Olivia Monti
Sterbewohl
Kriminalroman
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Inhaltsverzeichnis
Kapitel 1
Von einem Tag auf den anderen gefiel mir mein Gesicht nicht mehr.
Im Spiegel blickte ich in ein Gesicht, in dem ich mein früheres Ich nicht mehr erkannte. Die Haare klebten platt am Schädel, ihnen fehlte jede Energie. Wangen und Stirn wirkten wie verschoben. Mein Gesicht war zusammengeschnurrt.
Mir wurde erschreckend klar: Ich sah nicht mehr gut aus. Ich war geschrumpft. Es fiel schwer, es zuzugeben: Ich war alt.
Warum wurde einem so plötzlich bewusst, dass man alt war? Ohne jegliche Vorbereitung stieß einen irgendeine Winzigkeit darauf. Ein klitzekleines Etwas. Es war ein jähes Erwachen und man machte sich Vorwürfe, wie man es so lange hatte ignorieren können. Es war ja nicht über Nacht passiert, das Altern. Es war ein stetiger, langwieriger Prozess, den man irgendwie lange ausgeblendet hatte. Und dann brach die Wahrheit ganz unversehens über einen herein. Wie ein Unwetter aus heiterem Himmel, das alles verwüstet.
Zu der Zeit, als ich mein Altersgesicht entdeckt hatte, erhielt ich Post vom Gesundheitsministerium. Ich war vor einem Monat fünfundsechzig Jahre alt geworden. Ich sah zwar plötzlich alt aus, war aber noch nicht so alt, dass der Staat mich jetzt schon dazu auffordern durfte, Sterbewohl zu schlucken. Es musste sich um ein Versehen handeln.
Nach der Erreichung des Rentenalters waren die meisten weiter berufstätig, schoben ihre Rente auf und trugen dazu bei, die Sozialsysteme zu entlasten. Der Staat wurde normalerweise erst ab fünfundsiebzig