Anton Weiß
Befreiung durch Bälle jonglieren
Zen in der Kunst des Bälle Jonglierens
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Inhaltsverzeichnis
II. Praxis des Bälle Jonglierens
Meditieren - durch Bälle jonglieren!
Vorwort:
Es ist nicht ganz leicht, wenn man es unternimmt, so ein Buch zu schreiben, zu erfassen, was man als Wissen beim Leser voraussetzen kann. Wer mit Zen-Buddhismus und Advaita-Literatur vertraut ist, für den mag manches nur schon oft Gehörtes sein. Wer zum ersten Mal mit östlichem Denken in Berührung kommt, für den erscheint wohl manches sehr verkürzt und vielleicht unverständlich. Da möchte ich aber auf die reichhaltige Literatur verweisen, die es in der spirituellen – nicht esoterischen! – Szene gibt. Wer sich von dem vorliegenden Büchlein angesprochen fühlt, wird sich sowieso tiefer in die Materie einarbeiten wollen.
Einführung
Befreiung durch Bälle jonglieren? Das klingt wohl zu phantastisch, als dass man es glauben könnte. Und Sie haben recht: Um es gleich zu sagen und Ihnen Enttäuschung zu ersparen: einen Automatismus gibt es nicht! Das gibt es gerade im geistigen Bereich nicht, dass ich eine Methode, eine Technik anwende und darauf hoffe, Erfolg zu haben, ohne mich voll der Sache hinzugeben. Sie werden voll gefordert und es ist Ihre Entscheidung, ob Sie sich voll fordern lassen wollen. Es ist keine Pille, die Sie schlucken könnten, um dadurch zur Befreiung zu gelangen. Jeder muss selber den Weg gehen; das kann einem niemand abnehmen.
Ich verweise auf eine Stelle, wo Buddha sagt:
„Ich trage niemanden auf meinen Schultern, um ihn an das letzte Ziel zu bringen. Niemand kann einen anderen auf den Schultern zum letzten Ziel tragen. In Liebe und Mitgefühl kann er höchstens sagen: ‚Also, so ist der Weg, und so bin ich gegangen. Arbeite auch du, gehe du ihn auch, und du wirst das Ziel erreichen.’ Aber jeder Mensch muss ihn selber gehen, muss jeden Schritt des Weges selber tun. Wer einen Schritt gemacht hat, ist einen Schritt näher am Ziel. Wer hundert Schritte gemacht hat, ist hundert Schritte näher am Ziel. Wer alle Schritte auf dem Weg gemacht hat, hat das letzte Ziel erreicht. Du selbst musst den Weg gehen.“
(entnommen aus dem Buch „Geschichten, die der Seele gut tun“ von Jack Kornfield & Christina Feldmann, S. 131)
Ich denke, dass dieses Büchlein nicht das erste ist, das Ihr Interesse erweckt hat, weil von „Befreiung“ die Rede ist. Vielleicht haben Sie schon Yoga- oder Meditations-Kurse besucht. Ich gehe davon aus, dass Sie auf der Suche sind und offensichtlich bisher noch nicht gefunden haben, sich noch nicht als „erleuchtet“ oder „befreit“ bezeichnen würden.
