1.
„Daddy, lach‘ mal.“
Überrascht zeigte Shane seine Zähne, richtete sie direkt auf die Videokamera, die ihm wild ins Gesicht gehalten wurde.
„Danke.“, die Linse der Kamera wurde vor und zurück gefahren, Shane wollte sich gar nicht ausmalen, wie sein verschlafenes Gesicht bei einer Nahaufnahme wirkte.
Gerührt blickte er auf die Torte. „Danke, ihr …“, nach Worten suchend klatschte er in die Hände. „Ihr seid so lieb.“
„Blas die Kerzen aus.“, wies Oliver ihn an und fixierte ihn abwartend, bereit jeden seiner Bewegungen sofort per Video einzufangen.
Mit Tränen in den Augen zog Shane Britney zu sich heran, legte seinen Arm um ihre Hüfte, beugte sich zu der Schokoladentorte, mit einer großen „34“ in der Mitte, die von fünf Kerzen umrandet wurde, holte Luft und stieß sie Stoßweise wieder heraus. Alle jubelten.
„Daddy was hast du dir gewünscht?“
Oliver wurde wütend und gab Latonia einen Klapps auf den Hinterkopf. Sofort sandte Shane seinem Sohn einen ermahnenden Blick entgegen. Latonia war zwar schon fast dreizehn Jahre alt und kein kleines Kind mehr, doch Oliver war immerhin schon fünfzehn.
„Was denn Dad?“, abwehrend hob Oliver seine Hände. „Man frägt doch nicht was man sich gewünscht hat.“
Immer stritten sie, zu jeder Tages und Nachtzeit. Noch bevor Shane etwas entgegnen konnte, rumorte es in seinem Brustkorb, ein Hustenreiz stahl sich seinen Hals empor und Shane musste kläglich würgen, griff routiniert zu einem Wasserglas und schüttete es sich hinunter.
„So Kinder.“, ablenkend raufte Britney sich die Haare und nahm Latonia mütterlich an der Hand. „Zeit in die Schule zu gehen.“, sagte sie in strengem Ton und führte sie nach draußen in den Flur, gab ihnen ihre Jacken und ihre Taschen. „Ihr wollt doch immer mit dem Bus fahren, also seht zu dass ihr ihn noch erwischt, sonst müsst ihr zu Fuß laufen.“
Hustend kauerte Shane auf seinem Stuhl, seine Augen füllten sich mit jeder Sekunde, die er alleine war mehr und mehr mit salzigen Tränen. Normalerweise hatten Oliver und Latonia das Haus schon längst verlassen, gefrühstückt, ihre Sachen gepackt und im Bus platz genommen. Erst dann quälte Shane sich aus dem Bett, duschte sich, trank einen bitteren Kaffee und ging in seine Firma. An diesem Tag nicht. Extra an seinem Geburtstag hatten sie auf ihren Vater gewartet, hatte das Esszimmer festlich dekoriert. Über dem Tisch hing eine kindliche Papiergirlande, auf ihm standen vier Plastikbecher und ein Partyhut. Spaßeshalber hatte Lationa ihn ihrem Vater aufgesetzt, womit Shane sich erst recht in seine eigene Kindheit zurückversetzt fühlte. Unfassbar war es, dass er bereits seinen 34. Geburtstag feierte. Waren die Jahre wirklich so schnell vergangen? Schneller als ein Wimpernschlag. Wie ein Katzensprung erschien ihm der Zeitpunkt, als er Britney glücklich in die Arme geschlossen hatte, am Flughafen, als sie zu ihm zurückgekehrt war, diesmal für immer.
Ich bleibe für immer bei dir, ich liebe dich Schatz, hatte sie ihm gesagt, geschworen, ihn geküsst und war mit ihm gegangen. Seitdem hatte sie kein einziges Wort mehr mit Joan gesprochen. An Latonias siebtem Geburtstag hatte Joey sie angerufen und ihnen mittgeteilt, dass Britneys Vater einen Schlaganfall erlitten hatte.
… Dad ist tot.
Das waren seine einzigen Worte gewesen. Ein Jammer, dass er Zeit seines Lebens nie von Oliver, Latonia, seinen Enkelkindern erfahren hatte. Entgegen seiner Erwartungen hatte Britney die Nachricht mit Fassung aufgenommen, hatte genickt, kurz geschluckt, schien aber erleichtert zu sein. Als hätte ihr jemand eine gehörige Last von den Schultern genommen.
„So, sie sind weg.“, begann Britney als sie wieder zu ihm zurückkam. Geschäftig stapelte sie die Plastikbecher ineinander und verräumte sie in der Küche. „Was ist? Du schaust so komisch?“
„Ich schaue komisch?“, wiederholte Shane patzig und erhob sich ebenfalls.
