Gunnar Kunz
Aufmarsch der Republikfeinde
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Inhaltsverzeichnis
Aufmarsch der Republikfeinde
Kriminalroman aus der Weimarer Republik
von Gunnar Kunz
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Prolog
Wenn Franz Hasler etwas konnte, dann sich verstellen. Die ersten Monate im Knast hatte er noch getobt und versucht, dem Mann, dem er seinen lebenslänglichen Aufenthalt hier zu verdanken hatte, etwas am Zeug zu flicken. Aber das hatte ihm nichts als Ärger eingebracht. Deshalb war er zum friedlichen Lamm mutiert. Arbeitete fleißig in der Druckerei. Machte keinen Ärger. War höflich zu den Aufsichtsbeamten, die ihn dafür anständig behandelten. Selbst der Direktor hatte sich schon mal lobend über ihn geäußert. Aber im Inneren dachte Franz immer bloß an den Mann, der ihn reingelegt hatte. Gregor. Gregor Lilienthal.
Franz biss die Zähne zusammen, bis sie knirschten. Der Name stand in blutroten Lettern vor seinem geistigen Auge. Während er seine Runden im Hof drehte und sich zwang, seinem Gesicht einen gleichmütigen Ausdruck zu geben, malte er sich aus, was er ihm antun würde, wenn er ihn in die Finger bekam. Die Knochen brechen. Blutig schlagen. Zum Krüppel schießen. Mit bloßen Händen erwürgen, bis er blau anlief. Ah, aber vorher … Vorher sollte er leiden. Franz wusste auch schon, wie.
Über drei Jahre hatte er Zeit gehabt, sich einen Plan auszudenken. Jeden einzelnen dieser Tage hatte er daran gefeilt, Details hinzugefügt, verbessert. Und sich vorgestellt, wie Gregor die Hölle auf Erden erlitt. Es hieß, er liebte seine kleine Tochter abgöttisch. Tja, Gregor. Jeder hat seine Achillesferse.
Franz zwang seine geballten Fäuste, sich zu öffnen. Es war unabdingbar, dass er den äußeren Schein wahrte. Er lächelte dem Wärter zu, an dem er vorüberging, und tat, als genösse er die Sonne.
Sechsundneunzig Tage noch. Bis Lutz aus dem Knast entlassen wurde. Lutz würde ihm helfen. Er hatte ihm bereits eine entsprechende Nachricht zukommen lassen. Die Details seines Ausbruchs standen fest. Franz konnte es kaum erwarten. Sechsundneunzig Tage noch würde er den Arschlöchern hier den Friedlichen vorspielen. Dann war Schluss. Dann würde das Lamm seine Fangzähne zeigen.
Abel kam auf ihn zugeschlendert. Na endlich! Franz blieb stehen, bis der andere bei ihm war, und tat, als mache er eine Bemerkung übers Wetter.
Etwas wechselte den Besitzer.
Franz spürte ein Fläschchen. Rizinusöl. Unverfänglich, selbst wenn sie seine Zelle durchsuchten, was schon lange nicht mehr vorgekommen war. Weil er ja als Mustergefangener galt. Im Zweifelsfall konnte er immer sagen, er hätte das quietschende Bettgestell ölen wollen.
Den Strick und die Lampe würde er erst kurz vor dem Ausbruch anfertigen. Etwas zum Beschweren brauchte er noch. Na, das würde sich finden. Im Zweifel konnte Abel Kröger helfen. Wegen seiner guten Führung war er zum Kalfaktor ernannt worden, und als solcher hatte er Zugang zu allen möglichen Sachen. Abel war gelernter Einbrecher. Ein Virtuose mit seinen Händen. Mit nichts als den Zinken von Brotgabeln konnte er Türen öffnen. Auch hier drin.
Die beiden Männer schlenderten nebeneinander über den Hof.
»Was ist mit den Irren?«, flüsterte Franz.
»Schon organisiert. Ich kenne den richtigen Mann. Er schuldet mir was.« Abel warf ihm einen Seitenblick zu. »Du ebenfalls, vergiss das nicht.«
»Keine Sorge, das werde ich nicht.« Weil Abel ihn weiter ansah, tat Franz ihm den Gefallen und führte aus: »Ich gehe zu deiner Frau und rede dem Kerl, der sie und deinen Sohn aus der Wohnung werfen will, zu. Mach dir keinen Kopf. Die Sache ist so gut wie erledigt.«
Abel nickte befriedigt.
Dummkopf! Franz hatte nicht eine Sekunde vor, sein Versprechen zu halten. Tatsächlich hatte er die Adresse von Abels Frau schon wieder vergessen. Alles, was er wollte, war, Gregor in seine Hände zu bekommen. Es ihm heimzuzahlen. Ihm jede Sekunde in Moabit mit Zins und Zinseszins zu vergelten.
Leiden sollst du, Gregor, leiden! Erfreu dich an deiner Tochter, so lange du noch kannst. Sechsundneunzig Tage. Mehr bleiben dir nicht.
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