Titelblatt
Danksagungen
Ich möchte folgenden Personen für Ihre wertvollen Korrekturen und Kommentare zum Manuskript im Vorfeld der Veröffentlichung danken: Jim Champion, Barry Daniel, Susan Averbach, Viryanaya Ellis, Eric Hoogcarspel, Mark Leonard, Kamalashila Matthews, Francis Gastmans, Winton Higgins und Stephen Batchelor. Ich möchte außerdem Tony Morris für seine Unterstützung, die Veröffentlichung zu ermöglichen, danken. Jochen Weber und Saskia Graf von der Buddha-Stiftung danke ich für die Übersetzung und Veröffentlichung der deutschen Ausgabe.
Robert M. Ellis
Vorwort zur deutschen Ausgabe von „The Buddha’s Middle Way“
Ich möchte Saskia Graf und der Buddha-Stiftung meine große Dankbarkeit dafür aussprechen, dass sie die langwierige und komplexe Aufgabe der Übersetzung meines Buchs ins Deutsche übernommen haben. Es ist schon schwierig genug zu versuchen, den Mittleren Weg präzise in einer Sprache auszudrücken, noch viel schwieriger ist es, all die komplexen Unterschiede zwischen zwei Sprachen zu berücksichtigen. Dank ihrer Arbeit ist es nun möglich, dass deutschsprachige Leser in ihrer Muttersprache über den Mittleren Weg lesen können – über den derzeit leider niemand sonst als eigenständiges Gestaltungsprinzip (und nicht als ein anderen Prioritäten untergeordnetes) zu schreiben scheint. Ich hoffe, dass diese Übersetzung dazu beiträgt, mehr Diskussionen über den Mittleren Weg in deutschsprachigen Ländern anzuregen und mehr Menschen dazu zu bewegen, ihn als Beurteilungsprinzip zu nutzen, wobei die Ideen direkt auf Deutsch weitergegeben werden.
Mein Buch wurde Ende 2017 bis Anfang 2018 geschrieben und 2019 in englischer Sprache veröffentlicht. Nun ist es Ende 2020 und in diesem Zeitraum hat sich das Ausmaß an Polarisierung im Weltgeschehen immer weiter verschärft. Die Notwendigkeit eines konsequenten Verständnisses dessen, was hinter Dogma, Unterdrückung, Konflikten und Raubbau an der Umwelt steht, und wie man mit einer wirkungsvollen und ausgewogenen Praxis (anstelle eines gut gemeinten Gegendogmas) Abhilfe schaffen kann, ist umso vordringlicher geworden. Der Buddha bietet einen möglichen und gleichermaßen hilfreichen und gut entwickelten Weg hin zu dieser wirkungsvollen und ausgewogenen Praxis, aber er darf nicht einfach zu einem weiteren fruchtlosen, konkurrierenden „Ismus“ werden. Ich ermutige Sie nachdrücklich, den Mittleren Weg zu einem Teil Ihrer Praxis zu machen, solange uns noch Zeit bleibt.
Robert M. Ellis, Malvern Großbritannien, Oktober 2020.
Vorwort
Während der letzten 20 Jahre hat Robert M. Ellis seine Philosophie des Mittleren Wegs stetig weiterentwickelt. Seine Gedanken finden sich in seinen bekannteren Büchern wie Migglism und Truth on the Edge sowie im kürzlich erschienenen Sammelband Middle Way Philosophy, der mehr als 700 Seiten mit anspruchsvollen Ausführungen und Überlegungen umfasst. Um seine Gedanken in Formen der Praxis umzusetzen, die den Herausforderungen des Lebens in der gegenwärtigen Welt gerecht werden, hat Ellis auch die Middle Way Society gegründet, die Podcasts, Online-Diskussionen, Retreats und andere Aktivitäten anbietet:
http://www.middlewaysociety.org
Ellis ist ein eigenständiger, konsequenter Denker. Obgleich er anerkennt, dass er dem Buddha als erstem Verfechter des Mittleren Wegs zu Dank verpflichtet ist, hat er sich vom Buddhismus distanziert und bezeichnet sich nicht mehr als Buddhisten. Er hat versucht, die Prinzipien des Mittleren Wegs offenzulegen, wie sie überall in der menschlichen Kultur zu finden sind: im Christentum und Judentum, in zahlreichen säkularen Philosophien sowie in der Psychologie und in den Naturwissenschaften. Da der Mittlere Weg darüber hinaus im Rahmen unseres täglichen Lebens als ethische Wesen praktiziert werden soll, wendet Ellis dessen Prinzipien auf unsere politische und wirtschaftliche Lebensweise, unser Geschichtsverständnis und unsere Beschäftigung mit den Künsten an.
