Mario Worm
Der Junge aus der Vorstadt III
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- Vollmond -
Copyright by Primär Verlag Berlin
Alle Rechte vorbehalten
Umschlagsgestaltung: Exakt Werbung, Simone Stolz
Coverfoto 1 © Mario Worm
Endkorrektur: Solveig Elsholz / Dietmar Blechschmid
Lektorat: Stefan Ment
Ebookversion
ISBN 978-3-948414-07-8
Gelistet in der Deutschen Nationalbibliothek.
Vorwort
Werte(r) Leser(in)
„Ich würde ja auch gerne schreiben, aber mir fällt nichts Geeignetes ein“ - Ich weiß nicht, wie oft ich diesen Satz bereits gehört habe. Nicht selten ernte ich Kopfschütteln und blicke in verunsicherte Gegenüber. Auf die Frage „Wo nimmst du nur die Einfälle her?“, lautet meine Antwort dann auch fast immer: „Nicht nur das Geld liegt auf der Straße, auch die Ideen für ein Buch.“ Nach dem man mich erneut schräg und ungläubig anschaut, gebe ich erste Anregungen: „Lies Zeitungen, schaue die richtigen Sendungen im Fernsehen, höre anderen Menschen aufmerksam zu! Dann kommt so manche Idee völlig unverhofft.“ Natürlich beginnt nach der Initialzündung die eigentliche Arbeit. Zuerst muss um die Kernidee einer Geschichte entwickelt und die Protagonisten mit Leben erfüllt werden. Dann kommt die wichtige und aufwendige Recherche. Ohne plausible Recherche entsteht keine glaubwürdige Handlung! Schließlich soll doch alles stimmig sein. Ist doch ärgerlich, wenn zeitgeschichtliche Hintergründe einer schnellen Google-Überprüfung nicht standhalten …
Das geduldige Zusammentragen und Orchestrieren von Handlungssträngen, Orten, Abläufen, Rückblenden etc. erfordert Sorgfalt. Erst wenn ich diesen Level erreicht habe, fange ich an zu schreiben. Oft sind es kleine Blöcke, einzelne Sätze, aber auch manchmal Episoden über mehrere Seiten, die dann am Ende wie Mosaiksteinchen zu einem Ganzen zusammengefügt werden. Und nicht selten kommt dann der Selbstzweifel. Du bist fast fertig mit dem „Rohgerüst“, als du merkst, dass du eine Kleinigkeit übersehen hast. Das kann als großer Fehler enden, den man einfach nicht ignorieren kann. Jetzt ist der Moment gekommen, an dem du die Story einfach hinschmeißen möchtest. Wenn du dann aber nach Lösungen statt nach Ausflüchten suchst, ergibt sich häufig sogar eine Wendung, die die ganze Geschichte noch besser macht als ursprünglich geplant. Es dauert eben nur etwas länger.
Wie bin ich auf den Plot für mein neues Buch gestoßen? Februar 2019 - die Zeitungen titelten „Rebecca aus Berlin vermisst“. Monatelang ermittelte die Kriminalpolizei, vernahm, beschuldigte, suchte. Ohne Erfolg. Bis heute bleibt die damals Fünfzehnjährige verschwunden. Okay, das wäre doch ein Ansatz! Mach daraus eine Geschichte! Doch da gab es noch einen Fall, den ich bereits lange verfolgte. Ein kleines Mädchen aus dem oberfränkischen Lichtenberg, ebenfalls verschwunden. Nur hier präsentierte die Polizei einen Fahndungserfolg: Man verhaftete den Täter Ulfi K., der die Tat auch gestand. Es gab zwar keinen Leichnam, und auch der Gesundheitszustand des Angeklagten spielte nur eine untergeordnete Rolle. Für eine Verurteilung und anschließende Sicherungsverwahrung reichte es dennoch. Erst fünfzehn Jahre später entdeckte man die sterblichen Überreste des Mädchens, die in einem Wald, nur zwölf Kilometer von ihrem Wohnort entfernt, gesichert wurden. Zehn ganze Jahre wurde Ulfi K. weggeschlossen, weil er so gefährlich sei und die Allgemeinheit vor ihm und auch er vor sich selbst geschützt werden musste. Doch mit dem Fund der Leiche wendete sich das Blatt, der wahrhaft Schuldige wurde gefunden. Im Umkehrschluss war Ulfi K. unschuldig, man hatte ihm zehn Jahre seines Lebens genommen. Ein Gedanke, bei dem es mir eiskalt den Rücken hinunterläuft.
Zu diesem Zeitpunkt signalisierte mir mein Rechtsanwalt und Freund Michael Dobus, dass er auch beim neuen „Vorstadtjungen“ für die Paragrafen „Pate“ stehen würde. Zudem erklärte er mir, dass eine Sicherungsverwahrung wesentlich schlimmer für den Delinquenten ist als eine Haftstrafe, weil bei der zweiten Sanktion ein Ende definiert ist, bei der ersten aber nicht. Erst Ärzte, Gutachter und schließlich ein Gericht können die Sicherungsverwahrung beenden. Das war sie nun also, die Triebfeder meiner Geschichte! Ich transferierte das Geschehen ins letzte Jahr der DDR, beschäftigte mich ausgiebig mit der dortigen Psychiatrie, unterhielt mich mit betroffenen Zeitzeugen, die über ungeahnte Gräueltaten berichteten. Ich bin mitten im Schreibfluss, als im Fernsehen eine meiner Lieblings- reportagen läuft. „Team Wallraff deckt auf“. Ich mag Wallraff, weil er letztlich eine ehrliche Type ist. Mein Lieblingsbuch von ihm ist „Ganz Unten“. Nur heute ist er mal kein „Türke“, sondern Undercover in Sachen moderner Psychiatrie unterwegs. Schockiert muss ich mit ansehen, wie sich einige Vorgehensweisen von damals heute wiederholen, wie Patienten manipuliert, gedemütigt oder fixiert werden, um längere Zeit auf einem Flur zu nächtigen. Wohl gemerkt, wir schreiben das Jahr 2020 und nicht 1989. Und eine DDR gibt es auch nicht mehr.
Ein weiteres Wort vorweg: Die Namen der Kliniken, der Ärzte und Pfleger in diesem Buch sind genauso frei erfunden wie die Protagonisten. Dies ist nicht die Geschichte des Ulfi K., sondern sein Schicksal war es, das mich zusätzlich motiviert hat, dieses Buch zu verfassen.
Der Autor eines Buches muss jeweils in die Rolle des gerade Agierenden schlüpfen. Bei mir hat das bisweilen einen mittelschweren Anflug von Schizophrenie erzeugt. Als ich mich am Telefon mit Rechtsanwaltskanzlei Koch meldete, wusste ich, jetzt ist genug! Mit diesem dritten Teil ist wohl alles gesagt. Deshalb hält ihr, verehrte Leser, auch den voraussichtlichen letzten Teil dieser Serie in den Händen. Aber man kann ja nicht wissen!
Natürlich hat auch dieses Cover wieder meine liebe Simone gestaltet. Vielen lieben Dank dafür. Auch ein riesengroßes Dankeschön an Solli und Didi, die die Endkorrektur vorgenommen haben. Mein Dank gilt auch meinem Lektor Stefan, den Anwälten Michael und Olaf und natürlich meiner Familie, die erneut Zeit opfern musste. Nicht zuletzt Grüße ich in Dankbarkeit meine treuen Leser, für die ich ja letztendlich