht hat.
Die Person Seyfried hat weit mehr geleistet, als hier kurz abgerissen wird. Das über sie nicht mehr bekannt ist, mag auch an seinen Artikeln aus dem Berliner Alltag liegen, die von entsprechender Seite heute sicher als ausländerfeindlich und antisemitisch charakterisiert werden würden. „Pollaken“ und Juden sind häufiger, auch zusammen, in mehr oder weniger kritischen oder spaßig gemeinten Glossen abgehandelt. Wer kann sich heute noch in die damaligen Verhältnisse einer schnell wachsenden Großstadt wie Berlin versetzen, geschweige denn in die Lebensbedingungen dieser Zeit.
Mit einem ersten Bericht über die Verhaftung des Straßenräubers und Mörders Johannes Christian Lenz, zehn Wochen nach der Tat, beginnt eine realitätsnahe Fortsetzungsgeschichte. Sie enthält neben der Schilderung des Tathergangs wörtliche Wiedergaben seiner Aussagen aus Vernehmungsprotokollen. Sie erzählt von seinen Ausreden und Ablenkungsmanövern bei der Schuldzuweisung und beleuchtet auch die Person des Mörders in seinem Umfeld. Die Berichterstattung endet im April des Folgejahres, also drei Monate nach der unter fast