In Buddhas Mittlerer Weg kehrt Ellis zu buddhistischen Quellen zurück und liefert uns einen überzeugenden Bericht darüber, wie der Buddhismus in seiner derzeit gelehrten Form sowohl dazu dienen kann, den Mittleren Weg zu verdunkeln als auch dazu, ihn zu erhellen. Indem er zu einer Weltreligion wurde, die sich auf metaphysische Glaubensinhalte stützt, hat der Buddhismus aus Ellis‘ Sicht oftmals den Kontakt zum Prinzip des Mittleren Wegs, das er zu verkörpern beansprucht, verloren. Indem er sich auf die pragmatische und skeptische Dimension buddhistischen Denkens konzentriert, die Kraft seiner klassischen Gleichnisse wiederherstellt und hervorhebt, wie Gotama mit seinen Zeitgenossen interagierte, enthüllt Ellis, wie das Prinzip des Mittleren Wegs die Gesamtheit dessen durchdringt, was der Buddha gelehrt hat.
Den Mittleren Weg zu praktizieren bedeutet weit mehr als nur die Extreme von Genusssucht und Selbstkasteiung zu vermeiden, wie sie in Buddhas erster Lehrrede im Hirschpark von Sarnath beschrieben werden. Solche Extreme zu vermeiden, dient lediglich als nützliches Beispiel, um ein weit umfassenderes Prinzip zu veranschaulichen. Für Ellis ist der Mittlere Weg eine Metapher für eine ganzheitliche Lebensweise, die auf alle metaphysischen Verabsolutierungen verzichtet. In Ellis‘ Worten ist er „ein Bewertungsprinzip, das sich darauf konzentriert, wie wir auf unsere Erfahrungen reagieren, und keine Aussage darüber, wie Dinge letztendlich sind.“ Als solches entfaltet sich der Mittlere Weg vollständig innerhalb der vorläufigen, mehrdeutigen Welt unseres Lebens als unsichere und doch ethische Lebewesen.
Ich hoffe, dass dieses provokante Buch Buddhisten dazu ermutigen wird, den Mittleren Weg, der den Kern ihrer Tradition verkörpert, neu zu überdenken, und wertzuschätzen, wie dieses Prinzip ihre Tradition mit vielen anderen antiken und modernen, säkularen und religiösen verbindet. Buddhas Mittlerer Weg bietet gleichzeitig auch eine ausgezeichnete kritische Einführung in Buddhas Leben und Lehren für diejenigen, die mit dem Buddhismus weniger vertraut sind. Dank Ellis' bahnbrechender Arbeit wird der Mittlere Weg möglicherweise nicht mehr als eine ausschließlich buddhistische Leitidee betrachtet werden, sondern stattdessen als ein universelles Vermächtnis des Menschseins verstanden werden.
Stephen Batchelor
Aquitaine, September 2018
Einführung
Soweit wir wissen, wurde der Mittlere Weg wohl erstmals explizit vom Buddha gelehrt. Der Buddha war ein Mensch, der vor etwa 2.500 Jahren auf dem nordöstlichen indischen Subkontinent gelebt haben soll. Es ist jedoch wichtig, den Mittleren Weg in Hinblick auf die Probleme unserer und nicht seiner Zeit zu verstehen und zu praktizieren. Der Mittlere Weg kann einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, unser Leben in allen Erfahrungsbereichen angemessener zu leben.
Wie können wir mit Stress fertig werden und indes unsere Leistungsfähigkeit für eine anstrengende Arbeit bewahren? Indem man den Mittleren Weg in der Meditation praktiziert, bewahrt man ein Zeitfenster wirkungsvoller Erholung zwischen starren, willentlichen Handlungsweisen und unangemessener Hingabe. Wie können wir in einer Welt, in der sich alte Gewissheiten aufgelöst haben, moralische Urteile fällen? Indem wir den Mittleren Weg finden, in dem kein moralisches Prinzip absolut ist, sondern alle moralischen Prinzipien uns mögliche Denkanstöße geben können, um moralische Angemessenheit zu fördern. Wie gehen wir mit einer polarisierten politischen Debatte um? Indem wir einem Mittleren Weg der kritischen Reflexion folgen, von dem wir erwarten, dass gewisse Sachverhalte aus allen Perspektiven beleuchtet werden. Nichtsdestotrotz müssen wir die die Notwendigkeit eines entschiedenen Urteils erkennen, um den gegenwärtigen Bedingungen möglichst gut gerecht zu werden. In der persönlichen Praxis, in der Wissenschaft, in Beziehungen und in unserer Reaktion auf Umweltkrisen brauchen wir heute den Mittleren Weg.
Lange Zeit habe ich über den Mittleren Weg an sich geschrieben, aber vermieden, über den Buddha zu schreiben. Warum? Weil zu viele Menschen an ersteren nur in Abhängigkeit von letzterem denken. Der Buddha hat den Mittleren Weg nicht erschaffen, genauso wenig wie Newton die Schwerkraft erschaffen hat. Dem Mittleren Weg an sich muss die Hauptaufmerksamkeit gelten. Dieser Punkt wird auch allzu leicht in voreingenommenen Debatten zwischen buddhistischen Gelehrten oder Schulen vergessen. Über den Buddha zu schreiben, bedeutet oft, sich belanglosen, voreingenommenen Reaktionen auszusetzen.
Es gibt jedoch auch ausgesprochen gute Gründe, über den Buddha zu schreiben.