frieder hentzelt
Liebe jenseits von Paarbeziehungen
Beziehungen aus schwuler Perspektive
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Inhaltsverzeichnis
Was auf den nächsten Seiten zu erwarten ist
2. Der Ort schwuler Beziehungen
Unterschiedliche Interpunktionsregeln
Erster Zwischenstopp – zur Gegenwart schwuler Beziehungen
Beziehungsunfähigkeit als Alltagsdiagnose
Gespür für den Augenblick und Kompromissfähigkeit
Zweiter Zwischenstopp – noch einmal: Beziehungsunfähigkeit
Dritter Zwischenstopp – Liebe als ein Ziel
Vierter Zwischenstopp – Gleichstellung oder Emanzipation
5. Abschluss – Liebe jenseits von Paarbeziehungen
0. Einstiegsüberlegungen
Wenn man bei dem Internethändler Amazon in der Kategorie Bücher das Stichwort Beziehung eingibt, erhält man eine Liste von deutlich mehr als 100 Titeln. Je nach Situation, in der man sich gerade befindet, kann man gute Ratschläge dafür bekommen, wie man einen Partner für das Leben finden kann. Wenn man den schon hat, dann kann man 100 Regeln für eine gute Beziehung erhalten. Steht diese aber in Gefahr, so gibt es ein Buch mit 50 Fragen, die eine Beziehung retten können. Ein weiteres Buch in dieser Reihe erscheint mehr als überflüssig. Es dürfte sich kaum etwas finden, das nicht schon irgendwo aufgeschrieben worden ist. Hinweise darauf, wie es mit einer Beziehung richtig zu machen ist und wie man sie möglichst optimal führen kann, sind also in diesem Text nicht zu erwarten. Solche Verallgemeinerungen erscheinen nicht einmal möglich. Was für das eine Paar richtig ist,könnte für das andere völlig falsch sein und umgekehrt.
Es fällt auf, wie automatisch an eine ganz bestimmte Form von Beziehungen gedacht wird, wenn ganz allgemein von Beziehungen die Rede ist. Es macht den Eindruck, als ginge es bei dieser Form um etwas ganz Eigenständiges, das etwas ganz anderes ist, als alle sonstigen Beziehungen. Diese besondere und herausgehobene Form wird im Weiteren als Paarbeziehung bezeichnet werden. Das Nachdenken über Beziehungen würde unangemessen verkürzt werden, wenn man diese Herausstellung der Paarbeziehung unbesehen mitmachte. Um dieser Gefahr nicht zu erliegen, soll sie immer als ein Teil des weiten Feldes menschlicher Beziehungen verstanden werden, als eine Beziehungsform unter vielen.
Dennoch ist es unmöglich über Beziehungen nachzudenken ohne die besondere Stellung, die der Paarbeziehung beigemessen wird, ernst zu nehmen und zu versuchen, es zu verstehen. Warum geschieht es und wie wirkt es sich aus, wenn es geschieht? Dass diese Herausstellung durchaus problematisch ist, wird immer wieder deutlich werden.
Die schwule Perspektive wird aus unterschiedlichen Gründen eingenommen. Der erste dieser Gründe ist ganz persönlicher Natur. Es ist der Weg, wie ich selber lebe und die schwule Perspektive erspart es mir, über Dinge zu schreiben, die ich nur vom Hörensagen her kenne. Hinzu kommen 25 Jahre Erfahrungen aus der Arbeit in verschiedenen schwulen Beratungsstellen. Hier waren Beziehungen das eindeutig häufigste Thema. Durch das, was mir Klienten aus ihrem Leben berichteten, konnte ich vieles kennenlernen, das über meine persönlichen Erlebnisse hinausging. Ob und inwiefern Beziehungen in einem schwulen Leben etwas anderes bedeuten, als das im Leben nicht schwuler Männer der Fall ist, kann an dieser Stelle offenbleiben. Die Hoffnung aber, dass sich im Nachdenken über Beziehungen im schwulen Leben das eine oder andere zeigt, das in der gegenwärtigen Umbruchsituation auf dem Gebiet der Beziehungen auch für Heterosexuelle ein hilfreicher Beitrag sein kann, sei aber schon einmal angesprochen.
Beziehungen
Wir begegnen einander. Das erscheint so selbstverständlich wie banal. Dabei ist das menschliche Aufeinandertreffen ein hochkomplexes und letztlich sogar fragiles Geschehen. Manch einer sagt sogar in Anlehnung an den lateinischen Dichter Plautus “ Homo homini Lupus“ - der Mensch ist dem Menschen ein Wolf. Das ist sicherlich übertrieben. Von einer grundsätzlichen Feindschaft der Menschen untereinander kann man nicht ausgehen. Aber menschliche Begegnung ist immer auch potenziell gefährlich.
Zu unseren frühesten Lernerfahrungen gehört es daher, die Regeln für Begegnungen zu erkunden. Wie wird das Gegenüber angesprochen, welche Rituale von Begrüßung und Abschied sind angemessen? Was darf gefragt, über welche Themen kann gesprochen werden? Was kann voneinander erwartet werden? All das und noch viel mehr ist kulturell geregelt und muss erlernt werden. Ohne solche Gestaltungsregeln wäre das Zusammenleben wahrscheinlich kaum möglich.
Eine gute und wertvolle Begegnung besteht aber nicht nur daraus, dass diese Regeln befolgt werden. Interessant wird es dann, wenn die Grenzen dessen, was erlaubt ist und erwartet werden kann, ausgereizt oder vielleicht