Enna Pertim
Karelia
Eine Reise durch Finnland auf dem Weg in ein neues Leben
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Inhaltsverzeichnis
Laiva
„Nichts geht mehr, meine Herrschaften, bitte nichts mehr!“
Er setzt doch noch schnell auf den Blauen, mit dem eine Frauenhand zuvor die Achtundzwanzig bedeckt hat.
Das Hüpfen der Kugel: „Achtzehn!“
Beide Marken werden eingezogen.
Und wieder: „Nichts geht mehr, bitte nichts mehr.“
Er legt seine Marke abermals auf die Achtundzwanzig.
Diesmal setzt die Frau nach ihm.
„Siebenundzwanzig!“
Er sieht zwei große Augen, die bald in die seinen, bald auf die Zahl starren.
Warum spielt sie die Zahl Achtundzwanzig weiter, ob sie so alt sein mag?, denkt er.
Auch er bleibt bei seiner Zahl, lächelt … und verliert erneut. Sie mit ihm.
Dann verlässt er den Spielsaal.
Wenig später steht er inmitten einer Masse von Fahrzeugen vor dem Schiff. Ein riesiges Loch, eine dunkle, stählerne Höhle gähnt dem Pulk entgegen.
„Haben Sie gebucht?“
Er reicht seine Fahrscheine vom Fahrersitz durch das geöffnete Seitenfenster hinaus.
„ Achtundzwanzig!“
„ … achtundzwanzig??“
Doch der Mann mit den Bordkarten ist bereits zum nächsten Wagen weitergegangen.
Es ist eben heute der 28., denkt er … und wartet.
Schließlich schiebt sich die Fahrzeugschlange in den Schiffskörper. Zentimetergenau weist man ihn ein. Kaum hat er das große, dunkle Loch passiert, blendet ihn das helle Neonlicht auf dem Wagendeck.
Er zwängt sich aus dem Fahrzeug. Menschen rennen durch das Schiff: hinauf, herunter, hinüber, herüber; stehen Schlange vor noch verschlossenen Kiosken, drücken die Nasen an die Glastüren des Speisesaals. Er geht über schmale Treppen in seine Kabine: Sie trägt die Nummer Achtundzwanzig! Das war es, was ihn auf dem Warteplatz erschreckte.
Er legt sich bäuchlings auf das Bett, stützt den Kopf auf die Unterarme und kann so durch das Bullauge blicken. Das Spielkasino an der Trave schwimmt vorbei, bleibt zurück. Dann ein paar Segler, ein Küstenschiff, schwarze und rote Bojen … drüben immer noch Land. Die ersten Lichter flammen am Ufer wie verhangene Sterne im Halbdunkel auf. Ahnbar befindet sich ein mit Menschenleibern überfüllter abendlicher Strand in Auflösung.
Ein Küstenstrich – wie erlebt – für sich ganz allein? Praia grande – Jequiti mar – Brasilien?
Die Fahrt geht Richtung NORDEN!
Nie zuvor war er in einem Spielsaal gewesen. Die pure Langeweile trieb ihn vorhin hinein. Er mochte keine drei Stunden in der Autoschlange warten, auf das dunkle Schiffsdeck stieren, den kriechenden Uhrzeiger vor sich, der träge Minute um Minute schwinden lässt.
Es wird nun Zeit, nach oben zu gehen, denkt er.
Die Kabinentür gegenüber öffnet sich: Die Nummer 26 steht darüber.
Dieselben großen Augen wie im Spielsaal irren hin und her, von der Zahl zu ihm und wieder zurück.
„Verzeihung“, sagt er, „Verzeihung, habe ich vielleicht die falsche ..?“
Sie schüttelt kaum merklich den Kopf und ist plötzlich fort. Eine Spur von Verlegenheit bleibt im Gang zurück.
Die mollige Stewardess weist nebenan ein Ehepaar mit zwei unaufhörlich schreienden kleinen Kindern ein. Wo waren die Leute bis jetzt?
Am Eingang zum Speisesaal gibt es Platzkarten. Er erhält den Platz 14/b. Es ist ein Tisch für zwei Personen.
Verbeugung, Erstaunen … und ein kurzer Gruß.
Sie dankt mit einem Kopfnicken und sagt: „Hyvää
päivää“ – guten Tag.
Er rechnet: 2x14 ergeben achtundzwanzig – weniger zwei sind 26 ! Aber er behält die seltsame Zahlenkombination bei sich.
Er muss sich umstellen auf die warme Mahlzeit am Abend, denn er ist es gewohnt, zu dieser Stunde kalt zu speisen. Sie bestellt ein Glas Milch, er eine halbe Flasche französischen Rotwein.
Der Himmel ist fahl, nach Norden zu färbt er sich wässrig-grün.