Kirche im Nachkriegs-Mecklenburg um 1950-60. Jürgen Ruszkowski. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jürgen Ruszkowski
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783847688228
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      Jürgen Ruszkowski

      Kirche im Nachkriegs-Mecklenburg um 1950-60

      Berichte zur Zeitgeschichte - Anthologie - Band 72 in der gelben Reihe "Zeitzeugen des Alltags"

      Dieses ebook wurde erstellt bei

       Verlagslogo

      Inhaltsverzeichnis

       Titel

       Vorwort des Herausgebers

       Landesjugendpastor Friedrich Franz Wellingerhof – Schwerin

       Arvid Schnauer: Junge Gemeinde in Schwerin

       Jürgen Ruszkowski: Mein Weg zur Kirche

       Propst Otto Münster berichtet über Grevesmühlen ab 1945

       Wilhelm Gasse: Dank an Mecklenburg

       Jochen Stopperam: Junge Gemeinde in Schwerin um 1953

       Weitere Informationen

       Maritime gelbe Buchreihe „Zeitzeugen des Alltags“

       Impressum neobooks

      Vorwort des Herausgebers

      Zu den von mir bevorzugt gelesenen Büchern gehören Dokumentationen zur Zeitgeschichte und Biographien.

      Menschen und ihre Geschichte sind immer interessant.

      Seit etwa zwei Jahrzehnten sammle ich Zeitzeugenberichte, zunächst von Seeleuten, mit denen ich über Jahrzehnte in meinem Beruf als Diakon und Dipl.-Sozialpädagoge in einem Seemannsheim täglichen Kontakt hatte. So kam es, dass ich in etlichen Bänden Lebensläufe und Erlebnisberichte von Fahrensmännern aufzeichnete und zusammenstellte.

      Menschenschicksale sind immer interessant und aufschlussreich, und wir können viel aus dem Erleben unserer Mitmenschen lernen.

      Nach dem verlorenen 2. Weltkrieg und dem Zusammenbruch der verbrecherischen Hitler-Diktatur, nach dem Verlust der Heimat, von Hab und Gut suchten die Menschen in dem schrecklichen Chaos nach Halt und Sinn. Viele sahen in dem gerade Erlebten ein Gottesgericht. Man besann sich auf tiefere Werte, Die Kirchen füllten sich. Hier fand man Trost und Hoffnung. Aber das gefiel den neuen Herren von Stalins Gnaden nicht. Laut Karl Marx war ja Religion Opium fürs Volk.

      Als Jugendlicher fand auch ich im Nachkriegs-Mecklenburg meinen Weg zur Kirche und erlebte den Kampf der atheistischen Staatspartei unter Ulbricht und den Honneckers gegen die junge Gemeinde der Kirche.

      Neben meinen eigenen Erinnerungen kommen in diesem Band die aufschlussreichen Berichte einiger Zeitzeugen der 1950er Jahre zu Wort. Den Autoren sei Dank für Ihre Einwilligung zur Veröffentlichung.

      Hamburg, im Mai 2014, Jürgen Ruszkowski

      Landesjugendpastor Friedrich Franz Wellingerhof – Schwerin

       Zeitzeugen-Bericht von Elisabeth Wellingerhof

       Schweriner Dom

      Die Monatsrüste war zuende. Wir hatten wie an jedem 1. Tag des Monats mit über 300 Jugendlichen im Halbkreis um den Altar des Schweriner Doms gestanden, uns die Hände gereicht und gesungen „Herr, wir stehen Hand in Hand“, als unsere Jugendleiterin O.A. uns 17-jährige Mädchen zusammenholte und uns erzählte: „Pastor Wellingerhof, unser Landesjugendpastor, hat zum 1. Mal ein Sommerlager für 15-17jährige Jungen geplant, er hat 65 Anmeldungen und die sowjetische Militärkommandantur hat es verboten. Ich bitte Euch, betet für diese Freizeit, denn P.W. hält sie für so wichtig, dass er sie auf alle Fälle durchziehen will.“

      Und wir haben gebetet – vielleicht tat ich es mehr als die anderen – ich wusste noch nicht, dass ich ein gutes Jahr später die Frau des Landesjugendpastors sein würde – und die Sache ging gut.

      Als ich meinen späteren Mann dann fragte, ob er keine Angst gehabt hätte, schließlich gab es noch Verbannung nach Sibirien oder andere schlimme Strafen, meinte er, das sei sicher der Fall gewesen, aber das half nichts. Freizeiten wären für ihn unverzichtbar für kirchliche Jugendarbeit, da ging es ums Ganze.

       Pastor Wellingerhof

      Aber, ich denke, ich erzähle der Reihe nach, so, wie ich es erlebt habe oder wie mein Mann es mir erzählt hat.

      Mein Mann war vorher 6 Jahre Soldat gewesen, davon 4 Jahre Sanitäter in Russland. Er erzählte von endlosen Märschen bei sommerlicher Hitze und bei minus 40 Grad Kälte. Er hatte viele Nächte in Gräben und Bunkern, die unter Beschuss standen, verbracht, war verwundet und in Todesgefahr gewesen. Er hatte es nicht fassen können, dass er sich 1945 tatsächlich gesund in Hannover wiederfand und schrieb seine Bewahrung der betenden Mutter zu.

      Als der mecklenburgische Landesbischof ihm 1946 schrieb und ihn bat, die Jugendarbeit im Lande zu übernehmen, war dies für ihn der Ruf Gottes. Er selbst war als Junge im Rostocker Schülerbibelkreis (B.K.) gewesen, hatte während des Theologiestudiums einen Jugendkreis dort geleitet, hatte nach dem Krieg ein Jahr lang die Schülerarbeit in Hannover aufgebaut und wusste, wie wichtig die kirchliche Arbeit mit und an der Jugend ist.

      So kam er heimlich über die Grenze in die damalige „Ostzone“, die noch geprägt war von dem Zusammenbruch und von Hunger und von plötzlichen Verhaftungen durch die sowjetische Militärbehörde. Der kirchlichen Jugendarbeit begegnete man mit großem Misstrauen. Ein Kommandant sagte einmal sehr böse: „Du sollst mit Jungen beten, nicht baden“, als es um eine Freizeit ging. Trotzdem wollte mein Mann wirken „solange es geht“.

      Die erste Unterkunft, die Schwerin ihm bieten konnte, war ein Lagerraum der Bibelgesellschaft. Dort wurde eine Matratze auf einige Bücher gelegt und etwas frei geräumt, der Raum aber war nicht heizbar.

      Später wurde ihm ein möbliertes Zimmer von einem Sekretär angeboten, der im Gericht arbeitete und auf Anfrage sogar bereit war, nach Feierabend einige Schreibarbeiten für meinen Mann zu machen.

      Es konnte keiner ahnen, wieviel Schwierigkeiten dies mit sich bringen sollte. Denn als Herr I. zwei Monate später, am 24.12. vormittags zum Dienst ging, schloss man plötzlich hinter ihm ab. Man bedrohte ihn und nötigte ihn, er solle den Landesjugenpastor bespitzeln, täte er das nicht, könne er das Weihnachtsfest im Zuchthaus verbringen. Ihm schien kein anderer Ausweg, als zu unterschreiben. Zitternd erzählte er dies, trotz scharfen Verbots, einige Tage später meinem Mann und fragte, was er tun solle.

      Beide fanden einen Kompromiss: Mein Mann diktierte ihm wöchentlich harmlose Briefe an irgendwelche Leute oder Gemeinden. Herr B. nahm diese Texte auf neuen Blaubogen mit zum Dienst. Er wurde dafür sehr gelobt und