»Donnerwetter!« sagte Scroope, »so etwas habe ich noch nie gesehen«, während Lord Ragnall mich anstarrte und Charles vor sich hinpfiff.
Aber jetzt will ich die Wahrheit sagen und meine ganze Hinterlist offenbaren: der zweite Vogel war gar nicht der, auf den ich gezielt hatte. Ich war zu kurz abgekommen und hatte den nächsten erwischt. Und in meiner Eitelkeit gestand ich das gar nicht ein, wenigstens nicht vor Abend. – Die vier Rebhühner wurden jetzt zusammengesucht, und unter einer Flut von Gratulationen setzten wir unseren Weg über den See fort. Als wir ins Boot stiegen, bemerkte ich, daß Charles außer den von mir mitgebrachten noch eine große Schachtel mit anderen Patronen trug.
Sie stammten von Herrn Popham, dem Büchsenmacher, der sie für den Fall, daß die meinigen nicht ausreichten, mitgenommen hatte. Ich sagte nichts; aber da ich von meinen dreihundertfünfzig noch die Hälfte übrighatte, fragte ich mich still, was für ein Schießen das noch werden sollte. Wir nahmen also unsere Standplätze ein. Währenddessen aber verstärkte sich der Wind zu einem wütenden Sturm. Aus allen Richtungen der Windrose schienen seine Stöße zu kommen.
»Das wird ein wilder Nachmittag«, sagte Lord Ragnall, und während er sprach, kam van Koop ziemlich verstört von seinem Stand zu; uns und schlug vor, die Jagd abzubrechen.
Ich war jedoch für die normale Abwicklung des Schießens.
»Ich denke, hier auf diesem offenen Platze sind wir ganz sicher, Sir Junius,« warf Lord Ragnall ein, »und da die Fasanen ohnehin schon aufgestört sind, macht es nicht viel aus, wenn sie ein bißchen herumgeblasen werden. Aber falls Sie anderer Meinung sind, würden Sie wohl gut tun, abzutreten und bei den Zuschauern drüben zu bleiben. Ich werde nach meinen Gewehren schicken und an Ihre Stelle treten.«
Als van Koop das hörte, nahm er seinen Vorschlag zurück.
So begann das Treiben. Zuerst blies der Wind von hinten, und in großer Menge flogen Fasanen über unsere Köpfe hinweg, die meisten ziemlich niedrig, den Schützen auf der anderen Seite entgegen, die aber trotz ihrer Geschicklichkeit keinen besonderen Erfolg hatten. Uns war untersagt worden, auf Vögel, die uns überflogen, zu schießen. So ließ ich sie ungeschoren. Van Koop jedoch kümmerte sich nicht um diese Weisung, feuerte mehrmals und erlegte auch einige der Vögel.
»Der Bursche ist kein Sportsmann,« bemerkte Lord Ragnall, »ich glaube, es ist die Wette.«
Dann sandte er Charles hin mit der Weisung, er solle mit dieser Schießerei aufhören.
Kurz darauf drehte der Sturm nach Norden, blieb so und raste immer wilder. Doch die Fasanen flogen im Schutz der Bäume immer noch dem Dickicht zu, in dem sie geboren und aufgewachsen waren. Sowie sie jedoch ins Freie kamen und die volle Gewalt des Windes fühlten, machten die meisten kehrt und wurden außerordentlich geschwind zurückgetrieben. In der nächsten Dreiviertelstunde etwa erlebte ich ein Schießen, wie ich wohl keins wieder zu sehen bekommen werde. Hoch über den ächzenden Bäumen und über dem See zu meiner Linken flatterten windgetrieben Fasanen in endlosen Zügen dahin. Merkwürdigerweise fand ich mich mit dieser wilden Schießerei so gut ab, daß ich, je unmöglicher mit dem verrinnenden Tage die Ziele wurden, besser und immer besser schoß. Auch van Koop erzielte gute Resultate. Die Schützen gegenüber aber machten nur sehr wenig. Als das Treiben sich seinem Ende nahte und die Vögel in immer dickeren Schwärmen daherkamen, schoß ich, wie gesagt, immer besser. Das ist auch aus der Tatsache zu ersehen, daß ich trotz Höhe und Geschwindigkeit ihres Fluges für meine letzten dreißig Fasanen nur fünfunddreißig Patronen verbrauchte. Der letzte, ein prachtvoller Hahn, kam, als wir schon dachten, alles wäre zu Ende, auf einmal von irgendwo her allein angesaust. So hoch flog er, daß er unter der Sturmwolke nur als vorüberhuschender Punkt erschien.
