Heute oder nie!. Valentin Krasnogorov. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Valentin Krasnogorov
Издательство: ЛитРес: Самиздат
Серия:
Жанр произведения: Драматургия
Год издания: 2021
isbn:
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natürlich.

      DOKTOR: Und was passierte mit Ihnen? Haben Sie sich den Kopf angeschlagen?

      ANTON: Warum das denn? Bei mir ist alles in Ordnung. Kein Kratzer.

      DOKTOR: Und warum sollte ich dann unverzüglich Maßnahmen ergreifen?

      ANTON: Und wer wird mir Schadenersatz leisten?

      DOKTOR: Schadenersatz? Wofür? Ich hab´ doch den LKW nicht gelenkt.

      ANTON: Sie nicht. Aber Sie sind mein Versicherungsagent. Wann haben Sie vor, für die Reparatur aufzukommen?

      DOKTOR: Mein Lieber, ich bin kein Versicherungsvertreter. Ich bin Privatarzt. Doktor. Verstehen Sie? Doktor.

      ANTON: (Bestürzt.) Doktor?

      DOKTOR: Doktor, Doktor. (Redet sanft und geduldig auf ihn ein.) Sie sind zu einem Doktor gekommen. Zum Doktor und nicht zu einem Versicherungsagenten.

      ANTON: Ja, richtig… Das hab´ ich völlig vergessen. Entschuldigen Sie.

      DOKTOR: Ich sehe, Ihre Krankheit ist äußerst ernst. Äußerst.

      ANTON: Aber sie ist heilbar?

      DOKTOR: Wie soll ich Ihnen sagen… Sie haben Glück, dass Sie ausgerechnet zu mir kamen. Ein anderer Arzt hätte Sie nie und nimmer behandelt.

      ANTON: Ja, das haben Sie schon gesagt.

      DOKTOR: Das heißt, Sie erinnern sich daran?

      ANTON: Natürlich.

      DOKTOR: Das ist gut. Aber erinnern Sie sich überhaupt an irgendetwas?

      ANTON: Ich erinnere mich an alles. Kindheit, Schule, Universität, Arbeit. Aber ich kann vollständig vergessen, was mit mir vor einer Woche oder Stunde passiert ist. Und dann plötzlich erinnere ich mich. Und vergesse wieder. Das ist furchtbar.

      DOKTOR: Macht nichts, alles ist korrigierbar.

      ANTON: Wie heißt meine Krankheit?

      DOKTOR: Eine Form von Sklerose. Vorerst schwer zu sagen, welche genau. Es gibt viele. Wie fühlen Sie sich körperlich?

      ANTON: Gut.

      DOKTOR: (Trägt die Daten in die Krankengeschichte ein.) Wie verhält man sich Ihnen gegenüber bei der Arbeit?

      ANTON: Gut.

      DOKTOR: Und wie verhält sich Ihre Frau zu Ihnen?

      ANTON: Gut.

      DOKTOR: Wann hatten Sie mit ihr zum letzten Mal enge Beziehungen?

      ANTON: (Nach längerem Überlegen.) Ich erinnere mich nicht.

      DOKTOR: (Greift sich verzweifelt an den Kopf.) Mein Lieber, ehrlich gesagt, ich hab´ es mit Ihnen ein bisschen schwer. Lassen Sie uns eine kleine Pause machen.

      ANTON: Weshalb?

      DOKTOR: Deshalb, weil ich müde geworden bin. Und mein Kopf fängt an wehzutun.

      ANTON: (Teilnahmsvoll.) Eine Tablette vielleicht?

      DOKTOR: (Schreit.) Nein, danke! Fressen Sie die selbst! (Reißt sich zusammen.) Entschuldigen Sie, ich bin wirklich müde geworden. Wo sind wir stehen geblieben?

      ANTON: Dass Sie baten, eine kleine Pause zu machen.

      DOKTOR: Was für eine Pause? Ach, ja… Warten Sie bitte im Wartezimmer. Ich werde Sie rufen.

      ANTON: (Geht zum Ausgang, bleibt dann aber stehen.) Übrigens, wegen den engen Beziehungen… Sagen Sie, ist meine Krankheit nicht ansteckend?

      DOKTOR: Im Grunde nicht. Obwohl… (Denkt nach. Ein unangenehmer Gedanke kommt ihm in den Sinn. Sein Gesicht verfinstert sich.) Neulich wurde behauptet, dass einige Formen von Sklerose von Viren verursacht werden und ansteckend sein können.

      ANTON: Das heißt, Sie wollen sagen…

      DOKTOR: (Unterbricht ihn.) Warten Sie. Und gehen Sie weiter von mir weg. (Zieht hastig einen Mundschutz an und betrachtet sich besorgt im Spiegel.)