Was ist mit dir los? Diese Frage konnte er nicht mehr ertragen. Ja, was sollte mit ihm schon los sein? Grund sich Sorgen zu machen, Grund geknickt zu sein hatte Shane ja wohl genug. Um seiner Frau zu helfen stand auch er auf, nahm das Tablett mit seinem unberührten Kuchen in die Hand und trug es ebenfalls in die Küche. Dort angekommen stellte er es behutsam auf die Anrichte. „Ist total nett von euch.“, sagte er und legte seine Arme um Britneys Hüften. Die reagierte nicht, wischte mit einem nassen Lappen lieber über das Waschbecken. „Ich danke euch“, gab Shane ihr zu verstehen und küsste ihren Hals.
Einen Moment bewegte sie sich nicht, legte ihre warmen Hände auf seine Arme, drehte sich in seiner Umarmung zu ihm um und blickte ihm tief in die Augen. „Ja, alter Mann,“, lachten gab sie ihm einen kurzen Kuss. Doch Shane dachte gar nicht daran sie jetzt entkommen zu lassen. Zwei Monate lang hatten sie es nicht mehr getan, zwei Monate lang hatte sie ihn warten lassen . anfangs hatte er es verstanden, hatte er es eingesehen. Es war stressig und sie konnte nicht für ihn und die Kinder gleichzeitig da sein. Jetzt aber waren sie alleine. Und es war sein Geburtstag. Sachte presste er seine Hüfte gegen ihr Becken, rieb es langsam daran entlang und fühlte wie ihm das Blut in den Kopf stieg. Seine Ohren wurden heiß.
„Shane …“
Ihre Stimme klang leise, klang hilflos, so als würde sie ihn anbetteln. Um was bettelte sie? Dass er weitermachte? Andächtig neigte er seinen Kopf wieder zu ihrem Hals, streckte seine Zunge nach ihrer weichen, warmen Haut aus, roch ihr blumiges Parfüm, sog es in sich auf wie die Luft zum Atmen. Willig ließ sie ihren Kopf zur Seite fallen, schloss die Augen, ihre Atmung wurde flacher.
Obwohl Britney in den letzten Jahren an Gewicht zugelegt hatte, fester geworden war, hob Shane sie behändig nach oben auf die Küchenplatte, räumte mit den Händen rasch alles was ihm im Weg umging zur Seite und öffnete die Knöpfe ihrer Bluse, riss sie ihr an den Schultern hinunter, vergrub sein Gesicht in ihrem Dekolleté. Britneys Fingernägel krallten sich in seine Haare, hielten sich daran fest. In Fahrt lüftete er ihren Rock, zog den Reißverschluss seiner Hose nach unten.
Lautes Geschrei drang vom oberen Stockwerk zu ihnen hinunter. Britneys Körper erstarrte augenblicklich. „Shane …“
Er reagierte nicht, rutschte näher an sie heran, wollte mit ihr schlafen.
„Schatz … das Baby.“
„Lass‘ sie schreien.“, wies er sie an, drückte sie nach hinten und schob ihre Beine weiter auseinander.
Für einen kurzen Moment stöhnte sie auf, lies sich nach hinten fallen, schloss die Augen und folgte seinen Bewegungen, doch ein erneutes Quieken des Babys, riss sie wieder in die Wirklichkeit zurück. „Hör‘ jetzt auf!“, schrie sie bestimmt, sprang von der Anrichte, zupfte ihre Kleidung zurecht und eilte hinauf ins Kinderzimmer. Zurück blieb Shane. Verloren brauchte er einige Sekunden um seine Atmung wieder unter Kontrolle zu bringen. So schön hatte es begonnen, so schön wäre es zuende gegangen . Hätte sie nicht noch zehn Minuten warten können?
Wortlos schloss er seine Hose und ging ins Badezimmer. Das kühle Wasser aus dem Wasserhahn, das er sich gleichgültig ins Gesicht spritzte, sollte ihn aufwecken, sollte ihn beruhigen, doch es half nichts. Obwohl er schon beinahe mitte Dreißig war, war er immer noch ein Mann. Sie hatten Kinder, ja, sie mussten sich um diese kümmern – ja das mochte auch sein. Doch konnten sie immer noch ein Liebespaar sein.
2.
„Du siehst müde aus.“
„Ach wirklich“
Matthew biss sich auf die Lippe, musterte ihn noch einmal eingehend, nur um dann nach hinten in den Werkraum zu gehen. „Ja, hat sie dich immer noch nicht rangelassen?“
Mit seinem Schwager über so etwas Privates zu sprechen war für Shane normal. Matthew selbst jammerte ihn auch von morgens bis abends mit ihrem unerfüllten Kinderwunsch und ihrer sorgfältigen Planung die Ohren voll. Er und seine Schwester schienen sich ziemlich sehnlichst ein Kind zu wünschen. Beide hatten sich schon untersuchen lassen, beide führten Kalender damit, wie fruchtbar Mall an welchen Tagen war. In dieser Zeit mutierte Matthew laut eigenen Aussagen mehrz zu einem Deckhengst, als dass er ein Ehemann war. So sehr sich sein Schwager darüber aufregte, desto mehr wünschte Shane er wäre ein Deckhengst für