Sandra Edelweiß
Frau Edelweiß und der Nato-Gipfel
Ein Schulkrimi - Der erste Fall von Frau Edelweiß
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Inhaltsverzeichnis
1
Wie jeden Morgen um 7.10 Uhr stand Frau Edelweiß vor der ersten Ampel, die das Ende der Bundesstraße einläutete und den Anfang der Stadt Kehl kennzeichnete. Auf den nächsten 500 Metern sollten dieser Ampel noch drei weitere Ampeln folgen, bis sie an ihrem Arbeitsplatz, der Friedrichschule, ankam. Wie üblich war sie ziemlich schlecht gelaunt und hatte überhaupt keine Lust auf Unterricht. Sie liebte ihre Arbeit, keine Frage, aber in den letzten Wochen war das Unterrichten kein Zuckerschlecken gewesen. Alles stand im Zeichen des Nato – Gipfels. Die Kinder waren zunächst freudig erregt gewesen, sprangen bei jedem Helikopter, der unverschämt dicht an ihren Klassenzimmerfenstern vorbeiflog, noch an das Fenster. Das legte sich spätestens nach dem gefühlten tausendsten Flug. Jetzt, so kurz vor dem großen Ereignis, waren die Kinder gereizt und übernächtigt da sie gar nicht mehr schlafen konnten. Die ganze Nacht über lagen ihnen die Rotorengeräusche in den Ohren. Sie war noch gut in der Zeit, sollte sie einen Schwenker an das Rheinufer machen? Noch einmal kurz kucken, bevor das Gebiet abgesperrt werden würde?
1052 Tonnen Stahl. 3593 Kubikmeter Stahlbeton, 607 Tonnen Betonstahl und 3683 Meter Seile, ganz zu schweigen von der Menge an Unterwasserbeton, die für die Pylone der Brücke verbaut wurden. So stand sie nun da. Das Wahrzeichen, der Symbolträger, die Verbindung zweier Kulturen, zweier Nationen. Die Hintergrundkulisse für die Herrscher der Welt am 04.04.2009 beim Nato – Jubiläumsgipfel. Die umstrittene, die bewunderte und vom Bund der Steuerzahler als Mahnmal für Verschwendungssucht angeprangerte Brücke. Die Passerelle, die Deutschland und Frankreich verbindet.
„Hmm“, murmelte sie unwillig, „nichts los“. Sie parkte ihr Auto am Rheindamm und kletterte den Wall hoch. „Man kann sich wirklich nicht vorstellen, was da am Wochenende alles los sein soll“, ging es ihr durch den Kopf. Schwere Metallplatten waren auf dem Rheinvorland aufgebracht worden. „Für das Zelt der Kanzlerin“, schmunzelte sie. Da kamen auch schon ein paar nette Polizisten um die Ecke. Sie gingen direkt auf sie zu. „Nee, da habe ich jetzt keine Lust drauf“. Der Blick auf ihre Uhr bestätigte ihren Willen sich sofort auf den Weg zu machen. „Der blöde Radeck, der wartet sicherlich schon ungeduldig“. Sie lief den Damm runter und stieg eiligst in ihr Auto, bevor die Polizisten sie noch dumm anmachen konnten. Ach ja, den Personalausweis hatte sie sowieso nicht dabei. Das konnte Ärger geben. Aber wie soll man denen denn erklären, dass es an der Friedrichschule sicherer ist nichts aber auch gar nichts Wertvolles mitzunehmen. Es war besser keine Ausweispapiere, wichtigen Dokumente oder gar Kreditkarten in der Tasche zu haben. So schnell wie man die eingepackt hatte, so schnell waren sie auch schon verschwunden. Sie hatte immer nur einen Kindergeldbeutel mit 5 Euro dabei. Es gab genügend Situationen, in denen die Handtasche eines Lehrers entwendet worden war, der nur mal für 5 Minuten aus dem Klassenzimmer gegangen war und die Tasche war weg. Wer waren die Diebe? Kinder? Nein, die zentrale Lage der Schule wussten andere zu nutzen. Dank Frau Edelweiß‘ Vorsichtsmaßnahmen war ihr bisher nichts Wertvolles geklaut worden, wenn man mal von dem Tischbrunnen absah. Man halte sich fest, ein Tischbrunnen! Er hatte gerade einmal zwei Tage in ihrem Klassenzimmer überlebt. Dann war er weg. Spurlos. Sie startete den Motor durch. Die Polizisten machten Anstalten sie anzuhalten. Langsam kamen sie auf sie zu, aber ihre Aufmerksamkeit wurde schnell auf ein paar zweifelhaft gekleidete Männer gezogen, die eindeutig dem linken Lager zuzuordnen waren.
2
Wie jeden Morgen stand Rektor Radeck am Geländer des Treppenhauses. Er schaute auf die Uhr. Schon zehn nach sieben und erst zwei Kollegen anwesend. Der Unterricht an der Friedrichschule begann zwar erst um 7.40 Uhr, aber ein vorbildlicher Lehrer hatte seinen Unterricht und sein Klassenzimmer pünktlich vorzubereiten! Die Arme verschränkt, der Blick herrschend, das schnurlose Telefon immer griffbereit in der Hand, lauerte er. Abgesehen von seiner Herrschsüchtigkeit war er eine sehr annehmbare Erscheinung. Mitte 50, groß gewachsen, schlank und drahtig, die Haare leicht angegraut, was ihn nur attraktiver erscheinen ließ. Dazu die sonore Stimme, er war ein Frauenschwarm. Er wusste sein Auftreten geschickt einzusetzen. Er war in seinem Kollegium allein unter Frauen, wenn man mal von den zwei jungen Kollegen absah, die zählten nicht. Nun trudelte Frau Wimmer ein, die Relitante, wie er sie heimlich getauft hatte. Abgesehen von ihrem religiösen Touch, war sie zuverlässig und gewissenhaft. Es gab keine Klagen der Eltern und das zählte schließlich. Man musste die Elternschaft immer auf seiner Seite wissen, das war seine Grundregel. Die musste man wie rohe Eier behandeln, schließlich waren sie nicht die einzige Grundschule der Stadt und die sinkenden Schülerzahlen wussten die Eltern bald als Druckmittel einzusetzen. Wenn es Unstimmigkeiten mit den Lehrerinnen gab, ein Test vielleicht zu streng bewertet wurde, drohte man eben mit Schulwechsel der Kinder und nach wenigen Gesprächen am runden Tisch des Rektorates wurde man sich auf die eine oder andere Art und Weise einig. Es war eine Schmach, Schüler an andere Grundschulen zu verlieren, eine Blöße, die er sich vor den anderen Rektoren nicht geben lassen konnte und wollte. Die Friedrichschule hatte schließlich einen Ruf zu verlieren. Ah, da kam ja auch schon Frau Motte, die er so nannte, weil sie immer teure Designerkleidchen trug, die Modeunkundige ebenso gut für die Überbleibsel hartnäckiger Mottenarbeit aus einer vergessenen Kleidertruhe halten konnten. Ein Blick auf die Uhr, dreißig nach sieben, das war noch in Ordnung. In einem Pulk kamen weitere 10 Kolleginnen die Treppe hoch. Sie hatten sich, angesichts der Kontrollallüren