Isolde Kakoschky
EISBLUMENBLÜTE
Roman
Impressum
Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbi-bliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über
http://www.d-nb.de abrufbar. ´
Print-ISBN: 978-3-96752-045-3
E-Book-ISBN: 978-3-96752-545-8
Copyright (2019) XOXO Verlag
Umschlaggestaltung: Grit Richter
Coverbild: Gabriele Mothes
Buchsatz: Alfons Th. Seeboth
Hergestellt in Bremen, Germany (EU)
XOXO Verlag
ein IMPRINT der EISERMANN MEDIA GMBH
Gröpelinger Heerstr. 149
28237 Bremen
1. Kapitel
Überraschend schnell war es dunkel geworden. Eben hatte Kristina noch die ersten Schneeflocken beobachtet, die sacht zur Erde glitten. Gerade erst Mitte November und schon Schnee, dachte sie bei sich. Der Norden schien seinem Namen wieder einmal alle Ehre zu machen. Als sie sich jetzt zum Fenster drehte, erblickte sie nur noch ihr Spiegelbild. Mit dem, was sie sah, konnte sie durchaus zufrieden sein. Man merkte ihr nicht an, dass sie schon Mitte 50 war. Schlank, sportlich gekleidet und mit ihren kinnlangen, dunklen Haaren wirkte sie gut zehn Jahre jünger. Ein Geräusch riss sie aus den Gedanken.
»Bleibst du noch lange?« Mark, ihr Kollege, war aus dem Büro nebenan herüber gekommen und sah sie fragend an.
»Nein, nicht mehr lange. Ich erwarte nur noch ein Fax, dann mache ich auch Feierabend.« Wie zur Bestätigung ihrer Worte verkündete der Piep-Ton des Gerätes den Empfang und spuckte summend ein Blatt Papier aus.
»Wollen wir dann zusammen etwas essen gehen?« Kristina schüttelte den Kopf. »Nein, heute nicht. Mir ist einfach nicht danach. Ich möchte lieber heimfahren, wer weiß, wie es auf der Landstraße aussieht. Aber danke, dass du an mich gedacht hast. Ein anderes Mal gerne!«
Mark zuckte die Schultern. »Na dann nicht. Mach´s gut bis morgen!«
Während er die Tür hinter sich schloss, legte Kristina das Blatt in den Einzug des Faxgerätes um es, mit dem Fahrzeugkennzeichen versehen, noch schnell weiter zu senden. Sie schaltete den Rechner aus und verließ wenige Minuten später ebenfalls das Büro. Eigentlich gehörte sie nicht zu den Menschen, die bei der ersten Schneeflocke die Engelchen aufhängten und Zimtsterne knabbernd weihnachtsseligen Liedern von der CD lauschten. Das lag wohl daran, dass ihre Mutter diese Gefühlsduselei als unnötig abgetan und aus ihrem Leben nahezu verbannt hatte. Doch heute wurde sie angesichts der tanzenden Flöckchen sentimental. Vielleicht hätte sich etwas an ihrer Einstellung geändert, wenn sie Kinder gehabt hätte. Aber dafür war es nun zu spät. Ihre biologische Uhr war abgelaufen. Da gab es niemand, der auf sie wartete, wenn sie heim kam von der Arbeit. Jedenfalls kein Mensch. Die einzige Familie, die sie nach dem Tod der Mutter noch hatte, war ihr Kater Toni. Er war ein Findelkind. Vielleicht war er das Ergebnis eines Fehltrittes der Katzenmutter gewesen, denn wie es sich herausstellte, war er ein Persermischling und vereinte die Robustheit der Hauskatze und das ruhige Naturell des Persers in sich. Als Kristina ihn zu sich nahm, statt ihn ins Tierheim zu bringen, da dachte sie, dass das Kätzchen genauso einsam sei wie sie selbst. Seit dem waren sie zu zweit.
Ihr Leben spielte sich sowieso mehr in der Firma ab als zuhause. Viele Jahre war sie nun schon Disponentin in der Futtermittelhandlung mit eigenem Speditionsbetrieb. Das Mischfutterwerk hatte es schon in der DDR gegeben, allerdings unter einem anderen Namen. Nach der Wende kamen Investoren aus dem Westen. Damals ging die Angst um die Arbeitsplätze in der Gegend um. Hier oben im äußersten Nordosten, erst