Daniela Hochstein
Gebrochene Flügel
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Inhaltsverzeichnis
Prolog
Gebrochene Flügel
von
Daniela Hochstein
Für Marco:
Die Drachen erhoben sich, breiteten ihre Flügel aus, warfen sich dem Wind entgegen und glitten auf seinen stürmischen Wogen, geschmeidig wie Delphine. Böe um Böe peitschte ihren Flug, hob sie in die Höhe, drückte sie in die Tiefe. Doch es war ein Spiel für sie, das sie zum Lachen brachte.
Solange bis der Wind genug hatte, bis er wütend wurde und zu mächtigen Schlägen ausholte. Der Spaß verging ihnen bald und einer nach dem anderen zog sich zurück. Eisiger Regen stach in ihre Augen, machte sie beinahe blind, sodass sie glücklich waren, als sie auf dem sicheren Boden landeten, und von dort aus erleichtert dem Sturm entgegen spotteten.
Bloß einer von ihnen landete nicht. Die anderen riefen ihm zu, warnten ihn, doch er lachte bloß. Er, der König der Lüfte. Er, dessen Kraft noch kein Wind gebrochen hatte. Er, dessen Flügel die Prächtigsten waren, die ein Drache je besessen hatte. Er würde dem Wind trotzen, ihn nicht feige von der Erde aus verspotten, sondern von hier oben, inmitten der zornigen Wolken, die nach ihm schlugen und kratzten.
Doch er hatte sich verschätzt.
Kapitel 1
Sarah hatte von Anfang an kein gutes Gefühl gehabt. Und daran war nicht bloß ihr Bruder Tobias Schuld, der viel zu spät mit Mutters Auto zurückgekommen war und nun viel zu schnell über die Landstraße Richtung Stadt raste. Nein, auch die schwarzen Wolken, die sich bedrohlich an dem Abendhimmel auftürmten, sowie der Regen, der mit tausend nassen Fingern auf die Windschutzscheibe trommelte und selbst der höchsten Geschwindigkeitsstufe des Scheibenwischers nichts als Verachtung entgegenbrachte, säte eine finstere Ahnung in ihre Brust.
Trotzig nahm sie einen tiefen Atemzug, denn eigentlich wollte sie sich freuen, war sie doch auf dem Weg zu ihrem ersten Blind Date in ihrem Leben. Zero. So zumindest hieß er in seinen E-Mails, die er ihr schrieb.
Der Zufall hatte sie zusammengeführt. Oder besser: Eine gemeinsame Leidenschaft und die Erfindung des Internets, das erst vor wenigen Jahren seinen Weg in die privaten Haushalte gefunden hatte, bereit, der Gesellschaft eine neue Welt zu eröffnen. Sarah hatte diese Errungenschaft sogleich genutzt, um endlich ihre