Reisen Band 2. Gerstäcker Friedrich. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gerstäcker Friedrich
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753132471
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Landsmann vor sich zu sehen glaubte, waren all' seine Sympathien auf alle nur erdenklichen Mordtaten und Schreckensgeschichten des alten Landes in einer so harmlosen als rührenden Weise gerichtet. - Wie sich der Ackerbauer, wenn lange Zeit in See, nach seinem Pflug, der Jäger nach seinem Wald sehnt, so weckte der Name der Heimat in seinem Herzen eben so liebgewonnene Klänge, die das Blut eines Andern erstarren gemacht.

       E i n s c h ö n e r M o r d ! - was für eine furchtbare Poesie liegt in den wenigen Worten - ich glaube der Mann würde einem ihm zur Exekution Übergebenen in voller Seelenfreude um den Hals gefallen sein, und sich auf so herzliche wie aufrichtige Weise bei ihm bedankt haben, daß er ihm das Vergnügen mache, sich von ihm hängen zu lassen. Und trotzdem lag wieder eine unendliche Gutmütigkeit in seinen Zügen; /25/ der Mann selber, das bin ich überzeugt, hätte nicht so leicht ein Verbrechen begehen können, ausgenommen vielleicht in Aufopferung für die Kunst, dann aber auch mit Wonne. - Der Bursche soll übrigens später, trotz seiner anscheinenden Harmlosigkeit, wenigstens gezeigt haben, daß er Mutterwitz habe. Als das Schiff Monate nachher auf den Sandwichsinseln noch mit vielen anderen Walfischfängern zusammenkam, wußte er sich dort einige Medizinen zu verschaffen, und trat nun plötzlich, in seiner Eigenschaft als Scharfrichter, dem die stets abergläubischen Matrosen nur zu gern geheime Wissenschaften und Kräfte zuschreiben, als eine Art Doktor auf, der „für Alles gut war", und bekam bedeutenden Zuspruch. Ich weiß freilich nicht, ob er sich später noch gut aus der Affaire gezogen.

       Mit dem Arzt der Otaheite, ebenfalls einem Deutschen, machte ich am 12. Februar einen kurzen Ausflug in das gleich oberhalb Papetee liegende Thal, das insofern historische Bedeutung hat, als sich die Eingeborenen hier in dem letzten französischen Kriege, von anderen Fremden, besonders von Engländern und Amerikanern, heimlich mit Waffen und Munition versehen, durch das Terrain unterstützt, tapfer und unüberwunden hielten, bis Einer ihres eigenen Stammes verräterischer Weise den Feinden des Vaterlandes einen Engpaß zeigte. Und dieser Mann - eine kleine untersetzte tätowierte Gestalt mit schmalen unsteten Augen, geht jetzt gar fromm und ehrbar in schwarzem Frack und rotem Lendentuch einher, gehört zu den innigsten Anhängern der Kirche und ist eins der geachtetstcn Glieder der christlichen tahitischen Gemeinde.

       Dem kleinen Fluß aufwärts folgend, in dessen unterem Tal noch einzelne kleine Wohnhäuser und Gärten von einer Fenz umschlossen waren, konnten wir im Anfang wirklich kaum durch den fast undurchdringlichen Guiavenwald pressen, der hier Alles mit einer wildverwachsenen Masse von Sträuchern und Bäumen überzogen hatte.

       Die Missionäre haben die Guiaven mit anderen Früchten hier herüber gebracht, und wenngleich im Anfang gut gemeint, ist es doch fast zum Fluch der schönen Täler dieser Inseln /26/ geworden. So ungern der Indianer selbst früher daran ging, wo das Land ihm noch nicht die mindesten Schwierigkeiten bot, seinen Acker zu bebauen und süße Kartoffeln zu ^stanzen oder einen Bananengarten anzulegen, so viel schwerer wird es ihm jetzt gemacht, wo er selbst anfangen muß hartnäckiges Buschwerk und junge zähe Baumwurzeln auszuroden, um nur erst einmal zu dein Boden zu kommen, den er bepflanzen will. Die Guiaven zogen sich bis hoch in das Thal hinauf, und erst wo wirklich steilere Hügel begannen, blieben sie zurück, oder kamen hier wenigstens nur einzeln vor, anderen Fruchtbäumen den Vorrang lastend.- Einzelne Cocospalmen standen hier eben so zerstreut als Orangen und Citronen, mit der tahitischen Kastanie, sogenannten mapé und dem stattlichen Wibaum wie der indischen manga (spondias) - und bald fanden wir uns in einer engen, aber höchst romantischen Schlucht, an deren beiden Seiten hohe schroffe, aber nichtsdestoweniger dichtbewaldete und bewachsene Felshänge emporstiegen, den zwischen ihnen durchbrausenden Strom oft fast überragend. Je weiter wir auswärts kamen, desto seltener wurden die Palmen, und als wir die Guiaven auch hinter uns ließen, traten wir in einen fast europäisch, wenigstens nordisch aussehenden Wald, in dem die mapés mit ihren großen lorbeerähnlichen Blättern, und wie gefalteten Stämmen, mit den stattlichen Wibäumen, die in Wuchs und Aussehen viel Ähnlichkeit mit unseren Buchen haben, entschieden vorherrschend waren. Der tui tui- oder Lichtnußbaum (aleurites triloba) mit seinen ahorngleichen Blättern stand hier ebenfalls in großen Massen. Hoch darüber hinaus ragten die grünen jähen Felswände, an denen hinauf zu schauen man schon schwindlig wurde, während hier und da an kleinen Hängen, selbst hoch oben, vielleicht tausend Fuß über der Meeresfläche, kleine Gruppen von Palmen, etwa fünf oder sechs, zusammenstanden, und wie schüchtern an dem Hang niederschauten, wo doch dicht bei ihnen hin ein kleiner Quell rasch und sprudelnd vorüberbrauste, und mit keckem Satz, gerade an der schroffsten, gefährlichst aussehenden Stelle, in die Tiefe sprang.

