Katja Brandis
Feuerblüte II
Im Reich der Wolkentrinker
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Inhaltsverzeichnis
Stein für Stein, Wort für Wort
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Der Lockruf der Gefahr
Auf den ersten Blick sahen Skorpionkatzen fast niedlich aus. Ihr silbrig grauer Pelz schützte sie tagsüber vor der Sonne und nachts vor der Kälte auf den Ebenen von Tassos, der Provinz der Feuer-Gilde. Wie alle Nachtjäger hatten sie große Augen. Ausgewachsen gingen sie einem Menschen gerade mal bis zum Knie. Doch ihre Klauen waren messerscharf und über ihrem Rücken wölbte sich der Schwanz mit dem Giftstachel, der sie zu tödlichen Gegnern machte.
Der Gedanke, eine von ihnen zu zähmen, ging Alena nicht aus dem Kopf. Es war streng verboten, sich mit den Katzen anzulegen. Noch ein Grund mehr, genau das zu tun. Es durfte nur niemand davon erfahren.
Ihr Vater Tavian war in der Schmiede, er schliff gerade einen Dolch. Er blickte nur kurz auf, als sie ihr Smaragdschwert anlegte und sich den Umhang über die Schultern warf. „Wohin gehst du?“
„Vielleicht zu den Phönixbäumen, mal schauen“, sagte Alena und strich sich das glatte rotbraune Haar aus der Stirn. Tavian nickte und konzentrierte sich wieder auf den Dolch. Alena schnappte sich den Lederbeutel mit Essensresten, den sie vorbereitet hatte, und ließ die metallene Tür der Pyramide hinter sich einrasten. Sie achtete darauf, dass niemand sie sah, als sie vom Pfad abbog und in Richtung der Ebene ging.
Skorpionkatzen sind nicht so bösartig, wie viele glauben, dachte Alena mit klopfendem Herzen. Hatte sie nicht mit eigenen Augen gesehen, wie zwei von ihnen schnurrend um Tjeri, den Gefährten ihrer Tante Rena, herumgestrichen waren? Gut, Tjeri war ein Sonderfall, alle Tiere liebten ihn. Aber dafür kam Alena mit Raubtieren besonders gut klar. Wer war schon wie sie mit einem Iltismenschen befreundet? Cchraskar war gerade unterwegs, sonst wäre er bestimmt mitgekommen zu den Katzen. Er liebte riskante Ausflüge.
Alena blickte zum Himmel um die Zeit zu schätzen. Sie hatte noch einen Viertel Sonnenumlauf, bis die Nacht hereinbrechen würde. In der Dämmerung gingen Skorpionkatzen auf die Jagd, manchmal im Rudel, manchmal allein. Wer ihnen dann begegnete, war in höchster Gefahr. Tagsüber schliefen sie meist, verkrochen in Felsspalten oder eingegraben in den lockeren schwarzen Sand. Es war wichtig, sie in dieser Zeit, wenn sie nicht so angriffslustig waren, besser kennen zu lernen.
Alena kletterte auf einen Felsen um nach einem Rudel Ausschau zu halten. Sie balancierte auf der Spitze des Gesteinsbrockens und blickte über die zerklüfteten schwarzen Ebenen ihrer Heimat hinweg. Es war ein heißer Frühlingstag, die Luft flimmerte über dem sandigen, mit Steinen übersäten Boden. Hier und da wuchsen kniehohe Romeras-Büsche mit ihren langen spitzen Blättern oder lugte der Keim eines Phönixbaums aus dem Sand. Im Norden, ganz weit in der Ferne, erkannte Alena einen grünen Saum, dort begann die Provinz Alaak.
Sie wandte den Blick wieder ihrer näheren Umgebung zu. Da! Diese kleinen Hügel ein paar Funkenflüge entfernt sahen verdächtig aus. Vorsichtig ging Alena darauf zu.
Im letzten Moment bemerkte sie, dass der Sand vor ihr sich leicht bewegte, sonst wäre sie auf eine der Katzen getreten. Das Tier fuhr auf und Sand rieselte von seinem gesträubten silbergrauen Fell. Schwarze Ohrenspitzen – es war ein junges Männchen. Alena machte erschrocken ein paar Schritte zurück. Kein Rudel in Sicht. Vielleicht war das hier ein Einzelgänger. So wie sie …
„Na, Kleiner?“, sagte Alena und wagte nicht mehr, sich zu rühren. Der Skorpionkater beobachtete sie und hielt den Stachel drohend gekrümmt. Wahrscheinlich hatte er genauso eine Höllenangst wie sie selbst? Wahrscheinlich überlegte er gerade, ob er weglaufen oder angreifen sollte …
Doch der Kater konnte sich anscheinend für keins von beiden entscheiden. Ratlos blickte er sie an und stieß einen fragenden Laut aus, der wie ein missglücktes Maunzen klang.
„Gut,