      ANTON: Sie haben noch nicht auf meine Frage geantwortet.

      DOKTOR: Ach, lassen Sie mich doch wenigstens für fünf Minuten in Ruhe!!

      Anton geht hinaus. Der Doktor nimmt von einem Regal ein dickes medizinisches Nachschlagewerk und beginnt es fieberhaft durchzublättern. Nachdem er die gewünschte Information nicht gefunden hat, wirft er es zur Seite. Er gießt sich aus einer Thermoskanne Kaffe ein und versucht, ihn zu trinken, aber der Mundschutz stört ihn dabei. Er nimmt ihn ab, nimmt einen kleinen Schluck aus der Tasse und beruhigt sich langsam. Er bemerkt den Zettel Antons auf dem Tisch, schaut nach und wählt die Telefonnummer.

      DOKTOR: Hallo? Marina? Verzeihen Sie. Hier ist wieder der Doktor. Ich will mich für den vorigen Anruf entschuldigen. Ja. Und ich möchte noch sagen, dass Sie, obwohl Sie mich als frech bezeichneten, eine sehr angenehme Stimme haben. Keine Ursache. Das war ein Missverständnis. Einfach weil sich in der Tasche eines meiner Patienten ein Zettel mit Ihrem Namen und der Telefonnummer befand, und er behauptete, dass Sie seine Frau seien. Anton Glöckner. Was!? Sie sind wirklich seine Frau? Aber Sie haben doch gesagt, dass Sie keinen Mann haben! Verzeihen Sie, ich wollte Sie keinesfalls beleidigen. Einer Frau zu sagen, dass sie keinen Mann hätte, bedeutet noch nicht, sie zu beleidigen. Außerdem haben Sie selbst… Verzeihen Sie. Also… Also… Verstehe. Verstehe. Verstehe. (Legt den Hörer auf.) Einen Dreck verstehe ich.

      ANTON tritt ein.

      ANTON: Erlauben Sie?

      DOKTOR: (Zieht hastig den Mundschutz an.) Bitte.

      ANTON: (Tritt nahe an den Doktor heran und flüstert ihm ins Ohr.) Doktor, ich leide an Gedächtnisverlust.

      DOKTOR: (Drängt ihn von sich.) Ich weiß.

      ANTON: (Verwundert.) Woher wissen Sie?

      DOKTOR: Sie haben das selbst gesagt.

      ANTON: Wann?

      DOKTOR: Gerade eben. Und vorher auch.

      ANTON: Wie konnte ich Ihnen das sagen, wenn ich Sie zum ersten Mal sehe?

      DOKTOR: Mich? Zum ersten Mal?

      ANTON: Und außerdem verberge ich das vor allen. Ich kann dieses Geheimnis nur einem Arzt anvertrauen.

      DOKTOR: Aber ich bin doch Arzt, beim Teufel auch!

      ANTON: (Erfreut.) Tatsächlich? Endlich! Also, Doktor, ich leide an Gedächtnisverlust.

      DOKTOR: (Gießt sich aus einer Karaffe Wasser ein, nimmt ein Tablette und schluckt sie.)

      ANTON: (Glücklich.) Ist Ihnen schlecht?

      DOKTOR: (Fasst sich ans Herz.) Ja.

      ANTON: Sind Sie tatsächlich Doktor?

      DOKTOR: Versteht sich.

      ANTON: Und warum ist Ihnen dann schlecht? Schlecht geht es nur Kranken, und Doktoren geht es immer gut.

      DOKTOR: Atmen Sie mich nicht so nahe an. Was wollen Sie von mir?

      ANTON: Ich? Nichts. Sie kamen selbst hierher, ich hab` Sie nicht hergerufen

      DOKTOR: Ich kam hierher? Sie haben mich nicht hergerufen? (Nimmt die zweite Tablette ein.)

      ANTON: Mein Lieber, Sie sehen schlecht aus.

      DOKTOR: (Finster.) Wie haben Sie das erraten?

      ANTON: Interessant, wovon könnte das kommen?

      DOKTOR: (Ironisch.) Wirklich, wovon?

      ANTON: Sie sind sehr nervös. Sie müssen sich mehr um Ihre Gesundheit kümmern. Aber werden Sie nicht missmutig. Ich helfe Ihnen.

      DOKTOR: Danke.

      ANTON: Atmen Sie tiefer. Entspannen Sie sich. Gut so… Schlucken Sie diese Tablette. Ist Ihnen besser?

      DOKTOR: (Finster.) Besser.

      ANTON: Dann können Sie gehen. Auf mich warten andere Patienten. Falls es nicht besser wird,