Norman Dark
Motel der Geister
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Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Die Menschen lieben die Dämmerung
Mehr als den hellen Tag,
und eben in der Dämmerung
erscheinen die Gespenster
Johann Wolfgang von Goethe (1749 – 1832)
Dieser Roman ist während der Corona-Pandemie entstanden, doch dieses Thema fließt nicht in die Handlung ein. Ein Mystery-Roman sollte meiner Meinung nach nur so viel Realität beinhalten wie unbedingt notwendig, denn gerade das Surreale macht ihn so spannend. Einigen Lesern wird meine Entscheidung nicht gefallen, aber man kann es nicht jedem recht machen. Dennoch hoffe ich, dass wir alle die Krise mehr oder minder heil überstehen und bald wieder „normale“ Verhältnisse einkehren werden. Besonders was die Kleinkunstszene betrifft, die es besonders hart getroffen hat. In diesem Sinne: Bleiben Sie bitte gesund!
Norman Dark
im Dezember 2020
Prolog
Es war seine erste Nacht in diesem sonderbaren Motel, in dem es scheinbar keine anderen Gäste außer ihm gab. Obwohl vereinzelt Pkws draußen parkten, hatte sich niemand blicken lassen. Unter normalen Umständen wäre er nicht dort abgestiegen, doch er war einfach zu müde, um noch weiterzufahren. Von außen machte das weitläufige Haus mit seinen zwei Etagen und mehreren Nebengebäuden keinen besonders einladenden Eindruck. Im Gegenteil – es wirkte beinahe abweisend, fast feindselig. Falls man einem Haus überhaupt einen Charakter zuweisen konnte. Und sobald man es betrat, spürte man sofort die unheimliche Atmosphäre. Als tauche man in eine fremde Welt ein, in der Eindringlinge nichts zu suchen hatten. Ein Gefühl, das Gänsehaut am ganzen Körper verursachte.
Fast noch eigenartiger war das Personal. Der Mann am Empfang mit seinen dicken Brillengläsern und dem kalten Blick dahinter. Nein, er war nicht unfreundlich gewesen, aber ohne jegliche Empathie. Er hatte sich eines geschäftsmäßigen Tons befleißigt und regelrecht unbeteiligt gewirkt. Vom gleichen Kaliber war der Mann hinter der Bar. Nur dass der ein völlig unpassendes dreckiges Grinsen aufgesetzt hatte. Ein schmieriger Bursche, mit dem man keinen näheren Kontakt wünschte. Und das Zimmermädchen hatte seltsam entrückt gewirkt, als wäre sie in Trance oder unter dem Einfluss von Drogen gewesen. Nun ja, für eine Nacht würde es auszuhalten sein, dachte er. Dass man ihm eher reserviert gegenübertrat und es ihm keiner recht machen konnte, war er schon gewohnt.
Das Apartment hatte sich als einfach, aber auf den ersten Blick als sauber herausgestellt. Die Möblierung war eher zeitlos als modern. Mit zwei Clubsesseln und einem runden Tisch vor dem Fenster und einem breiten, sehr bequem wirkenden Bett. Auf den soliden Nachtschränken aus Holz stand auf jeder Seite eine Lampe mit cremefarbenem, geradem Schirm. Doch die Glühbirnen verbreiteten eher ein schummeriges Licht. Vor dem Schlafengehen wollte er sich noch den Staub vom Highway abwaschen und war sehr erleichtert, als er feststellte, dass die Dusche einwandfrei funktionierte und es genügend warmes Wasser gab. Auch konnte er keinen Schimmel zwischen den weißen Fliesen entdecken.
Er konnte kaum länger als eine Stunde geschlafen haben, als er durch ein Poltern über ihm geweckt wurde. Grummelnd drehte er sich auf die andere Seite und wollte weiterschlafen, doch oben schien jemand das Zimmer mit einem Exerzierplatz zu verwechseln. Die schweren Schritte wechselten ständig die Richtung. Entnervt legte er sich auf den Rücken und starrte die Decke an, weil er befürchtete, diese müsse jeden Moment herunterkommen. Zumal die Deckenlampe schon bedenklich schaukelte.
Gerade, als er aufstehen wollte, um sich bei dem Gast über ihm zu beschweren, spürte er eine Bewegung neben seinem Körper. Rechts und links griffen Hände nach ihm und zogen ihn mit großer Kraft unweigerlich ins Innere der Matratze, sodass er in Panik geriet und Angst hatte, er würde ersticken. Dann wurde ihm schwarz vor Augen und er stürzte in eine bodenlose Tiefe.
Er bekam nicht mehr mit, wie ein Mann mit dem Passepartout die Tür öffnete und sah, wie sich der Spalt in der Matratze langsam schloss. Nur ein Büschel schwarzer Haare schaute noch einen Moment heraus. Dann war der Riss wieder geschlossen, und niemand, der es nicht besser wusste, hätte vermutet, dass es jemals einen solchen gegeben hatte.
»Oh nein, es ist schon wieder passiert«, sagte der Mann. »Wie gemein. Dabei hat er mir gehört.«
1. Kapitel
Coralie Williams fuhr mit gespannter Erwartung den Highway 95 entlang, auf dem man bequem von Las Vegas bis nach Reno gelangen konnte. Sie wollte einen Neuanfang wagen, ganz ohne Yoda mit seiner besitzergreifenden Art, die ihr die Luft zum Atmen nahm. Zwischen ihnen hatte es schon lange nicht mehr gestimmt. Hatte sie ihn überhaupt jemals geliebt oder nur körperlich anziehend gefunden? Erotik und Sex waren etwas Wunderbares, aber leider oft eine flüchtige Angelegenheit, die sich schnell in Gleichgültigkeit oder gar Ekel umkehren konnte. Als sie das Inserat gelesen hatte, war ihr sofort klar geworden, das war die Chance, den Absprung zu schaffen. In einem kleinen Motel in der Wüste Nevadas würde sie Yoda bestimmt nicht suchen, weil er sie für ein Luxusgeschöpf hielt, das ohne ein gewisses Flair gar nicht existieren konnte.
Sie hatte noch etwas Zeit bis zu ihrem Vorstellungstermin, deshalb kehrte sie kurz in eines der typischen Diner ein. Es war nicht besonders gut besucht, so kam die Bedienung gleich auf sie zu. Eine dralle Blondine, die ihren Kaugummi kurzzeitig in den hintersten Winkel ihres rot geschminkten Mundes schob. Auf ihrem Namensschild stand: „Maddy“, ein Name, den Coralie durchaus passend fand.
»Hi, Kaffee?«, fragte sie lächelnd.
»Ja gern, den kann ich jetzt gebrauchen.«
»Auch etwas zu essen? Einen Burger oder unser Tagesgericht?«
»Ein Donut mit Schoko