D.T.A.D.E.A.S.R.V.D.F.E.
Der Tag an dem Eddie auf seinem Rasenmäher vor der Freiheitsstatue ertrank
Der Tag an dem Eddie auf seinem Rasenmäher
vor der Freiheitsstatue ertrank
von Nicole Sturm
Copyright: 2017 Nicole Sturm
published by: epubli
ein Service der neopubli GmbH, Berlin
Diese Geschichte …
… basiert nicht auf einer wahren Begebenheit, die nicht drei Angestellten eines Gartencenters, unter keinerlei Einfluss von Lösungsmitteldämpfen und schlecht gewordener Wurst, die weder nach polnischer Art verarbeitet, noch aus Polen kam; bei der weder das Interieur, noch die Ware eines Gartencenters, der nicht in Nähe von Bielefeld steht, auch kein Rasenmähroboter, der hat wenn überhaupt Selbstmord begangen, beschädigt wurde und für das kein Schwimmbecken in keinem Freibad, das nicht erstaunlich weit entfernt ist, abgepumpt werden musste; passiert ist.
Am Anfang war die Glühbirne. Es war keine besondere Glühbirne, aber sie strahlte wie ihr befohlen wurde. Sie hat sich niemals Gedanken gemacht über Dinge wie Freiheit oder Ruhm. Sie war glücklich und mehr als zufrieden in ihrer Fassung, bis zu genau dieser Sekunde, in der Eduard sie mit dem Besen erschlägt.
Fick dich! Bitch! Jetzt leuchtest du nicht mehr!
Drei ereignisreiche Minuten später steigt Eduard auf seinen Sancho MK4 Rasenmäher, öffnet das elektrische Garagentor und fährt los. Eddie ist weder ein aggressiver, noch ein exzessiver Mensch, doch die weiße Schuhcreme auf Stirn und Wangen ist eindeutig Kriegsbemalung. Normalerweise würde er jetzt neben seinem antiken Röhrenradio sitzen und zu viel Zucker in seinen Tee kippen, aber das abgelaufene Medikament gegen seinen Heuschnupfen verträgt sich nicht besonders gut mit dem hochprozentigen, selbst gebrannten Fusel seines hochgeschätzten Cousins Robbi, der glorreich nach Rumänen ausgewandert ist. Sagen wir, Eddie ist ein wenig aufgedreht.
Verpiss dich, ich hab Vorfahrt, du Wichser!
Der Fahrer des roten Cabriolets weicht aus, verliert die Kontrolle und prallt mit voller Wucht gegen die widerspenstige Straßenlaterne. Der Airbag rettet den Raser vor dem frühzeitigen Ableben, aber nicht vor der drastischen Erhöhung seiner Versicherungsbeiträge. Eddie liegt es fern zu bremsen, sein Ziel liegt in weiter Ferne.
Vegas, Baby!
Seine Finger umschlingen das schwarze Kunstlederlenkrad. Vergnügt fängt er an vor sich hin zu murmeln.
Hau rein!
Weder Eddie noch ich, der allwissende Erzähler, wissen wo uns das alles hinführen wird, mal abgesehen vom Ende, aber momentan mache ich mir mehr Sorgen darum, ihnen Eddies Stimme verständlich zu beschreiben. Er spricht wie ein kleiner, bekiffter, gemeiner Troll, was deutlich zu seinem Charme beiträgt, wenn man ihn erstmal näher kennt. In seinem Herzen ist er ein kleiner Junge geblieben, der gerne Wörter in die Länge zieht und Kekse mampft. Dieses Kind im Manne sitzt jetzt vollkommen high auf einem vollgetankten, frisierten Rasenmäher und fährt Richtung Westen. Sowohl sein Bart als auch sein Bauch halten sich nicht gerne an gängige Konventionen, lassen Sie es mich unverblümt sagen, er hat ein paar Kilo zu viel. Ansonsten ist er ein relativ spießiger Besitzer dreier Kakteen. In seinem Kopf beginnt eine E-Gitarre zu spielen. Normalerweise würde ich Ihnen das gar nicht erst erklären, aber ich halte es für fundamental. Diese Gitarre wird nicht aufhören zu spielen, bis ich es Ihnen sage, behalten Sie das im Hinterkopf. Eddie biegt dramatisch in die ruhige Kreuzung ab und lässt alles hinter sich.
Get your Mäher runnin'.
Er singt, ehrlich gesagt, nicht besonders gut.
Irgendwas mit Highway!
Auch Textsicherheit ist keine seiner Prioritäten.
Mal gucken for adventure.
Er lehnt sich über das Lenkrad in den Fahrtwind.
Und whatimmer comes your way!
Eine leicht schräg stehende Ampel, die Herrin über Ein- und Auslass in Eddies Heimatdorf, schaltet auf Rot. Eduard stoppt und wartet mit weit aufgerissenen Augen auf die Erlaubnis zu passieren. Auf der Linksabbiegerspur neben ihn hält eine schwarze, röhrende Harley Davidson mit einer kleinen Zerberus Figur auf dem Kotflügel. Graues störriges Haar ragt unter dem schwarzen Helm hervor. Der Fahrer zieht das schwarze Tuch von seinem Mund.
Hey, ich habe mich ein wenig verfahren, ich …
Eddie unterbricht ihn und beschließt in doppelter Geschwindigkeit zu sprechen.
Wollen Sie zum großen Motorradtreffen?
Ja, genau, können …
Waren Sie schon mal in Vegas?
Der Biker wundert sich über die weiße Schuhcreme im Gesicht seines Gegenübers, aber er hat schon ganz andere Dinge gesehen.
Nein, aber ich wollte schon immer die Route 66 runter, von Chicago zur Westküste. Vielleicht sollte ich das echt mal machen, aber man kennt das ja.
Eddie senkt das Sprechtempo wieder und richtet den Blick nach vorne.
Folgen Sie mir!
Zum Motorradtreffen oder nach Vegas?
Das Rot der Ampel flackert in Eduards Augen. Langsam nimmt er die linke Hand vom Lenkrad und streckt Arm und Finger zur Seite.
Was Sie begehren finden Sie am Ende dieses Weges.
Danke. … Ist alles in Ordnung mit … Ihnen?
Kommen Sie einfach nach, wenn Sie Bock haben.
Die Ampel springt auf gelb. Die Ampel springt auf grün. Eddie legt den Gang ein und gibt Vollgas.
Born to be …
DER TAG an dem Eddie
auf seinem Rasenmäher
vor der Freiheitsstatue
ertrank
von Nicole Sturm