»Zu hoch – hat keinen Zweck!« sagte Lord Ragnall, als ich die Flinte hob. Ich feuerte jedoch, hielt, ich weiß nicht wie weit, vor, und siehe, der Fasan verendete in der Luft und fiel mit einem mächtigen Klatsch nahe den Ufern des Sees, aber in großer Entfernung von mir, nieder. Der Schuß war so bemerkenswert, daß alle, die ihn sahen, die meisten der Treiber inbegriffen, »Bravo« schrien und der rotbewestete alte Jenkins vor sich hin knurrte: »Ich will zerplatzen, wenn bei diesem Kerl alles mit rechten Dingen zugeht.«
Scroope schlug mich vor Freude so fest auf den Rücken, daß es schmerzte und mir beinahe der Schuß im zweiten Laufe abging, Charles wurde ein einziges großes Grinsen, und Lord Ragnall sagte kurz und bedeutsam: »Noch nie in meinem Leben hat mir ein Schießen so viel Vergnügen gemacht.« Dann rief er seinen Leuten zu, die Fasanen aufzulesen und gut darauf zu achten, die meinigen nicht mit den von Sir Junius geschossenen zusammenzubringen.
»Sie dürften auf diesem Stand allein so gegen einhundertfünfundvierzig haben, wenn schon alles Mögliche als nur angeschossen in Abzug gebracht wird«, meinte Lord Ragnall.
Ich erwiderte, daß bei diesem groben Schrot wohl nicht viele als angeschossen in Frage kommen könnten. Da wegen des Wetters von einem Weiterschießen keine Rede sein konnte, gingen wir zum Tee ins Schloß zurück. Als wir unsere Tassen geleert hatten, forderte Lord Ragnall uns auf, herauszukommen, um die Strecke zu besehen. Wir fanden sie vor dem Gebäude auf dem schneegepuderten Gras in einer gemeinsamen Reihe und zwei besonders abgeteilten ausgelegt.
»Das sind Ihre und hier die von Sir Junius,« sagte Scroope, »bin neugierig, wer gewonnen hat Ich setze ein Goldstück auf Sie, alter Junge.«
»Womit Sie hereinfallen werden«, antwortete ich ärgerlich; denn ich hatte die ganze Geschichte mit der Wette vergessen.
Ich erinnere mich nicht mehr, wie viele Fasanen insgesamt erlegt waren; jedenfalls war die Gesamtstrecke wegen des Sturmes viel kleiner als man erwartet hatte.
»Jenkins«, sagte Lord Ragnall, »wie viele kommen auf das Konto von Sir Junius Fortescue?«
»Zweihundertsiebenundsiebzig, Mylord, zwölf Hasen, zwei Waldschnepfen und drei Tauben.«
»Und wie viele auf das von Herrn Quatermain? – Ich muß Sie beide, meine Herren, daran erinnern, daß die Vögel so vorsichtig wie nur möglich aufgesammelt und auseinandergehalten worden sind, und daß deshalb die von Jenkins angegebenen Zahlen als endgültig zu betrachten sind«, setzte er hinzu.
»Durchaus«, antwortete ich; van Koop sagte nichts. Dann kam, während wir alle gespannt warteten, die erstaunliche Antwort.
»Zweihundertsiebenundsiebzig Fasanen, Mylord, – dieselbe Anzahl wie jene von Sir Junius, Baronet; fünfzehn Hasen, drei Tauben, vier Rebhühner, eine Ente und ein Schnabel – ich meine eine Waldschnepfe.«
»Dann, scheint es, haben Sie Ihre Wette gewonnen, wozu ich Ihnen gratuliere«, sagte Lord Ragnall. »Halt, einen Moment,« unterbrach van Koop, »die Wette bezog sich auf Fasanen, das andere Zeug zählt nicht.«
»Ich glaube, die gebrauchte Bezeichnung war Vögel,« bemerkte ich, »aber offen gestanden, als ich die Wette abschloß, dachte ich natürlich ebenfalls an Fasanen, wie ohne Zweifel Sir Junius auch. Deshalb, falls die Zählung korrekt war, ist es ein totes Rennen geworden, und die Wette ist erledigt.«
»Ich bin sicher, daß alle Anwesenden Ihre Ansicht würdigen. Unter diesen Umständen bleiben die fünf Pfund in Sir Junius' Tasche. Es trifft sich unglücklich für Sie, Quatermain,« setzte er, das »Herr« fallen lassend, hinzu, »daß jener letzte hohe Fasan nicht gefunden werden konnte. Er fiel in den See, schwamm, wie ich vermute, ans Land und lief davon.«
»Ja,« versetzte ich, »besonders, da ich beschwören könnte, daß er mausetot war.«
»Das könnte ich auch, Quatermain, aber die Tatsache bleibt bestehen, daß er nicht da ist.«
»Wenn wir alle Fasanen hätten, die wir glauben totgeschossen zu haben, wäre unsere Beute viel größer als sie nun einmal ist«, bemerkte van Koop mit einem Ausdruck großer Erleichterung im Gesicht und fuhr dann in seiner widerlich gönnerhaften Weise fort:
»Immerhin, Sie haben ungewöhnlich gut geschossen, Quatermain. Ich hätte nicht geahnt,