      Der Weg wurde hier mühsam, denn die Felswände /27/ bildeten nur ein ganz schmales, meist mit großen Steinen überworfenes Thal, durch das sich der kleine Bergstrom rauschend und stürmisch die oft gehinderte Bahn brach, bald an dieser, bald an jener schroff abgerissenen Wand hinunterbrausend, und den schmalen Pfad, der das Tal herunterkam, dadurch bald auf diese bald auf jene Seite zwingend. Es blieb uns deshalb auch gar nichts weiter übrig, als herüber und hinüber zu waten, so oft er sich uns in den Weg warf, denn eine Eidechse hätte kaum an den schlüpfrigen steilen Felsen hinüberkommen können, ihn zu umgehen. Das Wasser war selten tiefer als bis zu den Knien, aber ungemein reißend, und die Steine, die rauh und wild über einander hin den Grund bildeten, schlüpfrig und mit schleimigem Moos überzogen.

      Die Hitze wurde dabei ziemlich drückend, aber wir hatten nicht allein frisches Wasser genug, und zwar mehr als uns lieb war, sondern auch hier und da herrliche Orangen, wegen deren Tahiti überhaupt berühmt ist.

       Mit dem Doktor war übrigens bös fort zu kommen; noch an keine solchen Touren gewöhnt, und wenn ich nicht irre zum e r s t e n Mal in seinem Leben auf fremdem Boden, nachdem er das Vaterland verlassen, und d e r Boden gleich Tahiti, wußte er sich eben nicht sogleich in die Unbequemlichkeiten des Weges zu schicken. An dem einen Ufer des Stromes bekam er seine Stiefel gewöhnlich nicht aus, und an dem andern nicht wieder an, und barfuß weiter gehen konnte er auch nicht; so versäumten wir denn eine Masse Zeit und rückten nur ungemein langsam vorwärts. Soviel als möglich suchten wir dabei die Biegungen des Flusses zu umgehen, wo sich das wenigstens nur halbwegs machen ließ, und wir kletterten auch eben wieder an einem der feuchten, schattigen Hänge hin, die hier gar kein Unterholz, nur Moos trugen, und deren Wald fast allein aus tui tui, Mapes und anderen hochstämmigen Hölzern bestanden, als ich eine Art grauer Nüsse auf der Erde, und zwar in ziemlicher Menge, liegen fand, die dem Aussehen nach ungefähr den amerikanischen Hickory- oder Walnüssen glichen. Ich schlug eine auf und kostete sie; sie enthielt einen etwas öligen, aber sehr /28/ wohlschmeckenden süßen, gelblich weißen Kern; dem Doktor schmeckte sie auch, und wir machten uns - hungrig waren wir Beide etwas geworden - ohne Weiteres darüber her. Das sollte uns übrigens schlecht bekommen, denn die Nuß war giftig, und ein Glück, daß sich die Natur selber wieder half, das Gift über Bord zu werfen und uns von sonst vielleicht bösen Folgen zu befreien.

      Am nächsten Tag ließ ich mich übrigens nicht abhalten, noch einmal, und zwar nach der andern Richtung hin, das Innere des Landes zu besehen; ich wanderte also die Broomroad hinunter und bog dann links in die Berge ab, die sich in nicht gerade zu steilen Hängen dem Mittelpunkt der Insel und den höchsten Gipfeln der Berge zu zogen. Interessant war mir hier eine an den Hängen der Hügel, und zwar mitten im Wald angelegte Kaffeeplantagc, bei der ich wirklich nur durch die regelmäßig gepflanzten Kaffeebäumchen darauf aufmerksam gemacht wurde, daß ich mich nicht im freien Walde befinde. Der Kaffee will nämlich Schatten, um zu gedeihen, und wo solche Plantagen angelegt werden und noch keine größeren Bäume stehen, müssen solche gepflanzt werden. Das hatte man denn hier ganz vorteilhaft benutzt, und die kleinen Stämme gediehen gar wacker und saßen voller Früchte.

      Auch heute machte ich wieder einen Versuch, einen der höheren Punkte zu erreichen, teils aber war ich noch, nach dem Genuß der verwünschten Lichtnüsse2 zu schwach und' angegriffen, eine so beschwerliche Tour, und noch dazu allein, zu unternehmen, teils überraschte mich wieder einer der fast regelmäßigen Nachmittagsregen mit einem so furchtbaren Guß, daß ich wirklich fürchtete, weggewaschen zu werden. Die Büsche waren dabei naß geworden, und wenn es eine Viertelstunde aufgehört hatte, fing es mit solcher Gewalt wieder an, während schwere Nebel, ja fast Wolkenmassen immer tiefer /29/ und tiefer lagerten, daß ich froh war, als ich das Haus wieder erreicht hatte, um meine Kleider zu wechseln.

      Wie ich zurück in das