Beide Begriffe werden meistens ziemlich gleichbedeutend verwendet. Ich möchte aber eine Unterscheidung treffen. Wenn von „Erleuchtung“ die Rede ist, dann stellen sich wohl viele ein tolles Erlebnis hervor, vielleicht so ähnlich, wie es durch die Einnahme von LSD bewirkt wird. In den 70-er Jahren gab es einen amerikanischen Professor Timothy Leary, der propagiert hat, Drogen zu nehmen, um religiöse Erfahrung zu machen. Erfahrungen mit Drogen wie LSD und Meskalin ähneln durchaus der Erfahrung, die ein Zen-Meister schildert:
„Eines Tages entrümpelte ich meinen Kopf von allen Vorstellungen. Ich gab jedes Wünschen auf. Ich warf alle Worte, mit denen ich dachte, fort und verharrte in Ruhe. Ich hatte ein etwas seltsames Gefühl – als sei ich irgendwo hingeraten oder ich rührte an eine mir unbekannte Macht … und husch! ich trat ein. Ich verlor die Begrenzung meines leiblichen Körpers. Ich behielt natürlich meine Haut, aber ich fühlte mich im Mittelpunkt des Kosmos stehend. Ich sprach, meine Worte jedoch hatten ihre Bedeutung verloren. Ich sah Leute auf mich zukommen, aber sie alle waren ein und dasselbe. Alle waren ich selbst! Diese Welt war mir völlig unbekannt. Ich hatte geglaubt, ich sei erschaffen worden, jetzt jedoch musste ich meine Meinung ändern: Ich war niemals erschaffen worden, ich war der Kosmos, ein Individuum mit Namen Mr. Sasaki gab es nicht.“
(entnommen aus Alan Watts, Zen-Buddhismus, S. 152)
Ich halte diese Schilderung für ein Entgrenzungserlebnis, das wohl die meisten mit Erleuchtung in Verbindung bringen. Ich denke, dass das von vielen angestrebt wird, die sich der Meditation hingeben. So ein Entgrenzungserlebnis kann man auch bei anderen Gelegenheiten haben: beim Betrachten eines Sonnenuntergangs, beim Hören von Musik, wenn man sich am Strand dem Meeresrauschen hingibt. Es sind schöne Erlebnisse, aber sie bewirken nicht das, worum es mir geht: Um die Transzendierung des Ichs.
Einer der bedeutendsten Lehrer des Advaita in der neueren Zeit dürfte Ramana Maharshi sein. Er ist der Überzeugung, dass man Erleuchtung nur erlangen kann, wenn man sich aus der Welt zurückzieht und sich der Meditation hingibt. Hingegen muss man meiner Überzeugung nach im konkreten Leben in dieser Welt dahin gelangen, einen Standpunkt zu erringen, der es einem ermöglicht, in dieser Welt zu leben, aber frei zu sein von den Verstrickungen im Ich, in denen sich die meisten Menschen befinden. Um diese Befreiung aus der Gebundenheit und Gefangenheit im Ich geht es mir.
Ich möchte das an einer Begebenheit verdeutlichen, die Ajahn Brahm von sich erzählt, in der beide Sichtweisen – Erleuchtung und Befreiung – aufgezeigt werden:
„In meinem vierten Jahr als Mönch in Thailand meditierte ich lange Zeit in einem abgelegenen Kloster im Nordosten des Landes. Bei einem sehr ausgedehnten Meditations-Gehen wurde mein Geist eines Abends zu sehr später Stunde plötzlich außergewöhnlich klar. Tiefe Erkenntnisse stürzten wie ein Gebirgs-Wasserfall auf mich herab, und plötzlich begriff ich unergründliche Mysterien, von deren Existenz ich zuvor keine Ahnung gehabt hatte. Dann geschah das ganz Große. Es riss mich gänzlich hin, überwältigte mich. Das war es. Die Erleuchtung.
Eine solche Glückseligkeit hatte ich noch nie erlebt. So viel unglaubliche Freude, doch gleichzeitig war alles in mir und um mich herum voller Frieden. … Enttäuschend war allerdings, dass sie nicht sonderlich lange anhielt.
In jenen Tagen war das Essen im nordöstlichen Thailand ausgesprochen widerwärtig. … Normalerweise bestand unsere Tagesmahlzeit aus vergammeltem Fischcurry, das tatsächlich total vergammelt war. … Am Tag nach meiner Erleuchtung sah ich zu meiner Überraschung zwei unterschiedliche Currys auf dem Tisch, um unserem klebrigen Reis zu Geschmack zu verhelfen. Einmal das übliche stinkende Fischcurry, aber daneben stand ein genießbares Schweinecurry. Wie schön, dachte ich, eine passende Mahlzeit, um meine Offenbarung zu feiern.
Der Abt bediente sich vor mir. Er nahm drei riesige Kellen des herrlichen Schweinecurrys – der Vielfraß! Aber es war noch genug für mich übrig. Doch anstatt