Sabine von der Wellen
Die Hoffnung aus der Vergangenheit
Tims Schicksal
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Die Alchemistischen Freidenker
Die Herausforderung des Schicksals
Die Träume
Ich sitze in meinem Auto vor dem Kölner Musical Dome und schließe einen Moment resigniert die Augen. Vorbei. Alles ist vorbei. Was soll ich jetzt nur mit meinem Leben anfangen?
Ich schrecke zusammen, als jemand an meine Scheibe klopft.
Kai und Arno stehen an der Tür und grinsen mich an. Kais Gestalt wird dabei fast von Arnos Masse und seiner kupferroten Lockenmähne geschluckt.
Ich lasse meine Scheibe herunterfahren und kalte Luft schlägt mir entgegen.
„Hey Tim, du warst so schnell verschwunden. Fährst du jetzt nach Hause?“, fragt Kai und schiebt sich näher an die Fensteröffnung heran. Er ist einer der Geiger unseres Orchesters.
Ich nicke nur und versuche ein gut gelauntes Lächeln in meine Mundwinkel zu zaubern.
„Nah, dann wünschen wir dir eine gute Fahrt und alles Gute. Das war echt eine krasse Zeit. Vielleicht sehen wir uns mal wieder? Aus dir wird bestimmt noch ein ganz Großer!“, röhrt Arno mit seiner Tenorstimme. Er ist einer von den Multitalenten, der mindestens sechs Instrumente spielt und sogar singen kann. Er war in unserem Orchester immer der Springer, wenn jemand ausfiel.
„Schauen wir mal“, raune ich und versuche nicht zu niedergeschlagen zu klingen. „Und ich muss jetzt los. Euch noch viel Erfolg. Vielleicht trifft man sich mal wieder … bei so einer Geschichte wie dieser hier.“ Ich nicke zu dem großen Gebäude hin, in dem wir heute unsere letzte Aufführung des Musicals und das Abschlussessen hatten. Schnell lasse ich den Motor aufbrummen, als hätte ich es wirklich eilig und nicke den beiden jungen Männern noch einmal zu.
„Wäre klasse!“, ruft Kai noch und ich gebe Gas und setze aus der Parklücke, um schnellstmöglich aus deren Blickfeld und von dem noch überfüllten Parkplatz zu fliehen. Ich bin offenbar der erste, der die Veranstaltung verließ.
Ich hasse Abschiede und hatte Angst, dass jemand merkt, wie sehr mich das Ende unserer Musicaltour aus der Bahn wirft. Vor allem von Jonas möchte ich mich nicht verabschieden müssen. Ich würde bestimmt wie ein Mädchen anfangen zu heulen. Dabei war ich immer der Großkotz gewesen, der allen eine völlig heile Welt hinter der Fassade des Pianisten vorgespielt hatte, der es nicht abwarten kann, dass die Tour endlich zu Ende geht.
Nun ist das Ende da und alle glauben, ich fahre jetzt glücklich zu meiner Liebsten, die zuhause schon mit offenen Armen auf mich wartet. Das hatte ich zumindest allen bis zum Schluss vorgegaukelt.
Dass es diese Liebste gibt, wegen der ich letztendlich keine andere mehr an mich heranließ, und mit der ich morgens immer telefonierte und zu der ich fuhr, wann immer ich konnte, weiß jeder. Die eine Frau, die nur mich will und niemanden sonst. Die eine Frau, mit der ich mein Leben teilen werde, bis wir sterben.
Allen spielte ich bis zum Schluss vor, dass es immer noch so in meinem Leben aussieht. Aber sie irren sich, wie auch ich mich in der Annahme irrte, dass Carolin unabänderlich für immer zu mir gehören wird. Dabei sind wir von einem alchemistischen Vorfahren zu einem gemeinsamen Leben bestimmt worden und es gibt sogar eine Weissagung einer durchgeknallten Sekte dazu.
Aber nun ist nichts so, wie ich dachte.
Vier Monate war ich jetzt durch ganz Deutschland getourt und hatte die Musicalaufführung begleitet. Es war eine unglaubliche Zeit und zum Anfang die Erfüllung eines Traumes. Doch das änderte sich schlagartig, als Carolin sich aus meinem Leben stahl.
Ich war beliebt und begehrt - das jüngste Mitglied des Orchesters, das so unglaublich spielen kann und so gut aussieht. Die Schauspielerinnen, Sängerinnen und Musikerinnen liebten anfangs den zurückhaltenden Neunzehnjährigen, der so sehr an die große Liebe glaubt und ihr treu ergeben ist. Das zog auch das kälteste Herz auf meine Seite. Und ich hatte die meiste Zeit dieser Tour ein klares Ziel vor Augen, das ich am Ende dieses Engagement ansteuern wollte. Ich glaubte fest daran, dass ich danach zu der Frau fahre, der mein ganzes Denken und Sein gehört. Der Frau, die unabänderlich an mich gebunden ist. Doch sie brach aus diesem Bund aus und glaubt offenbar damit durchzukommen. Genauso wie sie glaubt, dass sie tun und lassen kann, was sie will und sich an den Hals von irgendwem werfen darf.
Aber wir sind die Nachkommen eines vor fast sechzig Jahren verstorbenen Alchemisten, der zu seinen Lebzeiten die Unsterblichkeit angestrebt hatte, um dann doch nur von einem Pulk aufgebrachter Bauern verbrannt zu werden. Allerdings starb er nicht wie jeder andere und verschwand von diesem Planeten, sondern schlich sich in seine Nachkommen, um ihnen das Leben letztendlich zur Hölle zu machen.
Ich nahm ihn schon sehr früh in meinem Leben war. Er kam des Nachts in meine Träume, wenn ich mich einsam und allein fühlte und nahm mich mit in seine aufregenden Traumwelten, die sich letztendlich als Erinnerungen aus seinem Leben herausstellten. Ich war noch so klein und machte mir keine Gedanken darüber, was da in mir vor sich ging. Er war immer für mich da und ich fühlte mich nicht mehr so unglücklich und allein.
Meine Mutter ist auch Pianistin und immer unterwegs. Sie war stolz darauf, als Alleinerziehende alles so vorbildlich zu meistern und so landete ich ständig in irgendwelchen Hotelzimmern mit irgendwelchen fremden Babysittern, denen ich eigentlich egal war, während meine Mutter ihre Auftritte genoss. Sie liebt es, im Rampenlicht zu stehen und umjubelt zu werden. Das war ihre eigentliche Welt. Ich war nur das unliebsame Anhängsel, das mitgezogen werden musste. Und um niemanden glauben zu lassen, dass sie eine ruhmgeile Schlange ist, die ihr Kind vernachlässigt, gab sie sich streng gläubig und der Kirche verbunden. Sie nahm mich dorthin mit, wann immer es ging, kannte alle Gottesdienstzeiten in den Städten, die wir bereisten, und betete immer mit mir vor dem Schlafengehen. Das war ihr wichtig und wurde bei jedem Interview erwähnt. Nicht selten folgten uns die Paparazzi, und sie spielte ihre Rolle als liebende Mutter und gläubige Evangelistin, die Gottes Gnade zu so einer begnadeten Pianistin werden ließ. Ich erkannte erst später, dass dies alles zu ihrem Imageplan gehörte.
Ansonsten war ich in meinen ersten Lebensjahren eher eine Belastung für sie, die sie ertrug, wann immer es sich nicht vermeiden ließ. Das änderte sich erst, als ich selbst begann Klavier zu spielen und sofort ungeahntes Talent zeigte. Da bekam ich etwas mehr Wichtigkeit in ihrem Leben, da sie