ORANGE UND RUND. Kerstin Strato. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Kerstin Strato
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847659044
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      Kerstin Strato

      ORANGE UND RUND

      Dieses ebook wurde erstellt bei

      

      Inhaltsverzeichnis

       Titel

       Vorwort

       Am Atlantik I

       Neunzehn Jahre später – Der Termin

       Gefangen

       Bessere Sicht

       Matilda

       Der Turm

       Der Anfang

       Ende Mai – Am Atlantik II

       Endlich

       Ende Oktober – Der Brief

       »Hallo?«

       Orange und Rund

       Impressum neobooks

      Vorwort

       Die reinste Form des Wahnsinns ist,

       alles beim Alten zu lassen und gleichzeitig zu hoffen,

       dass sich etwas ändert.

      (Albert Einstein)

      Am Atlantik I

      »Jetzt komm endlich. Wir müssen da lang!«

      Der junge Mann hatte seinen Seesack geschultert und stand ungeduldig in der kleinen Wartehalle. Klapprige Deckenventilatoren surrten. Es war stickig und heiß, an seinem Hemd zeichneten sich Schweißflecke unter den Achseln ab. Der Grauhaarige sah aus dem offenen Gebäude auf das Rollfeld. Es war eine kurze, schmale Piste, die in den Urwald geschlagen worden war und die der Regen in eine Schlammbahn verwandelt hatte. Es regnete seit Tagen ohne Unterlass. Die beiden Reisenden mussten in die Hauptstadt, um ihren Rückflug anzutreten. »Na, dann.«

      Der Ältere hängte sich seine Fotoausrüstung über die Schulter. Sie traten ins Freie und marschierten zu dem einzigen Flugzeug, das bereitstand. Es war eine viersitzige Propellermaschine mit einem roten Schriftzug an der Seite, der nicht mehr lesbar war. Ein junger Einheimischer nahm ihnen das Gepäck ab, das er im Rumpf der Maschine verstaute. Sein starker Akzent machte es den beiden Männern nicht leicht, ihn zu verstehen; mit Hilfe seiner Hände und seinem breiten Lächeln, das seine weißen Zähne freilegte, wies er die beiden an, noch etwas zu warten. Eine Hand in der Hosentasche, mit der anderen einen Regenschirm haltend, schlurfte er zum Nebengebäude, wo eine junge Frau mit ihrem Putzwagen auf ihn wartete.

      Dicke Tropfen platschten vom Himmel, als wenn es kein Morgen gäbe. Der kleine Unterstand in der Nähe des Flugzeugs hielt sich auf rostigen Beinen aufrecht und bot den beiden Passagieren mit seinem undichten und halbfertigen Dach nur wenig Schutz. Der Ältere schnappte sich einen Plastikstuhl und streckte seine langen Beine von sich, während der Jüngere stehen blieb. Sein Haar und Hemd waren klatschnass, doch das schien ihn nicht zu stören.

      Geistesabwesend stand er da. Der Regen prasselte laut und die Schwüle war schon jetzt, bei Tagesanbruch, immens. Wie auf Anweisung hörte der Regen abrupt auf zu fallen und der Duft des Regenwaldes entfaltete sich in seiner ganzen Bandbreite. Es war ein Gemisch aus nasser Erde, Blüten und Blättern, unterlegt mit einem süßlichen Geruch nach Fäulnis und Verwesung. Die Wolkendecke öffnete sich einen Spalt und die Sonne machte eine Farbpalette aus glänzenden Grüntönen sichtbar. Ein unwirkliches Licht legte sich auf die spiegelnden Blätter. Gleichzeitig erhoben sich befremdliche Töne und Rufe. Die Bewohner des Regenwaldes taten ihr Dasein kund.

      Der junge Mann sah zu seinem Vater: »War echt super hier.«

      »Kannst jederzeit wieder mitkommen, mein Junge«, war die freundliche Antwort.

      Aus dem dichten Grün hinter der Piste stieg Wasserdampf auf. Wie der Gully auf dem Foto, Ben dachte an ein Schwarz-Weiß-Foto, das er bei einem Freund gesehen hatte. Eine Straßenszene in New York.

      Der einheimische Kofferträger kam und die drei Männer gingen zur Maschine. Nachdem er sich als Pilot vorgestellt hatte, setzte er sich auf die vordere durchgehende Sitzbank, während Ben und sein Vater auf der hinteren Bank Platz nahmen. Ben sah besorgt zu ihm, er mühte sich mit dem Gurt ab.

      »Sieh dir mal das Cockpit an. Die Kiste hier ist mindestens so alt wie du, es rostet alles. Und die Piste, hast du die Piste gesehen?«

      »Mach dir keine Sorgen, ich bin schon in ganz anderen Flugzeugen geflogen. Schnall dich an.«

      Der Pilot hatte sich einen bizarren Kopfhörer aufgesetzt und hantierte mit seinen dunkelhäutigen Fingern an den rostigen Kippschaltern herum. Er hatte schlanke Hände und lange Finger mit schönen, gepflegten Fingernägeln. Als alle Schalter in der richtigen Position waren, sprach er eine knappe Ansage in den Kopfhörer, der doch keine Attrappe war. Dann setzte sich die Maschine in Bewegung und schlitterte zum Rollfeld. Ben bekam feuchte Hände. »Ich will raus hier!«

      »Mein Junge, ich verspreche dir, uns passiert nichts. Denk an zu Hause«, und der Vater drückte die Hand seines Sohnes.

      Es wurde ohrenbetäubend laut. Das Flugzeug begann, sich mit aller Kraft durch die Schlammpiste zu wühlen. Konzentriert starrte der Pilot durch die kleine Cockpitscheibe, während seine Verlobte am Boden ihren Dienst begann. Sie war immer noch vor dem Nebengebäude und schob langsam ihren kleinen Putzwagen in Richtung der Toiletten. Stöhnend blieb sie stehen und stellte ihren Eimer Wasser ab. Mit einer Hand fasste sie sich an den kleinen Bauch, mit der anderen Hand stützte sie sich den Rücken. Lange konnte sie diese Arbeit nicht mehr machen, das wusste sie. Aber bald würde sowieso alles anders werden. Sie würden heiraten und von hier weggehen. Sie hätten eine kleine Wohnung und ihr Mann hätte eine feste Anstellung als Pilot bei einer angesehenen Fluggesellschaft.

      Während sie so dastand und an den Abschiedskuss von vorhin dachte, beobachtete sie, wie sein Flugzeug schwerfällig und viel zu spät abhob. Sie schlug die Hand vor den Mund, kam dabei ins Wanken, der Eimer kippte um und Wasser spritzte an ihre Schuhe und Beine. Sie fing sich an der Gebäudewand ab und schrammte sich die Hand an den scharfen Steinen. Ihre Ohren rauschten. Ohnmächtig verfolgte sie die kleine Propellermaschine. Die Zeit verlangsamte sich und schien stehen zu bleiben. Es passierte nacheinander und doch gleichzeitig. Es geschah wie im Alptraum und doch in Wirklichkeit. Das Streifen der schlammigen Räder an den Bäumen, das übermäßige Schwanken der kleinen Maschine, der verzweifelte Kampf des Piloten, die Todesangst der beiden Passagiere, die erbarmungslosen Fänge der Urwaldriesen und das Verschwinden der kleinen Maschine in der grünen Hölle. Dann der Knall, der Feuerball und der stumme Schrei der jungen Verlobten.